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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Die Stuttgarter internationale Kunstausstellung, [4]
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Die Stuttgarter internationale Kunstausstellung.

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bildes. Aus der dramatischen Aktion werden Auf-
züge, Schaugruppen, bei denen man für jede Figur
mit Modell und Gliederpuppe nacharbeiten kann. Um
ein passendes Mauer-Winkelwerk etwa eines alten
Klosters nach der Wirklichkeit für sein Bild ab-
malen zu können, reist ein Maler wohl fünfzig Mei-
len. Alles recht, —
manchmal freilich
packte denn doch den
bedeutenden Gestal-
tenkünstler, dass er
nicht bloß dazu da ist,
nachzumalen, was er
gemächlich absehen
kann. Und wenn er
dann nicht solche
Gelüste bändigt, die
für Renommee und
Geldeinnahmen ge-
fährlich sind, giebt
es wohl Titanen-
stürze, die unter Um-
ständen den Meister
selber mitreißen.

Von solchen Be-
strebungen bietet
allerdings unsere
Ausstellung nichts.

Ein einziges Tu-
multbild ist da, aber
grotesk, karikirt, im

Hexensabbatsstil,
Hans Schwaigers
Aquarell: „Die letz-
ten Tage der Wie-
dertäufer in Mün-
ster". Grotesk-dä-
monisch ist auch sein
„Ahasver".

Warum nur
Ilirschl sein großes
Prozessionsbild mit
hinzugetragenen,

Aus dem Katalog der SammlungJBuchner in Bamberg.
(Vergl. den Artikel in Nr. 26 der Kunstchronik.)

meistens schönen Frauen und Jungfrauen auf Betten
„Die Pest in Rom" genannt hat?

In Zimmermanns „Christus consolator" quillt nicht
genug Trost und Heil. Dies Bild wird nicht seiner
großen Aufgabe gerecht. Von demselben Künstler
sehen wir das aus München geschickte, ausgezeich-
nete Bild: „Fische".

Trotz allem und allem fasst uns F. C. von ühde

durch die Gefühlskraft und den Geist in seinen
Werken. Immer springen die Funken daraus zu uns
über. Sonst imponirt uns seine Übertreibung, seine
Konsequenzreiterei im gewählten Radikalismus, diese
ganze Manier nicht. Wir sehen das Triptychon „Die
heilige Nacht" und „Die Jünger von Emmaus". Die

Malerei zeigt die
kreidige, buntliche
oder schmutzige Be-
handlung; auf Wahr-
heit ist keine Rück-
sicht genommen; sie
wird dem beabsich-
tigten Effekt unter-
geordnet. Aber diese
Manier ist ja schon
als Mode durchge-
drückt und, so lange
sie herrscht, be-
kommt Mode Recht
und Natur Unrecht.
Die Gestaltung ist
realistisch, oft ge-
suchtin der Neigung,
auch das Hässliche
zu durcbgeistigen
und zu verklären,
was allerdings nur
der Meister kann.
Maria hat deutsche,
Holbeinisch - große,
ansprechende Züge.
Die Engel fast alle
allerliebst, haben
zum Teil schmutzige
Füße. Kein Wun-
der; sie haben wohl
durch Schmutz zum
Stall patschen müs-
sen, wie sie Noten
und Lichter gebrau-
chen, um zu singen.
Der alte Reisemantel

Josephs, der über das Lager der Wöchnerin gebreitet
ist, spielt in seiner ungeheuren Größe eine unan-
genehme Rolle. Der kleine Heiland dreht uns hier den
Rücken zu. Dagegen sehen wir ihn auf dem Em-
maus-Bild blond, lang und spitznäsig. Der eine Jün-
ger hat ein recht konfiszirtes Gesicht. Nach dem
Rock zu urteilen, könnte es ein Pfarrer sein, der
schleunigst dieser Gesellschaft den Platz räumt. Doch
 
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