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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

UND

CARL VON LUTZOW

WIEN
Heugasse öS.

ARTHUR PABST

KÖLN
Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. IL Jahrgang.

1890.91.

Nr. 12. 15. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildendo Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an

«ei

NOTSCHREI.

Der altehrwürdige Dom zu Magdeburg soll ver-
unglimpft werden! Das herrliche, stolze Bauwerk,
der nördlichste Vertreter des gotischen Stils in Sand-
stein, soll längs seiner Südfront verkleistert werden
mit einer Bureaukaseme!

Nachdem man den Kölner Dom fertig gebaut,
sammelt man und vertreibt Lotterielose, um ihn frei
zu legen; nachdem man reumütig der Versündi-
gungen sich bewusst geworden, durch welche ein
ödes Nützlichkeitsprinzip der preußischen Bureau-
kratie das prachtvolle Schloss zu Marienburg dem
Untergange nahe gebracht hatte, sammelt man und
vertreibt Lotterielose zur Freilegung, zum stilge-
rechten Wiederaufbau dieses Denkmals mittelalter-
licher Profanarchitektur, — nachdem die Stadt
Magdeburg es sich Hunderttausende hat kosten
fassen, um ihren Dom so weit seiner unwürdigen
kesseln zu entledigen, dass er jetzt in früher un-
Böahnter Schöne gen Himmel ragt, streckt nun der

«kua seine Hand aus zu jammervoller Verunstaltung
einer seiner Fronten, wahrscheinlich damit man nach

elln Jahren abermals in ganz Deutschland sammele

üd Lotterielose vertreibe zur Niederlegung des jetzt
eben im Aufbau Begriffenen.

Der Sachverhalt ist speziell folgender. Als zu

ufanc/ der sieDzjger Jahre die Stadterweiterung

a(?<leburgs ins Werk gesetzt wurde, bewies sich

Stadt seh,- freigebig. Unter anderen] verkaufte

6 an das Domgymnasium, das im alten Gebinde

""l|,r und aber dem Kreutgange schier erstickte, ein
Ues. ausreichendes Areal für 3 Mark pro Quadrat-

meter — heutzutage wird mehr für den Quadrat-
fuß bezahlt — und erwarb dafür das Hecht, den
aufgegebenen Grund und Boden für 6 Mark pro
Quadratmeter an sich zu bringen, „soweit derselbe
Eigentum der Schule gewesen". Dieser unschein-
bare Zusatz wurde die Handhabe für das Konsisto-
rium, die Erfüllung des Kontrakts zu hintertreiben,
da nach den bekannten Schicksalen der Stadt vor
260 Jahren und besonders den Wirren der west-
fälischen Zeit es unmöglich war, nachzuweisen,
wo die Besitztitel der alten Domschule anfingen und
aufhörten. Inzwischen sind die Ruinen der alten
Schulgebäude so ziemlich aufgeräumt, aber es muss
an einem Teile ihrer Stelle etwas Neues errichtet
werden, um den prachtvollen, romanischen Kreuz-
gang vor dem Einsturz zu bewahren. Intelligente
Bürger sind von jeher darauf bedacht gewesen,
hier ein der grossen Provinzialhauptstadt würdiges
Museum herzustellen, das mit stilgerechter Fassade
nach Süden, im Zusammenhange mit dem großen
Kemter, und den Lokalitäten des Staatsarchivs, zu
denen zumal eine Kapelle von wirklich wunder-
barer Schönheit gehört, eine Zierde der Stadt, ein
,Germanisches Nationalmuseum" ä la Nürnberg im
kleinen werden müsste. Beiläufig gesagt, muss das
Staatsarchiv aus seinen bisherigen, viel zu engen
und jetzt finstern Räumen verlegt werden, entweder
in einen Neubau, dessen Beschaffung die Stadt aber-
mals mit bewährter Liberalität entgegenkommen
würde, oder, wie die Regierung es wünscht, nach
Halle.

• nun der Stadt Magdeburg auch einmal
einen Gefallen zu thun, ihr eine billige Zuwendung
 
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