Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

DOI Artikel:
Meyer, Alfred Gotthold: Die dritte Münchener Jahresausstellung, [5]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0060

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
107

Die dritte Münchener Jahresausstellung.

108

mit Schlapphut und Korb ist St. Joseph, das Ganze
die „Flucht nach Ägypten": — begreiflich, dass sol-
che Bilder stets von neuem Widerspruch erwecken!
— Aber das hierbei berührte Thema ist zu ernst
und groß, um es hier mit wenigen Worten persön-
licher Meinung abzuthun! — Die rein künstlerische
Seite des Bildes verdient zweifellos uneingeschränktes
Lob, und innerhalb der Werke, welche Uhde's
so ungewöhnlich konsequenten Entwicklungsgang
kennzeichnen, gebührt ihm der gleiche ßang, wie
seinem im Vorjahr ausgestellten „Gang nach Betle-
hem", der damals in München den Titel trug „Es
ist nicht mehr weit zur Herberge!" — Einer ähn-
lichen Geistesrichtung gehört Hugo Vogels „Madonna"
genannte Freilichtstudie an

Soviel von der Hauptabteilung, von den Ge-
mälden. Möglichst vollständige Aufzählung aller
irgend nennenswerten Künstlernamen konnte nicht
Aufgabe dieses Berichtes sein, derselbe musste sich
neben der Schilderung einzelner besonders scharf aus-
geprägter Individualitäten, nur auf die Charakte-
ristik der im diesjährigen Salon erkennbaren Haupt-
richtungen der Gesamtentwickelung beschränken. In
diesem Sinne möge das, was oben im einzelnen
hervorgehoben ist, zugleich alles Verwandte decken!—

Wesentlich neue Züge fügt dem obigen Bilde
die Gruppe der Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen
nicht hinzu. Einer ganzen Reihe von Meistern, die
in ihr gut vertreten waren, habe ich bereits ge-
dacht; ich erwähne nur: von Deutschen Menzel,
Skarbina, Liebermann, von Engländern beziehungsweise
Schotten Guthrie, Claever, Dudley-Hardy und lleid
von Holländern Josef Israels und Bi-sschop, und den Dä-
nen Kröger. Die italienischen Aquarellisten, an ihrer
Spitze die beiden Simonis, sind auf unserem Kunst-
markt bereits völlig eingebürgert. Interessant war es,
zu beobachten, wie Segantini 's seltsame Malweise
sich auch in seinen Zeichnungen spiegelt.—

Unter all den zahlreichen, in ihrer Art meist
tüchtigen Leistungen, welche von der flüchtigsten
Bleistift-oder Farbenskizz'e bis zum völlig durchge-
arbeiteten Aquarell und Pastell mit dem Kunstwert
eines Ölbildes führten, war die meisterhafteste wieder-
um die des Müncheners Hans von Bartels. Seine Fisch-
halle in Boulogne wird an Frische und Wahrheit
selbst von Liebermanns Schweinemarkt nicht über-
treffen , und sein Seestück war vielleicht das beste
der ganzen Ausstellung. Leopold Graf von Kalchreuth
hatte ein Breitbild in Tempera: „Andante" eingesandt.
In duftiger Frühlingslandschaft schreitet ein nackter
Jüngling langsam vorwärts; traumverloren greift er

in die Saiten seiner Leyer, und lauschend folgen
ihm die friedlichen Waldbewohner, Rehe, Hir-
sche und Häschen mit gespitzten Ohren: ein
liebenswürdiges Bild, aber etwas schwächlich in der
Auffassung, und mehr noch in der Durchbildung,
zumal es zur Dekoration eines Musiksaales bestimmt
ist! Angesichts der Studienblätter Geselschaps zu
seinen Wandgemälden in der Berliner Ruhmeshalle
ward dies doppelt fühlbar. —

Die Landschaften des Baselers Hans Sandreuter
zeichneten sich durch energische koloristische Wir-
kung Ludwig Dettmanns großes Frühlingsbild durch
treffliche Perspektive und blendenden Luftton aus;
große Virtuosität bezeugten die Architekturbilder des
Wieners Rudolf Alt. —

Man sollte auch bei der Zulassung architekto-
nischer Entwürfe zu unseren Kunstausteilungen vor
allem auf die malerische, bildmäßige Behandlung des
Entwurfes selbst sehen, auf die Art, wie der
Architekt zeichnet und aquarellirt, wie er auch dem
für Grund- und Aufriss ungeschulten Blick eine
Vorstellung von dem geplanten Bau und dem Ver-
hältnis zu seiner Umgebung zu verleihen weiß.
Nur in diesem Sinne erscheint es gerechtfertigt,
einer Ausstellung der zeichnenden Künste eine Son-
derabtheilung „Baukunst" von so geringem Umfang,
wie in diesem Jahr in München, einzufügen. Man
wird doch nicht behaupten wollen, dass die hier
vereinten. zwanzig Architekten die jüngste Entwick-
lungsphase unserer Baukunst charakterisirten, und
so interssant die Arbeiten der schottischen Bau-
meister im Vergleich zu den Leistungen der Mün-
chener Architekten erschienen, so verdiente diese
ganze Abteilung dennoch ebenso die Bezeichnung
„Füllwerk", wie etwa der mit 54 Zeichnungen
des Londoner Illustrators Paul Renouard besetzte
Nebensaal. —

Weit reicher war die Gruppe der „Vervielfäl-
tigenden Künste". Neben einer ganzen Reihe von
Arbeiten, welche man auch in größeren Kunsthand-
lungen gut studiren konnte, fand sich hier vieles
für künstlerische Feinschmecker, kostbare Blätter
für Sammler, an der Spitze Max Klingers noch viel
zu wenig bekannter Cyklus „Vom Tode" und präch-
tige Arbeiten von William Strang. Neu und bedeu-
tender war aber auch diese Abteilung nur da,
wo sie einzelne Erscheinungen der Gemäldesaus-
stelhmg unmittelbar ergänzte, so beispielweise in
den Blättern des genialen Anders Zorn, welche die
Methode der Freilichtmalerei und des Impressionismus
mit großem Glück auf die Radirung anwenden.
 
Annotationen