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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Die Stuttgarter internationale Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0192

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Die Stuttgarter internationale Ausstellung

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Ocean", und spanische Farbentriuniph-Koloristen
geben. Lenbachs Gemälde haben niemals eine Nach-
barschaft zu scheuen; das hat er schon bewiesen,
als er in jungen Jahren mit seinem eigenen Porträt
eine Auszeichnung in Paris errang.

Angelis Bildnis des Königs — in Civilanzug,
stehend, auf seinen Stock gestützt, ist trefflich. In
dem Bild der Königin erschien uns in Vormittags-
beleuchtung das Kolorit etwas hart. Aber wechseln-
des Licht verändert die Bilder, wie Stimmung die
Menschen. — Eine Bemerkung noch zu Angelis
Königsbild. Die steifen Beinkleidfalten, zumal in
ihrem Parallelismus mit dem Stocke fallen auf.
Alles Nebensächliche, welches auffällt, stört. Len-
bach liebt dagegen, was er als Nebensache be-
trachtet wissen will, nur skizzenhaft hinzustreichen,
oft wieder bis zum Auffälligen und Choquirenden,
und damit das Publikum zu verblüffen und zu
ärgern, das ein Bild in allen Teilen fertig sehen will
und sich nicht an Reinbrandts Wort kehrt: „dat een
stak voldaan is, als de meester zyn voornernen daar-
in bereikt heeft." So murrt z. B. das Publikum
auch über Kaiser Wilhelms Hände. Aber Lenbach
kann sich das, wie Renibrandt erlauben. Freilich,
ein eigentlicher Grund ist dafür nicht vorhanden:
richtige Hände haben noch nie einem richtigen Ge-
sichte geschadet. Aber — tel est notre plaisir zu
zeigen, gehört ja in mannigfachster Weise zur Be-
rühmtheit.

Von Angeli ist noch ein Kopf und das ganz
ausgezeichnete Porträt Stanleys ausgestellt. Gut für
eine Ausstellung in Deutschland, dass der Held des
schwarzen Erdteils weg-, und uns nicht etwa freund-
lich anblickt oder gar, wie auf dem Umschlagbild
der deutschen Übersetzung seiner Reise dem deut-
schen Michel, den über die Ohren zu hauen er aus-
gezogen war, die Hand zum Grusse hinhält.

F. A. v. Kaulbachs Porträt eines Stuttgarter
Herrn ist ganz realistisch; wie um zurückzuprallen,
sitzt er dicht vor uns in der Leinewand. Da ist
keine Stimmungszuthat. Ein Jägerkopf ist ein
Prachtstück; der Kinderkopf mit dem Hündchen
reizend. Die Dame mit dem Spiegel hat Großes,
trotz dem kleinen Format; das Kolorit erinnert an
nicht ganz fertige niederländische Nachahmung. Die
Landschaft in Pastell (mit hingesunkener Psyche?)
kann uns nicht reizen; wir müssten sie schon vom
Künstler erklärt hören, um sie vielleicht besser zu
würdigen.

Die Köpfe von Knaus, Defregger, Leibl, Passini,
Zezzos nennen wir nur als den Meistern entsprechend

(und hervorragend durch ihre Preise!). Sehen wir
ein Bild Leibls, so denken wir unwillkürlich an die
Zeit zurück, wo wir zum ersten Male vor einem in
vollsaftiger Jugendkeckheit strotzenden Bilde des
Meisters standen und einen jungen Franz Hals
in ihm prophezeiten. Statt dessen knüpfte Leibl
dann an die altdeutsche Meisterschaft an. Doch wer
weiß, wie er uns noch wieder anders überrascht!

Robert Huthsteiner ist ein mit Recht in den
letzten Jahren hier immer höher geschätzter Porträt-
maler voll Wahrheit und Noblesse und stetig im
Aufsteigen, seit er sich im Porträt eine neue Bahn
eröffnete. Nennen wir mit ihm gleich den Stutt-
garter Chist. Gaupp mit Porträt und feinem Pastell-
bild, den noch die letzte große Münchener Ausstel-
lung in seiner Tüchtigkeit neben den bekanntesten
Meistern zeigte. Dort war auch Plock mit bedeu-
tendem Bilde, jetzt ist er durch einen Mädchenkopf
vertreten.

Böcklin hätten wir gern hier anders gesehen.
„ Bacchusfest" und „Burgbrand" charakterisiren
nicht nach Wunsch den großen Farben- und Ge-
staltenmeister, den tiefsinnigen Poeten, der den spe-
ziellen Ruhm hat, dass er noch im Grotesken und
Bizarren die elementaren Gewalten so genial wie die
Antike personifizirt. Es ist nun schon eine Reihe
von Jahren her, da stand ein sonst unwandelbar
glühender Verehrer des Meisters ratlos vor diesem
selben ..Burgbrand" und sah hilfesuchend um nach
einigen ihn begleitenden Kunstrichtern — unfehl-
baren, ohne Instanz — was diese zu diesem Schloss,
diesem Feuer, diesem Felsen, diesen Figuren und
diesem trotz der Düsterheit in allen Fugen so sieht-.
baren Riesenmauerwerk des Riesenviadukts sagen
würden. Sie kamen und schwammen davor in Ent-
zücken. Es sei ein göttliches Meisterwerk! Da be-
griff der so Belehrte die Wahrheit der chinesischen
Geschichte vom Pinsel Mings.

Im übrigen — allen Respekt vor den Schwei-
zern. Nüchtern und hagebüchen, helfen sie sich
wieder, indem sie Gegensätze der weltvergessenden
Poesie und Phantasie und des schnurrigsten, wie tief-
sinnigsten Humors aus sich erzeugen, wie Gottfried
Keller war und Arnold Böcklin ist. Ein anderer
Meister aus der Schweiz mag hier gleich an einen
anderen Schweizer Dichter erinnern. Robert v. Stei-
gers „Familienkonzert" lässt uns in Kolorit und
Idealismus an Konrad Ferdinand Meyers Stil denken.
Das Bild würde übrigens noch besser wirken, wenn
das große violette Gewand und das dunkle Gebüsch
nicht zu schwer gegen die dunstigen Farben der an-
 
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