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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Springer, Anton: Neue Kupferstiche
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0031

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Neue Kupferstiche.

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nahe verwandt. Nur fehlt der triumphirende Zug,
der Freudenrausch, welcher bei der Hinirnelfahrt die
Engel in der Regel beherrscht, der Ausdruck eines
glorreich vollendeten Daseins, eines mächtigen Auf-
schwunges. Sehnsüchtig harrt vielmehr die Braut
des Herrn, innig demütige Hingabe spricht aus dem
Antlitz und Mienenspiel. Von allen Conceptionen
Murillos ist die berühmteste und bekannteste das
Gemälde im Louvre, vom Meister 1678 für die Kirche
de los Venerables in Sevilla gemalt, vom Marschall
Soult entführt und 1852 für die Summe von 600000
Francs für die Louvregalerie angekauft. Das Bild ist
nicht vollkommen gut erhalten. In Bezug anf Far-
benharmonie steht es anderen Conceptionen (Madrid)
nach. Unübertrefflich ist aber die Stimmung fest-
gehalten. Die Madonna über Wolken auf der Mond-
sichel stehend, faltet nicht die Hände zum Gebete,
sondern kreuzt sie über der Brust. Eine tiefe innere
Erregung hat sich ihrer bemächtigt, welche in dem
leicht geschwellten Gewände noch nachklingt. Der
Kopf ist leicht geneigt, die Augen sind nach oben ge-
richtet. So kommt die Sehnsucht, die Hingabe voll-
kommen zur Geltung. Erhöht wird die "Wirkung
noch durch die vielen reizenden Engelsköpfe und
Engel. Im Gegensatze zu der nur innerlich beweg-
ten, leise wie unbewusst emporschwebenden Madonna
sprechen sie die ungebundene Freude über die Er-
höhung der himmlischen Frau aus und atmen eine
frische Natürlichkeit. Dieses Werk hat nun Kohl-
schein in seinem 71,5 cm. hohen, 49 cm. breiten
Stiche ganz im Sinne des Originals nachgebildet.

Kohlschein gehört zu den Künstlern, welche mit
jedem neuen Werke wachsen, er hat sich von den
deutschen Stechern der Gegenwart mit am tiefsten
in die malerische Richtung eingelebt. Es ist ein
wahrer Genuss, seine Entwickelung von Veronese's
Hochzeit zu Cana zu Raffaels Cäcilia und Madonna
mit dem Schleier und jetzt zur Conception zu
beobachten. Trefflich sind ja alle diese Stiche; doch
wird die Strichführung immer freier, es kommt immer
mehr Kraft und Saft, Kühnheit in sie. In der Con-
ception scheut er sich nicht, bis zum tiefsten Schwarz
vorzudringen und sucht der farbigen Wirkung des
Gemäldes gerecht zu werden. Mit breiten Tonmassen
kann man die Verteilung von Licht und Schatten
vergleichen. Das hellste Licht fällt auf den Kopf,
die Hände und das Untercewand der Madonna, wo
durch die ganze Gestalt etwas Strahlendes empfängt.
Sie tritt aus dem Dämmerscheine hervor. Er ist leuch-
tend in der Nähe der Madonna, in weiterer Entfer-
nung verliert er sich in dem Dunkel. Der Blick, der auf

dem Blatte ruht, empfängt den Eindruck eines Webens
und Wogens in den Lüften, als ob sich die zitternde
innere Bewegung der Himmelsbraut der ganzen Um-
gebung mitgeteilt hätte.

Wir begreifen, dass das Blatt in Frankreich mit
dem grössten Beifalle aufgenommen wurde. Erinnert
es doch vielfach an die alten grossen französischen
Meister! Wir aber wünschen Meister Kohlschein und
der deutschen Kupferstichkunst aufrichtig Glück zu
dieser neuesten Schöpfung.

Kohlscheins Stich nach Murillo ist im Verlage
von Conzen in Düsseldorf (Kommissionsverlag von
R. Schuster in Berlin) erschienen. Es verdient hohe
Anerkennung, dass einzelne Männer den Mut und
den Kunstsinn besitzen, so kostbare Blätter in die
Welt zu senden. Dankbar müssen wir aber auch die
Bemühungen einzelner Gesellschaften für die Förde-
rung der Kupferstichkunst rühmen. Das Publikum
darf nicht in dem Wahne gelassen werden, als ob
der Kupferstich schon im Aussterben begriffen wäre.
Es müssen ihm fortwährend Kunstblätter vor die
Augen gebracht werden, damit der Sinn für die Kunst
des Grabstichels genährt und gestärkt werde. Unter
den Gesellschaften, welche der Pflege des Kupferstiches
ihre Kraft widmen, steht die Wiener Gesellschaft
für vervielfältigende Kunst oben an. Sie hat in
jüngster Zeit ihrem Galeriewerke drei neue Blätter
einverleibt, drei Stiche nach Bildnissen van Dycks,
welche sich den früheren Publikationen der Gesell-
schaft würdig anreihen. Von Sonnenkitcr in Wien
stammt der sogenannte junge Feldherr im Wiener
Belvedere, von Kühn der Freund und Kunstgenosse
van Dyck's Charles de Malery in der Münchner
Pinakothek, von Hechl die Königin Henriette von
England in Dresden. Das erste Blatt ist eine Grab-
stichelarbeit, das zweite eine Radirung, das dritte
ein Holzschnitt, richtiger gesagt ein Holzstich. Hechts
Blatt ist eine virtuose Leistung ersten Randes. Die
vollkommene Herrschaft über sein Werkzeug macht
es Hecht möglich, die malerische Wirkung des
Originals flott und frei wiederzugeben, formlich mit
dem Kupferstiche zu wetteifern. Kuhns fruchtbare
Nadel hat einen glücklichen Griff gethan, als sie sich
an die Wiedergabe eines Künstlerportrats von van
Dyck wagte. Gegenüber den offiziell bestellten Bild-
nissen zeichnen sich diese durch eine grössere Frische
und Natürlichkeit, einen intimen Charakter aus.
So fesselt auch das Bildnis des Charlys de Malery
durch die psychologische Wahrheit. Kühn hat den
kräftigen Kopf mit dem ernsten, fesl prüfenden
Blick im Ganzen gut wiedergegeben, höchstens
 
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