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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Wer ist Rembrandt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0223

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Wer ist Rembrandt?

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und zwingende negative Beweis gegen seine Autor-
schaft" bei vielen ihm zugeschriebenen Bildern.
Auch ist es undenkbar, dass Rembrandt gegen das
Ende seines Lebens völlig mittellos und sogar bankrott
hätte werden können, wenn er die vielen großen
Historienbilder und Porträts, die man aus jenen
Jahren von ihm besitzen will, wirklich gemalt und
verkauft hätte.

Einem „Götzen" aber auch insofern, als der
kritische Nachweis leicht zu führen ist, dass manche
jener fälschlich dem Rembrandt vindizirten Gemälde
ihm schon deshalb nicht angehören können, weil
sie die deutliche Bezeichnung eines andern Künstlers,
nämlich eben die des Ferdinand Bol tragen. Zur
Erhärtung dieses Thatbestandes, in welchem nach
unserer Ansicht der Schwerpunkt des objektiven
Wertes von Lautners Arbeit liegt, führt uns der
Autor auf fünf von den seinem Buche beigegebenen
Tafeln eine große Anzahl von Bilderbezeichnungen
mit Bols Namen vor, die er auf bisher dem Rem-
brandt zugeschriebenen Gemälden entdeckt hat und
faksimile wiedergiebt. So u. a. die deutliche Auf-
schrift des Namens F. Bol auf der „Nachtwache"
(Taf. IV, Nr. 17). Die Bezeichnungen — welche aus
der Masse der von dem Autor gefundenen Namens-
aufschriften ausgewählt sind — werden ohne und mit
Retouche wiedergegeben und zwar nach einem neuen
Verstärkungsverfahren, welches die bisher unleser-
lichen Schriftzüge deutlich erkennbar macht. Merk-
würdig — um nicht zu sagen verdächtig — ist die
dabei sich ergebende Wahrnehmung, dass Bol seinen
Namenszug mehrfach auf den Bildern anzubringen
pflegte: eine Thatsache, aus welcher der Autor
schließen will, „dass er einen bestimmten Grund
gehabt haben müsse, welcher ihn dazu bewog, seine
Bilder auf diese Weise unbedingt als die seinigen
kenntlich zu machen'' (S. 33).

Einen wichtigen Teil des Lautnerschen Buches
bildet natürlich die Charakteristik seines zu ver-,
jüngtem Glänze kommenden Helden selbst. Ferdi-
nand Bol, dessen Lebensdaten erst kürzlich durch
Veth (Oud HoUand VI, 1, 68 ff.) richtig gestellt
worden sind, war ein geborener Dortrechter. Im
Jahre 1616 wurde er in der dortigen reformirten
Gemeinde getauft. Über den Verlauf seiner Jugend
wissen wir wenig; doch ist es wahrscheinlich, dass
der treffliche J. Gerrits Cuyp in Dortrecht (geb. 1594)
sein Lehrer gewesen ist und dass dessen Technik
und Naturwahrheit die Basis von Bols Kunst ge-
bildet hat. Bol siedelte später nach Amsterdam
über und erwarb dort 1652 das Bürgerrecht. 1653

verheiratete er sich mit Lysbeth Dell, aus einer
angesehenen dortigen Familie, und lebte fortan in
Amsterdam in angesehener Stellung, als ein vielbe-
schäftigter und sehr geschätzter Künstler. Schon
1649 erhielt er von den Regenten des Leprosen-
hauses den Auftrag, sie zu einem Gruppenbilde zu
vereinigen. Scheltenia preist dieses Werk als der
Meisterhand Rembrandts würdig und Immerzeel sagt
von einem der darauf befindlichen Porträts: »Es ist
so vollkommen in Rembrandts Manier gemalt, dass
man dasselbe, wenn man es einzeln sieht, nicht nur
für das Werk dieses unvergleichlichen Malers selbst,
sondern für eines seiner schönsten Meisterwerke
halten muss." Und solche Gruppenbilder, sowie
auch Einzelporträts, hat Bol in früheren wie in spä-
teren Jahren in großer Zahl angefertigt; er ist auch
anerkanntermassen ein sehr tüchtiger Historienmaler
und Radirer gewesen. Gleichwohl war sein Leben
wie seine Kunst bisher nur ganz oberflächlich be-
kannt. In Wahrheit aber haben wir in ihm, und
nicht in Rembrandt, nach Lautners Ueberzeugung
den eigentlichen Darsteller der religiösen und poli-
tischen Zeitgedankeu seines Volkes zu erkennen,
einen Künstler zwar von ganz realistischer Formen-
gebung, völlig naturgetreu vornehmlich in seinen Por-
träts, dabei aber voll Empfindung und seelischem
Feuer, einen Mann aus einem Guss, in dessen Wer-
ken die ernste und erhabene Stimmung seines Innern
zu harmonisch gedämpftem, aber deshalb nur um so
ergreifenderem Ausdrucke gelangt.

So viel für heute von dem ohne Zweifel
ungewöhnlich interessanten und vortrefflich ge-
schriebenen Lautnerschen Buch! Wir wollen das-
selbe hier nicht kritisiren, sondern nur der Kunst-
welt signalisiren, die ihm aus allen Kreisen der
Forscher und Sammler, der Künstler und Lieb-
haber gewiss zahlreiche Leser zuführen wird. Wir
wünschen ihm vor allein einen ernsten Beurteiler
aus der rührigen Gruppe der jüngeren holländischen
Gelehrten, denen wir so mannigfache wertvolle Bei-
träge zu der Künstlergeschichte ihres Vaterlandes
verdanken. Möge dazu nun auch eine scharfe und
vorurteilslose Kritik der Werke Rembrandts und Bols
kommen: eine Kritik, die auf reicherer Autopsie
beruht, als sie Lautner offenbar bis jetzt sich hat
aneignen können, und die weder links noch rechts
um die Gunst der Stiinmführer des Tages buhlt,
sondern einzig und allein die Wahrheit als Ziel
vor Augen hat!
 
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