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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Lützow, Carl von: Noch einmal der Frankfurter "Correggio"
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0256

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499

Noch einmal der frankfurter Correggio.

500

Kunstforscher entgegenzutreten. Wenn Herr Bode
in dem „stattliehen" Madonnenbilde, der unseligen
Acquisition seines Freundes Thode, schon von weitem
den Meister Correggio erblickt, so ist das verzeih-
lich, denn Ton und Inkarnation des Bildes können
„von weitem" allerdings täuschen; allein wenn ihm
bei „näherer Betrachtung" jeder Zweifel über die
Echtheit des Bildes schwindet, so hat entweder die
Freundschaft sein Augenlicht sehr getrübt, oder er
weiß nicht, dass kein Meister, selbst nicht in st im n
flüchtigsten Arbeiten, einen solchen Mangel an Formen-
verständnis bekundet, wie ihn diese „Madonna von
Casaltnaggiore" aufweist". —

Wir gestehen, dass diese deutliche Stimme aus
dem Publikum in ihrer Schlichtheit auf uns einen
viel besseren Eindruck macht, als alle die ge-
lehrten Verhimmelungen des fragwürdigen Bildes.
Herr Bode setzt sich freilich über dergleichen Dinge
hinweg, Er bezweifelt, „dass heute irgend ein
Correggio begeisterte Aufnahme finden würde, wenn
er plötzlich auftauchen würde"! Großartige Meinung,
die er da von unserer Zeit und dem kunstgebildeten
Publikum hegt! Er versuche es doch einmal und
bringe z. B. die „Madonna mit dem heiligen Hiero-
nymus" von Parma nach Frankfurt! Ein Monument
würden ihm die Frankfurter errichten, und das
Bild ohne Zweifel vom ersten Tage an ebenso hoch
schätzen, wie ihren Jamnitzerschen Tafelaufsatz.
Dass sie aber für die „Madonna von Casaltnaggiore*
Herrn Thode bisher immer noch keinen Fackelzug
gebracht, — das, finden wir, kann ihnen niemand

verdenken. —

Statt sich mit der Sache zu beschäftigen, be-
denkt uns Herr Mode in seinem Repertoriums-
feuilleton, einer neuen Species kunsthistorischer
Schriftstellern, mit einigen Höflichkeiten persönlicher
Natur, auf die wir ihm aus Courtoisie die Antwort
lieb) schuldig bleiben wollen.

Er gestatte) sich zunächst BO beiläufig eine
ganz nette kleine Entstellung der Thatsachen Als
verfasset des von ihm bekämpften Artikels in Nr. 2
der »Kunstchronik11, sagt er, habe ,äch nachträglich
der Redakteur (soll beißen: der Herausgeber) dieser
Zeitschrift bekannt." Unsere aufmerksamen Leser
kennen den wahren Sachverhalt Die Namenscbiflre

des Autors unter dem Artikel war aus Verseilen
Weggeblieben. Sobald wir dies bemerkten, wurde
die Chiffre in besonderer Notiz nachgetragen, Meint
etwa Herr Bode oder hat er sieb w>n Herrn Thode
*eiß machen lassen, der Autor jenes Artikels hätte
Wob seines Kindes geschämt? Nun, dann sind wir

in der Lage, ihm zu versichern, dass das gerade
Gegenteil der Fall ist. Im übrigen: wer hat denn
von allen „Urteilsfähigen" den Verfasser des Auf-
satzes nicht sofort erkannt, noch bevor die Unter-
zeichnung nachgetragen war? Wir wüssten nieman-
den — nur die Herren Thode und Bode ausge-
nommen. Die kennen nur ihre „alten Meister".
Für uns Moderne haben sie keine Nasen.

Der geschätzte Direktor der Berliner Galerie
hat ferner die Liebenswürdigkeit anzunehmen, der
Herausgeber der „Zeitschrift für bildende Kunst"
könne selbstverständlich ,,nur durch einen — dies-
mal leider übel angebrachten — Feuereifer für
Wahrheit und Echtheit zu einem so über alles
Maß hinausgehenden Angriff verleitet worden sein".
— „Über alles Maß"! Wirklich? Wie verschieden
doch die Maßstäbe in verschiedenen Ländern und
Köpfen erscheinen! Giovanni Morelli schrieb dem
Herausgeber der Zeitschrift, nachdem er seinen Ar-
tikel über das Frankfurter Bild gelesen, im Okto-
ber v. J. unter anderem, was sich aus Rücksicht für
den Direktor des Städelschen Instituts nicht repro-
duziren lässt, folgendes: „Sie sagen in Ihrem Auf-
satze alles, was man gegen die Echtheit des Bildes
sagen kann und sagen muss; auch ist Ihre Aus-
drucksweise sehr maßvoll. Die .... hätte vielleicht
eine schärfere Zurückweisung verdient; doch bin ich für
den jungen Thode zufrieden, dass es nicht geschehen
lst. Hoffentlich wird er die Lektion, die Sie ihm
hier geben, sich zu Herzen nehmen" u. s. w. —
Nach Herrn Bode's Urteil sind wir zu unserm grau-
samen Artikel aber doch wenigstens nur durch den
Feuereifer für die gute Sache angetrieben worden.
Es fehlte bloß noch, dass er uns die Nebenabsicht
unputirte, so hin und wieder einige kleine deutsche
Galeriedirektoren meuchlings umbringen zu wollen.
Nun, wenn das Herr Bode also auch in Wahrheit
nicht annehmen wird, so müssen wir ihn anderer-
seits doch davor warnen, uns für gar so harmlos zu
halten. Wir beobachten den Unfug mit großen
Namen, der seit einiger Zeit bei Acquisitionen für
deutsche Museen und Galerien getrieben wird mit
wachsendem Missbehagen und werden von jetzt an
es als eine unserer publizistischen Pflichten ansehen,
diesen falschen Lionardos, Michelangelos, Correggios,
Dürers u. s. w. rücksichtslos unter die Augen zu'
leuchten. Herr Bode kann sich das Verdienst zu-
schreiben, mit seinem Feuilleton diesen Entschluss
in uns zur Reife gebracht zu haben.

Und nun der letzte Gang! Herr Bode hat die
Freundlichkeit auszuplaudern, er habe in Bezug auf


 
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