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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Hofstede de Groot, Cornelius Philipp: Ein unerkannter Rembrandt in der Dresdener Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0288

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563

Bin unerkannter Rembrandt in der Dresdener Galerie.

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Tliätigkeit aufgeklärt und dabei gezeigt zu haben,
wie nahe er in seiner Frühzeit gerade diesem Schüler
stand, — ja, wie sehr er auf dem Wege war, auch
selbst ein Feinmaler zu werden. Erst durch die
Übersiedelung nach Amsterdam und durch den dort
mächtig auf ihn einwirkenden Einflus eines Nikolaus
Eliasz und Thomas de Keyser wurde er bekanntlich
der, als welchen man ihn früher ausschließlich kannte.
Heutzutage ist, darf man sagen, die Ähnlichkeit der
früheren Reinbrandts mit den Bildern Dou's eine
allgemein anerkannte Thatsache, welche wiederholt
von den Forschern betont worden ist. So sagte
Bode schon im Jahre 1873 in von Zahns Jahrbüchern
(Bd. VI, S. 204) grade über das in Frage kommende
und damals als Dou betrachtete Bildchen und über
Nr. 1720: „In Behandlung, Auffassung und fleißiger
Durchführung erinnern sie sehr an gleichzeitige
Studienköpfe Rembrandts." Ein anderes Bildnis
der Mutter Rembrandts, jetzt dem Mauritshuis im
Haag leihweise überlassen (Kat. 1891, Nr. 314), wurde
vor kurzem als „In der Art des Gerard Dou" in einer
Auktion erstanden, ist aber seitdem von Bredius und
dann von mehreren hervorragenden Kennern als
eigenhändiges Werk Rembrandts erkannt worden ').
Der französische Kunstgelehrte Emil Michel sagt
über dasselbe in derChronique des Arts (1890,S. 197):
„Avec un travail plus franc, lafinesse des intonations
„et de la touche rappelle les tableaux que G. Dou,
„le premier eleve de Rembrandt, peignait alors dans
„son atelier." In dritter Linie sei hier eine Äußerung
Frimmels über ein Bildchen zu Pommersfelden bei
Bamberg, dort Dou genannt, wiedergegeben: „Der
„Dou ist nicht ganz sicher bestimmt. Ich halte aber
„das Brustbild eines Rabbiners mit blauer Mütze und
„im Pelzrock für ein ziemlich frühes Werk des ge-
kannten Feinmalers. Im allgemeinen erinnert es
„freilich sehr stark an den Rembrandtschen soge-
„nannten Juden Philo von 1630 im Ferdinandeum
„zu Innsbruck." (Kleine Galeriestudien S. 35.) Auch
hier also wieder die Erkenntnis der großen Ähn-
lichkeit in den früheren Werken der beiden Meister!2)

1) Im Mai vorigem Jahres war es in der Haager Aus-
stellung von Werken alter Meister ausgestellt (Kat, Nr. 87).
Eine alte Kopie danach hängt als Werk Eeckhouts in der
Braunschweiger Galerie. Es ist bei Riegel, Beiträge, Bd. II,
8. 276 die Nummer L66, jetet Nr. 257.

2) Der Jmle Philo W bekanntlich in neuester Zeit von
Km. Michel als der Vater Mcmbrandts erkannt worden, und
ieli hülle den Alien zu I'ommersfelden ebenfalls dafür. Auch
midi erinnerte dal Bildchen lebhaft an die frühen liemhrandt-.
ich miUste es jedoch wiedersehen, um ein bestimmtes urteil
abgeben zu können.

Solche Aussprüche könnte man leicht vermehren,
die in ihnen liegende Wahrheit aber macht es er-
klärlich, dass das von mir für Rembrandt in An-
spruch genommene Bildchen, so lange es in der
Galerie nachweisbar ist, als ein Werk Dou's gelten
und als solches auch 1781 von Job. Ant. Riedel ge-
stochen werden konnte. Sehen wir es näher an und
vergleichen wir es mit den übrigen in der Nähe
hängenden Werken Dou's (15 an der Zahl), und
namentlich mit der Nr. 1720, welche dieselbe Alte,
ebenfalls bei der Lektüre darstellt, so entdecken
wir dennoch bedeutende Unterschiede. In erster
Linie fällt da die abweichende Behandlung der
Fleischpartien und unter ihnen wieder namentlich
die der Stirnfalten und der (allein sichtbaren) rech-
ten Hand auf; erstere sind bei Rembrandt trotz aller
Kleinheit breit gemalt, ich möchte sagen individuell
gestaltet, während bei Dou eine gewisse stereotype
Wiederholung derselben Pinselstriche nicht zu ver-
kennen ist. Bei der Hand findet man dieselbe Be-
handlung, welche die des Hohenpriesters auf der
berühmten Haager Darstellung im Tempel (v. J. 1631)
zeigt, und in größerem Maßstabe z. B. das Olden-
burger Bild Nr. 192, Rembrandts Mutter als Pro-
phetin Hanna darstellend, sowie das neue Amster-
damer Bild, nochmals diese Frau beim Bibellesen
abbildend, aufweisen. Diese abgemagerte, mit Run-
zeln bedeckte Hand der Greisin ist trotz aller Klein-
heit viel lebensvoller geraten, als Dou es je erreicht
hat. Desgleichen zeigen die Pelzränder der Jacke
auf unserm Bildchen eine viel freiere und breitere
Behandlung als auf Nr. 1720, wo sie ebenfalls vor-
kommen, und dagegen wiederum eine auffallende
Ähnlichkeit mit dem neuen, lebensgroßen Amsterdamer
Bilde. Die Jacke selbst hat in der Färbung jenen
eigentümlichen, violetten Ton, der in der Mehrzahl
von Rembrandts Jugendwerken vorkommt, von der
Gefangennahme Simsons im Berliner Schlosse (1628)
bis zum Judithbilde in der dortigen Galerie, welche
vermutlich erst im Jahre 1632 nach der Übersiedelung
nach Amsterdam entstanden ist.

Viertens fallt von Einzelheiten noch die ver-
schiedene Malweise der Druckschrift auf. Dou, in
wie kleinem Format er auch malen mag, unter-
scheidet nicht nur die einzelnen Zeilen, sondern
sogar die einzelnen Wörter, ja, er geht in der
Wiedergabe der Buchstabenzeichen soweit, dass er,
der mit der Lupe malte, den Beschauer aufzufor-
dern scheint, ebenfalls die Lupe zur Hand zu
nehmen, um eben Dechiffrirversuch zu machen.
Dagegen begnügt sich Rembrandt durch einen
 
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