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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Rosenberg, Adolf: Die zweite Konkurrenz um das Kaiser Wilhelm-Denkmal für Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0295

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Die zweite Konkurrenz um das Kaiser Wilhelm-Denkmal für Berlin.

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in Dresden, beteiligt. Nachdem der Kaiser die Ent-
würfe am 22. August einer Besichtigung unterzogen,
bei der er dem Vernehmen nach die ßeiterstatue Wil-
helms I. von Schilling besonders eingehend ge-
prüft haben soll, sind sie am 23. August auch dem
Publikum zugänglich gemacht worden.

Es darf nicht verschwiegen werden, dass der
Gesamteindruck dieser zweiten Konkurrenz eine starke
Enttäuschung bereitet, und es wird wohl schwerlich
jemand dafür eintreten können, dass die Ausführung
eines dieser Entwürfe in der vorliegenden Gestalt
möglich ist oder doch der Würde des Begründers
des deutschen Reiches entspricht, am wenigsten der
von R. Begas, auf den man die größten Hoffnungen
gesetzt hatte. Begas hat seiner Phantasie und
seiner üppigen Schaffenslust so freien Spielraum
gelassen, dass zur Ausführung seines Entwurfes
viele Millionen und mindestens ein Jahrzehnt Arbeits-
zeit erforderlich sein würden. Aber größer noch
als diese materiellen Bedenken sind die künstleri-
schen, zu denen der Entwurf fast in allen seinen Teilen
Anlass giebt. Auf einer Plattform, zu der zahlreiche
Stufen emporführen, entwickelt sich ein wahrer Wald
von Statuen. An den vier Ecken, auf vorgeschobe-
nen Postamenten, die die Endpunkte sich kreuzender
Diagonalen bilden, vier mächtige, sich streckende Löwen
als Trophäenwächter. An der Vorderseite des ob-
longen Sockels, der die Reiterstatue trägt, sitzt ein
Krieger in römischer Tracht, die Personifikation
des Kriegs und Siegs, und an der Rückseite eine
weibliche Gestalt, die vermutlich die Arbeit des
Friedens versinnlichen soll. An den vier Ecken des
Sockels stehen auf Kugeln geflügelte Victorien von
jenen übermäßig langen Körperverhältnissen, die
besonders bei den französischen Bildhauern des
späteren Barockstils beliebt waren. Aus der linken
Langseite des Sockels tritt völlig frei eine römische
Quadriga heraus, auf der Kaiser Friedrich steht, zu
seiner Linken auf dem Erdboden Fürst Bismarck, an
dem man nicht recht erkennen kann, ob er den
Siegeswagen in seinem Laufe fördert oder zügelt.
Auf der anderen Langseite sieht man eine ähnliche
Quadriga mit dem Prinzen Friedrich Karl. Das
seltsamste ist aber das Reiterbild des Kaisers. Der
greise Held sitzt nämlich auf einem sich hoch auf-
bäumenden, mit dem Schweife die Erde berühren-
den Rosse, das von einer Siegesgöttin geführt wird,
eine theatralische Pose, die dem schlichten Sinne
des großen Kaisers schnurstracks widerspricht.
Das Denkmal ist mit seiner Vorderseite dem
Eosanderschen Portal der Schlossfront zugewendet.

Rückwärts wird es von einer halbrunden offenen
Säulenhalle mit zwei sich seitlich erstreckenden,
leicht geschwungenen Armen umschlossen, deren
Unterbau weit in den Kupfergraben vorspringt.
Aus dem Scheitelpunkte dieser Halle schwingt sich
eine Brücke über den Wasserlauf. Ohne etwas
Außergewöhnliches zu bieten, schließt sich die
Architektur mit richtigem Verständnis an die des
Schlosses an.

Die übrigen drei Bewerber haben eine ähnliche
Anordnung angenommen. Auch Schmitz und Hil-
gers haben als Hintergrund des Denkmals eine halb-
runde Säulenhalle geschaffen. Aber selbst dem geni-
alen Schmitz, der sich in einer kolossalen Kohlen-
zeichnung wiederum als unvergleichlichen Meister der
Darstellung bewährt, ist es nicht gelungen, ein
Gegengewicht gegen die gewaltige Baumasse des
Schlosses herbeizuführen, ohne dass das Reiterstand-
bild des Kaisers zu einem Nebenwerk herabgedrückt
wird. Freilich ist das von seinem Mitarbeiter Gei-
ger angefertigte Modell zu der Statue nichts weniger
als ansprechend oder gar imponirend. In der lässi-
gen, geknickten Haltung der Figur, in dem auf die
Brust herabfallenden Kopfe ist nur wenig zu finden,
was für den Sieger von Sedan charakteristisch wäre.
Immerhin ist der architektonische Teil der Aufgabe
so phantasievoll, so kühn und eigenartig erfunden,
dass seine Ausführung ernsthaft iu Betracht gezogen
werden sollte, zumal, wenn man sich entschließen
könnte, die von Schilling geschaffene Reiterstatue
des Kaisers zum bildnerischen Mittelpunkte der gan-
zen Anlage zu machen. Der architektonische Teil
des Schillingschen Entwurfs ist nämlich so unter-
geordnet und dürftig, vielleicht mit Absicht so dürf-
tig gehalten, dass er keine ernsthafte Beachtung be-
anspruchen darf. Die Reiterstatue giebt dagegen
das ganze Wesen, den schlichten Sinn und die be-
scheidene Heldengröße des Kaisers so vortrefflich
wieder, dass man keinen Zug hinzufügen könnte,
aber auch keinen missen möchte. Freilich sind die
vier Sockelfiguren einer Umgestaltung dringend be-
dürftig, besonders die beiden männlichen (iestalten
an den Langseiten, links ein gerüsteter Krieger,
rechts ein Seemann mit ausgebreitetem Segel,
Personifikation des Landheeres und der Seemacht,
vielleicht auch eine Versinnlichung der Devise: Vom
Fels zum Meer.

Am schwächsten ist der Hilgerssche Entwurf;
eine Reiterstatue ohne Eigenartigkeit der Erfindung
mit der ruhenden Gestalt des Sieges an der Vor-
derseite des Sockels und eine halbrunde, rückwärts
 
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