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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Die Stuttgarter internationale Kunstausstellung, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0217

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Die Stuttgarter internationale Kunstausstellung. — Kunstlitteratur.

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und die Franzosen mögen sich nur vor diesen Kon-
kurrenten in acht nehmen, die noch Naturweine
geben. Und namentlich fällt auf, dass auch Häus-
lichkeit und ihr Glück in italienischen Bildern eine
Rolle zu spielen beginnen und dass die Italiener
sich darauf besinnen, dass sie Meer und Strand haben
und mit Marinen dem Import vom Norden Kon-
kurrenz machen können, wie längst bei uns mit
Aalen und Langusten. Giardi und Fragiacomo zeigen
dies mit ihren Wasserbildern, Milesi jenes mit seinen
beiden Bildern — dick und voll und so ansprechend
von Farbe und Geschmack wie guter italienischer
Rotwein — „Liebeserklärung des jungen Fischers"
und „Häusliches Glück". Wer wird nicht hier,
wie bei den anderen Darstellungen, an die Zeiten
denken, wo Robert aus italienischem Landvolk und
Fischern seine idealen Gestaltungen schuf! Im all-
gemeinen erklärt sich das sehr einfach. Damals
sprach man auch malerisch in Vers und Reim und
Strophen oder mindestens in poetischer Prosa; heut
schildert man denselben Inhalt realistisch und cha-
rakterisirend in Prosa. Früher sahen wir den Fischer
der Poesie, jetzt sehen wir den der Wirklichkeit mit
seinen ungeheuren, vor Nässe schützenden Kothurn-
pantoffeln. Die vom „Windstoß" auseinander ge-
jagten, nach Hause eilenden Weißnäherinnen Rotta's,
die frischen Dirnen bei ihrer nassen Bückarbeit im
„Reisfeld" Tito's in den sehr lebenswahren, aber
nicht stilvollen Attitüden gehören heiter, respektive
auch drastisch dem neuen Genre an. — Die Taufe
spielt in der Ausstellung eine besondere Rolle, hier
etwas langweilig, dort interessanter, bei Zezzos aber
für uns Deutsche informirend: wir sehen das Neu-
geborene in einem Glaskasten in die Kirche ge-
tragen, für unser Klinia wahrlich nachahmenswert,
wie sogleich weibliche Stimmen erklärt haben. Bei
Tiratelli schreit gleichsam Erd und Himmel in Farben
und Licht vor Vergnügen über den „Taufgang in
der Ciocciaria". — Laurenti zeigt sich im Pastell als
ein feiner psychologischer Meister. Um nur das
Bild „In Gedanken" heraus zu greifen, so ist die
junge Gärtnerstochter trefflich — eine Knospe, um
die man bangt, ob sie nicht in Sehnsucht nach
Höherem und in und durch Jugendunverstand zu
früh zu Schaden kommt und gebrochen wird. Wir
vergessen darüber ganz die prosaischen Blumen-
töpfe. Hier ist Geist wie der perlenden Schaumweins.
Möge derselbe nicht im Sinn des „Ersten Zweifels"
bei der Kahnfahrt nach zweifelhafter Seite sich
wenden, sondern im Schönen und Sittigen Triumphe
feiern! Nennen wir nur noch L. Nono für sein

schönes, stimmungsvolles „Beim Ave Maria" und den
Sonntagmorgen. Wir können ja hier leider nicht
jeden Meisters gedenken.

Meissonier mit einem Bildchen von 1863, Carolus
Duran mit einem Porträt seiner Tochter bedürfen
keines Kommentars. Aublet prunkt, wie bekannt, in
Rosen und Frauen; es scheint, er legt es besonders
darauf an, uns die Größe der Rosen im gelobten
Lande Frankreich zu zeigen. Duez' Dame in Weiß
mit grüner Jacke hat uns schon in München ange-
blickt, wie die aus München, mit Max' Affen, gütigst
überlassene Madonna von Dagnan-Bouveret längst die
Bemerkung veranlasst hat, dass Realismus und Mystik
seltsam darin verbunden sind. Das Jesuskind leuchtet
unter dem Umwurf, wie eine darunter geborgene
brennende Laterne. Die zwanzig französischen Mei-
ster, die wir hier mustern, geben natürlich dem,
der die französische Malerei nicht kennt, keinen Be-
griff von derselben. Am drastischsten thut dies nach
gewisser Richtung Gervex mit seiner „Jury des Pariser
Salons": die öden Ausstellungsräume, die Herren mit
Cylindern, Überziehern und Regenschirmen, aber die
Gesichter und Figuren gemalt — alle ganz bei der
Sache und doch Porträts — in einer Charakteristik,
einer Lebenswahrheit — und so französisch, so fran-
zösisch, Gesichter, Benehmen, Gesten — esiststupend!
Und dabei Lebensgröße.

Was man dagegen an dem nackten Rücken des
lebensgroßen Modells in der „Studie im Freien" von
Roll besonders sehen soll, wissen wir nicht und der
intime Vorgang von Geromc's „Türkische Frauen im
Bade" müsste bei dem doch nicht gewöhnlichen
Anblick unsere Aufmerksamkeit viel mehr erregen,
als dass wir nur denken, dass die Hauptperson sich
sicherlich aus Frankreich hat importiren lassen. Bei
Motiveis „Halt! Front!" wundern wir uns, dass der
Vater unverantwortlicherweise den beiden Jungens
nicht abgewöhnt hat, die Füße so täppisch einwärts
zu setzen — nur drollig für den, dem diese Spröss-
linge nicht gehören. Und diese große Wiese für
die zwei kleinen Knaben! Man vergisst allerdings
das Bild nicht und es soll Scherz sein. Übergehen
wir anderes und nennen wir nur noch das treffliche
Austernbild von G. Fouacc. Liebhaber von Austern
fürchten sich davor, weil es sie reizt und diese Weich-
tiere so teuer sind. (Schluss folgt.)

KUNSTLITTERATUR.

x. — Die von H. Holtxinger bearbeitete dritte Auflage
von Burckharäis Geschichte der Renaissance in Italien (Stutt-
gart. 1'. NefF) ist mit der jüngst erschienenen zehnten Liefe-
 
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