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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Schultheiß, Albert: Pietro Aretino als Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0123

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und DR. A. ROSENBERG

WIEN BERLIN SW.

Heugasse 58. Teltowerstrasse 17.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. IV. Jahrgang. 1892/93. Nr. 15. IG. Februar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und "Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshand-
lung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

P1ETRO ARETINO ALS MALER.

von ALBERT SCHULTHE1SS.
In der gelehrten Monographie, welche Crowe
und Cavalcaselle uns über Tizian geliefert, ist der
Briefwechsel des Aretiners mit dem Malerfürsten als
eine der wichtigsten Quellen für biographisches
Detail angegeben und dort ist auch des öfteren hervor-
gehoben, welch feines Verständnis der so arg ver-
rufene Schriftsteller für künstlerisches Schaffen ge-
zeigt, welch eminent lebhaftes Interesse er gegen-
über allen Äußerungen der Kunst bethätigt. Dass
er gründlicher und geistreicher als jeder andere
Litterat über Malerei, über Wesen und Technik der
Kunst zu reden verstand, haben seine Zeitgenossen
ausnahmslos zugeben müssen und Pietro gilt ohne
weiteres in solchen Dingen als Autorität. Der ge-
lehrte Vielschreiber Lodovico Dolce (1508—1568)
hat uns einen „Dialog über die Malerei" hinter-
lassen, der in fingirten Formen, manche historische
Ungenauigkeiten enthaltend, zwischen Aretino und
einem gewissen Fabiani geführt, zur Verherrlichung
Tizian's geschrieben ist. Ungleich deutlicher freilich
tritt Pietro's kritisches Urteil, besonders aber sein
hervorragendes Talent für Schilderung zu Tage in
den Briefen, die er an seine Freunde gerichtet hat und
in zahlloser Menge könnten Belege daraus erbracht
werden. Man pflegt als Beweis für seine feine
Beobachtungsgabe ein Schreiben zu citiren, welches
er im Mai 1544 an Tizian gesandt und worin er das
von dem Fenster seines Palastes aus wahrgenommene
Farbenspiel der Wolken am abendlichen Himmel be-
schreibt. „Wenn", so heißt es am Schlüsse, die näher

befindlichen Wolken in heller Sonnenglut flammten,
zeigten einige Stellen eine grünblaue Färbung, andere
wiederum ein Blaugrün, das in der That von der
Laune der Natur, dieser Meisterin der Meister, ge-
mischt war. Mit ihrem Hell und ihrem Dunkel ver-
tiefte und hob sie hervor, was sie für notwendig
hielt, so dass ich, der ich weiß, wie in Deinem Pinsel
Geist von ihrem Geiste waltet, zu drei oder viermalen
ausrief: „Tizian, wo weilst Du nun?" Würdest Du
doch, auf mein Wort, falls Du das, was ich Dir be-
richte, gemalt hättest, die Welt in dasselbe Erstaunen
versetzt haben, welches mich verwirrte." — Wenn
sich hier ein feines Gefühl für die Farbe ausspricht,
so zeigt Aretino den künstlerischen Blick der Vene-
zianer Meister für reale Gestaltungen in dem lebens-
frischen Bilde, welches er uns entwirft von dem
bunten Treiben auf dem Canalazzo, das er an einem
Wochentage schildert. Die Rialtobrücke und ihre
Umgebung, der fischmarkt, der Fondaco dei Tedes-
chi sind erfüllt von einer geschäftig hin- und her-
wogenden Menge; zahllose Boote, beladen bis zum
Rande mit allem, was die Jahreszeit bietet, kommen
daher, ein sanfter Wind schwellt ihre Segel;
unter frohen Scherzen werden sie ausgeladen, und
so entsteht vor unseren Augen eines jener figuren-
reichen Bilder, wie später Bernardo Beiotto, genannt
Canaletto, sie gemalt. Diese anschauliche Schilderung
Aretino's findet sich in einem Briefe, im Okt. 1537,
von der Casa Bologni aus, seinem Wohnsitz am großen
Kanal, an den Padrone selbst gerichtet.

Dass Pietro zu solch freudigem Erfassen einer
bunten Realität in glücklichster Weise beanlagt ge-
wesen, ist wohl von jeher, so lange man sich über-
 
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