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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Frizzoni, Gustavo: Erfolge des isochromatischen Verfahrens der Photographie in Italien
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Erfolge des isochromatischen Verfahrens der Photographie in Italien.

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kaum noch etwas zu wünschen übrig lassen. Während
sie in dem Laien den Genuss, den er vor den Origi-
nalen empfindet, wieder erwecken, haben sie für den
Forscher den praktischen Wert, dass sie ihm ein
brauchbares Material liefern, um der neueren Kritik
in ihren Resultaten genau folgen zu können. Zur
Bestätigung des Gesagten wären gar manche inte-
ressante Fälle anzuführen. Man ziehe z. B. die Werke
des Correggio mit ihrem fein abgestuften Helldunkel
in Betracht. Dieses tritt auf schlagende Weise in
den neuen Photographien hervor, dermaßen, dass,
wenn jemand, der Zweifel eingedenk, welche über die
Echtheit der „Ruhe auf der Flucht" in der Tribuna
der Uffizien obgewaltet haben, sich einen Begriff von
der wahren Qualität dieses Gemäldes machen wollte,
er schon beim Anblick der neuen Photographie die
Überzeugung gewinnen muss, wie unbegründet das
negative Urteil von Dr. Julius Meyer in seiner
Monographie über den Meister ist. Noch mehr
aber wird man sich darüber wundern, dass er auf
die Vermutung kam, es könnte eine Kopie von
Boulanger, einem französischen Maler des XVII.
Jahrhunderts, sein.

Bestimmter und klarer (seiner besseren Erhaltung
gemäß) schaut der jugendliche Correggio aus dem
Blatte heraus, welches von dem kleineu Bilde auf-
genommen ist, das in der genannten Galerie unter
dem Namen Titians hängt, von Lermolieff aber auf
unbestreitbare Weise dem Allegri zurückerstattet
worden ist. Es zeigt uns den Meister, wie er noch
unter dem Einfluss der Ferraresen und der Venetianer
stand. Eine andere neue Bestimmung Lermolieffs
betrifft das streng und vornehm blickende Profil-
porträt eines unbärtigen Mannes im ersten Uffizien-
korridor, woselbst es als Pollajuolo aufgehängt ist.
Der genannte Kritiker hat es mit Recht dem Leonar-
desken Porträtmaler Ambrosius de Predis zuge-
schrieben. Die reine, schlichte Modellirung der Züge
in dem höchst anziehenden Bildnis zeigt sich auf
vortreffliche Weise in dem uns vorliegenden neuen
Blatte von Alinari.

Was die sogen. „Fornarina" betrifft, so kann
lllan lOgar die auf dem Gemälde kaum bemerkbare
Jahreszahl 1512 in der Photographie von Alinari
entziffern und dabei sich überlegen, ob es heutzu-
tage noch gestattet ist, das freilich herrliehe Werk
Raffael zuzumuten, und zwar in einer Zeit, wo
seine Malweise in seinen großartigen Schöpfungen
>« Rom auf ganz andere Art sich offenbarte.

Ob weiterhin Cavalcaselle oder Morelli sich der
Wahrheit eher genähert l"i der Beurteilung eines

Martyriums des heil. Sebastian in den Uffizien (da-
selbst regisirirt als: Ignoto del sec. XVI P), indem
der eine dabei auf den Namen eines Alfani von Perugia
gerät, der andre aber den eines Nachfolgers von
L. Signorelli, Gir. Genga, angiebt, kann man bereits
nach der photographischen Aufnahme besser als
vor dem schlecht aufgestellten Original bestimmen.
(Brogi, Nr. 1205.)

Wer speziell sein Wohlgefallen an den Werken
der größten Meister findet, wie Raffael, Michel-
angelo, Leonardo, der sehe sich die neuen Abbil-
dungen nach der Donna velata, nach den Madonnen
von Raffael in der Galerie Pitti, in der Uffizien-
galerie an, sowie diejenigen nach dem Rundbilde
des Buonarroti in der Tribuna. Ja sogar ein Werk
wie das große unvollendete Tafelbild der „Anbetung
der Könige" von Leonardo, welches teilweise wegen
seiner dunklen, kaum präparirten Farben, teilweise
wegen des gelben Firnisses, womit es überzogen ist,
bisher gar nicht mittelst der Photographie wieder-
zugeben war, ist nunmehr von der Firma Alinari
so trefflich aufgenommen, dass man es in dem großen
j Blatte genau wie eine Zeichnung des Meisters be-
trachten und untersuchen kann. — In ähnlichem
Format (44x33 Centim.) und mit demselben Ver-
fahren haben die Gebr. Alinari im vorigen Sommer
im Kloster von Montoliveto Maggiore bei Siena
eine Folge von Photographien nach all den herr-
lichen Kunstwerken der Skulptur wie der Malerei
(namentlich der Fresken von Signorelli und von
Sodoma) ausgeführt und bereits publizirt.

Es erübrigt uns noch anzudeuten, dass während
Brogi seine schöne, leider aber nicht immer gut ge-
wählte Folge aus den Uffizien bereits zu stände
gebracht, Alinari zuerst die seine aus der Pittigalerie
vollendet hat. Seine in den Uffizien schon vorge-
rückte Arbeit hat er zum ersten Male auf eine be-
sondere Abteilung erstreckt, die hier erwähnt werden
soll, insofern sie ein spezielles Interesse für die
historische Ikonographie der Renaissancezeit bietet.
Es handelt sich nämlich um einen Teil der Samm-
lung von Bildnissen berühmter Männer, welche in
einem der Gänge, die den Palazzo Pitti mit den
Lffizien verbinden, aufgestellt sind. Diese Bildnisse,
wiewohl von geringem künstlerischen Wert, sind
doch insofern beachtenswert, als sie mehrfach auf
gute alte Originale zurückgehen und uns annähernd
die Züge von bekannten männlichen und weiblichen
Persönlichkeiten aus dem Quattro- und dem Cin-
quecento vorführen. Die meisten sind mit gleich-
zeitigen Aufschriften bezeichnet.
 
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