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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Osius, Rudolf: Die Pfarrkirche St. Johannis in Werben
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0033

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Die Pfarrkirche St. Johann in Werben.

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hochaltar, welcher dem Ende des 15. Jahrb.. zuge-
schrieben wird, in seinem kostbaren, reich vergoldeten
und bemalten Schnitzwerk zu den hervorragendsten
Erzeugnissen dieser Gattung; ebenso ein kleinerer,
gleichfalls sehr reich gehaltener, wenn auch in
plumperer Formengebung auftretender Nebenaltar.
Ersterer stellt die Hauptszenen aus dem Leben, dem
Tod und der Himmelfahrt der Maria dar.

Von Interesse ist auch ein mit der Jahreszahl
1588 bezeichnetes, auf schweres Eichenholz gemaltes
Gemälde, „das jüngste Gericht", in welchem links
die Sehgen zu dem Weltenrichter emporsteigen und
rechts die Verdammten mit ungemein derb drastischem
Humor geschildert werden, wie sie von den bösen
Geistern auf alle mögliche Weise geplagt und ge-
martert werden, während vom Himmel fallendes
Feuer und mit Schwefel geladene, auf der Höllenburg
aufgefahrene Feldschlangen den Erdkreis in Flammen
setzen. Das Bild ist erst kürzlich durch Zufall ent-
deckt und durch sorgfältige Wiederherstellung dem
Verfall entrissen worden.

Dass den beutegierigen Plünderungen so vieler
verworrenen Jahrhunderte ein überaus kostbarer,
schwer vergoldeter Kelch entgehen konnte, ist ein
wahres Wunder. Derselbe ist von hohem Kunstwert,
denn die fein eingravirten biblischen Darstellungen
sind von einer wundernswerten Sorgfalt der Durch-
führung und Zeichnung, nicht minder die um-
rahmende Ornamentik des heiligen Geräts. Dasselbe
stammt aus dem Ende des 12. oder Anfang des
13. Jahrhunderts.

Nicht unerwähnt bleiben darf ein mächtiger
fünfarmiger Erzleuchter, auf drei Löwen ruhend,
mit der scharf eingeschnittenen Inschrift:

anno domini MCCCCLXXXVII do makede herman
bonstede dese luchte.
Von weit höherer Bedeutung aber, sowohl kunst-
geschichtlich als auch historisch, sind die köstlichen
Glasmalereien, welche die Polygonendigungen der
Seitenschiffe und namentlich den siebenseitigen Chor-
schluss der Kirche schmücken und die in wertvollen
Teilen noch erhalten, vor kurzem von der Königl.
Anstalt für Glasmalerei m Berlin zusammengestellt
und in streng richtiger Weise ergänzt worden sind.
Die alten Gemälde stammen aus dem Jahre 1467
und zeigen im südlichsten Fenster die ersten Menschen
im Sündenfall und aus dem Paradiese vertrieben, auf
rotem und blauem Grunde. Unter denselben befinden
sich drei Wappen, umgeben von der Kette des Schwa-
nenordens mit herabhängendem Kleinod, auf weissem
Feld den roten brandenburgischen Adler mit kron-

geschmücktemHelm und zwei schwarzen, mit goldenen
Herzen bestreuten Adlerflügeln, auf anderm Feld
den Nürnberger Löwen mit dem Helmschmuck der
Büffelhörner. Aus der in Bruchstücken erhaltenen
Inschrift ist mit Sicherheit zu folgern, dass es der
" Stifter des Schwanenordens Friedrich IL war, welcher
die Glasmalerei gespendet hat. Weiter sind hervor-
zuheben die Darstellung des Todes und der Krönung
der Maria zwischen Gott Vater und Sohn, welchen
nach dem begeisterten Ausspruch des früheren Kon-
servators von Quast seit den Zeiten des Meisters
Stephan kaum etwas Ähnliches an die Seite gestellt
werden kann, und die derselbe für die schönsten
malerischen Kunstwerke der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts in Deutschland erklärte.

Ebenso vollendet sind die Gestalten der Madonna
mit dem Christuskinde zwischen Johannes dem Täufer
und der heil. Katharina unter reichem Tabernakel.
Zu Füssen der heiligen Gestalten schweben auf
drei blaugemusterten Feldern mit schachbrettartigem
Boden in weissen wallenden Gewändern mit Gold-
saum drei Engel mit lichtem Blondhaar und mäch-
tigen Flügeln aus goldenen und grünen Pfauenfedern;
jeder derselben stützt mit beiden Armen ein Schild,
welches das weisse Johanniterkreuz auf rotem und
bezw. schwarzem Grund, (ersteres das Wappen des
Johannitermeisters in Deutschland) und in der Mitte
den roten brandenburgischen Adler auf weissem
Grunde zeigt. Diese drei Gestalten mit den scharf
| hervortretenden, die Blütezeit des Johanniterordens
kennzeichnenden Wappen und in ihrer schönen orna-
mentalen Umrahmung sind nicht minder von hervor-
ragender Bedeutung. Andere Bilder zeigen in leuch-
tender Farbenwirkung einen Geistlichen, welcher von
lieblichen musizirenden Engelgruppen umgeben, die
Messe am Hochaltar abhält; ferner Magdalena, vor
dem Heiland, welcher am gedeckten Tische ruht,
niederknieend und mit ihrem prächtigen Haar seine
Füsse trocknend; sodann eine Fülle von Märtyrern und
Propheten, der heilige Andreas mit dem Kreuz, Petrus
und Paulus mit Schlüssel und Schwert, die heilige
Ottilia, welche ihre ausgeschnittenen Augen in gol-
dener Schale trägt, die heilige Elisabeth mit den
Blumen, in welche sich das Brot verwandelt hat,
Katharina mit dem Rade.

An diese schönen alten Gemälde, welche im wesent-
lichen erhalten waren und nur in untergeordneten
Teilen einer Ergänzung bedurften, schliesst sich nun
die unter sorgfältigster Beachtung aller erhaltenen
Bruchstücke und getreuster Anlehnung an Stil und
. Zeichnung des Vorhandenen erfolgte Ausstattung
 
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