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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Giovanni Morelli gest.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0182

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN
Heugasse 58.

KÖLN
Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. II. Jahrgang.

1890/91.

Nr. 21. 2. April.

Die Kunstchroiiik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

GIOVANNI MORELLI f.

«• An die beiden Architekten, die wir beweinen,
reiht sich ein Gelehrter, ein Forscher an, in dem
uns wieder einer unserer Nächsten und Besten ent-
rissen ward! Zu dem Schwaben und dem Dänen
tritt der Lombarde: weit verschiedener Abstammung
alle drei, und doch eins mit uns durch die Bande
der Kunst. Morelli vollends dadurch, dass er nach
Abstammung, Erziehung und Wirksamkeit ein halber
Deutscher war, wenn auch von Herzen und Gedanken
ein guter Italiener.

Giovanni Morelli war am 25. Febr. 1816 in Verona
geboren, erreichte somit, da er in der Nacht vom
28. Februar zum 1. März um 11 "2 Uhr gestorben
ist, das 76. Lebensjahr. Wer von uns hätte dem
kräftigen, beweglichen, geistesfrischen Manne dieses
hohe Alter angemerkt! Nur selten kränkelte er,
suchte dann wohl mit Vorliebe die norditalienischen
Bäder auf; im ganzen floss sein Leben in Gesund-
heit und ununterbrochener Thätigkeit dahin, bis er
gegen Ende des vorigen Jahres den Beginn der
Leber- und Herzkrankheit spürte, welcher er erlegen
ist, zum tiefen Schmerze seiner zahlreichen Freunde
und Verehrer.

Morelli stammte aus einer alten südfranzösischen
Protestantenfamilie, welche vor den Verfolgungen
der Kirche nach der Schweiz geflüchtet war und
sich von dort nach Oberitalien wendete. Nachdem
der Vater Giovanni's früh gestorben, zog die Mutter
mit ihm von Verona nach Bergamo, das er deshalb
stets als seine eigentliche Heimat betrachtete. Die
Mutter stammte aus einer bergamaskischen Familie,
war aber in der Schweiz geboren und gab wohl da-

her ihren Sohn in eine dortige Erziehungsanstalt.
Später bezog derselbe die Universität München und
zwar, um Medizin zu studiren. Morelli hat die Stu-
dien mit bestem Erfolge absolvirt; er wurde Assi-
stent bei der Lehrkanzel der vergleichenden Ana-
tomie. Darauf kam er wieder nach der Schweiz,
machte dort die Bekanntschaft des gefeierten Agassiz
und nahm auf mehreren gemeinsamen Exkursionen
teil an dessen berühmten Gletscherforschungen. Da
haben wir also die Grundlagen für Morelli's natur-
wissenschaftliche Methode in der Kunstforschung!

Die nächsten Jahre führten den jungen Gelehr-
ten nach Paris, dann in die Heimat zurück und
brachten ihn hier in Verbindung mit den hervor-
ragendsten Männern der politischen und litterarischen
Welt. In erster Linie gewann er die Freundschaft
Gino Capponi's und blieb mit diesem in regem per-
sönlichem und brieflichem Verkehr.

In der Bewegung des Jahres 1848 finden wir
unsern Freund als Abgesandten der provisorischen
Regierung der Lombardei beim deutschen Parlament
in Frankfurt. Im Jahre 1860 erscheint er als Ab-
geordneter von Bergamo im Turiner Parlament,
nimmt hier als Mitglied der Rechten mit seinem
Freunde Marco Minghetti an den wichtigsten kon-
stituirenden Beschlüssen zur Gründung und Festigung
des neuen Italiens teil, und erhebt seine Stimme für
die Erhaltung der vaterländischen Kunstdenkmäler.

Auf das Studium der Kunst war Morelli's Geist
bereits in der Zeit seines Pariser Aufenthaltes ge-
richtet. Die zahlreichen Reisen in Italien, vor-
nehmlich in Toskana, schärften seinen Blick und
im Laufe der Jahre gewann er jene staunenswerte
Bilderkenntnis und jene feinfühlige Unterscheidungs-
 
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