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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0164

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315

Vermischtes.

316

hoben und in einem holländischen Kücheninterieur mit einer
Frau am Herde in der Feinheit des Helldunkels, der Kraft
und Durchsichtigkeit des Tons die besten alten Niederländer
erreicht hat. Hans Herrmann erhält sich in seinen Ansichten
aus Chioggia, Dordrecht, Amsterdam (Morgen- und Abend-
stimmung), Vlissingen (Gemüsemarkt) und Berlin (Blick auf
das neue Reichstagsgebäude) auf seiner alten, respektablen
Höhe; nur sollte er beizeiten auf größere Mannigfaltigkeit
der Motive sehen, um nicht in Routine und Manier zu ge-
raten. Auch Franz Skarbina bietet in seinen Ansichten
enger Hamburger Gassen und Innenräume und in einer Ber-
liner Winterlandschaft, einem Blick auf die Potsdamer Brücke
vom Kanal aus, nichts Neues, aber doch bei weitem Erfreu-
licheres und künstlerisch Reiferes, als in der Ausstellung
der „Elf". Auch der Illustrator Friedrich Stahl zeigt sich
in zwei duftigen Park- oder Gartenlandschaften mit Figuren
in der Tracht der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts viel
poetischer, feiner fühlend und geschmackvoller, als in seinen
roh hingewischten Olskizzen, die er bei Schulte ausgestellt
hat. Die Versuche Skarbina's, verwickelte Beleuchtungs-
effekte zur Anschauung zu bringen, scheinen den Düssel-
dorfer Arthur Kampf zu ähnlichen Experimenten verlockt
zu haben, die aber weniger geglückt sind, als eine vortreff-
liche, an die plastische Art H. Herrmann's erinnernde Fluss-
landschaft mit Männern und Frauen auf dem hohen Ufer,
die mit Gebärden des Entsetzens und des Mitleids auf einen
von einem Dampfer geschleppten Kahn blicken, an dessen
Mast die gelbe Choleraflagge gehisst ist. Minder hervor-
ragend sind die Frühlings- und Sommerlandschaften von
L. Dettmann in Berlin, von dem wir Besseres erwarten
durften, und zwei Blätter von Noah Bantxer in München,
das Brustbild einer alten Frau mit violetter Kapuze und
eine trauernde Witwe im Sorgenstuhl. Als ein Ganzes be-
trachtet ist diese Ausstellung die erfreulichste und einheit-
lichste, die Berlin seit langer Zeit gesehen hat. — In Ourlitt's
Kunstsalon ist einer Ausstellung von Gemälden neuerer fran-
zösischer Künstler, meist solcher aus der Schule von Fon-
tainebleau, die fast ausschließlich zu der Ware gehörten,
die auf dem französischen Kunstmarkt keinen Absatz mehr
findet, eine Sonderausstellung von Tierbildern des in Mün-
chen ansässigen, aus Berlin gebürtigen Malers Hubert von
Heyden, eines Sohnes des trefflichen Geschichtsmalers August
von Heyden, gefolgt. Seine Darstellungen von Löwen, Tigern,
Wildschweinen u. dergl. m. sind sowohl durch ihren be-
trächtlichen Umfang, als durch die eigenartige malerische
Behandlung, die vielleicht etwas von der Wildheit und
schreckhaften Unheimlichkeit dieser Bestien widerspiegeln
wollte, auf den letzten Münchener Jahresansstellungen auf-
gefallen. Auch in Zeichnungen und Radirungen hat er sich
als Anhänger der modernen naturalistischen Richtung be-
kannt, der aber nicht so weit geht, die Form völlig der im-
pressionistischen Stimmung, dem Eindruck des Augenblicks,
dem Stammeln des Naturlauts zu opfern. Zu den wilden
Tieren hat er jetzt auch die zahmen Schweine und die Be-
wohner des Hühnerhofs gesellt und dabei Gelegenheit ge-
habt, sich auch als Landschaftsmaler, meist mit starker
Anwendung des sommerlichen Sonnenlichts, zu zeigen. Als
Landschaftsmaler fehlt es ihm nicht an Stimmung, an feiner
Beobachtung; er hat sogar bisweilen poetische Anwand-
lungen. Aber noch hat die überströmende Lust am Schaffen
dem jungen Manne keine Zeit gelassen, seine Kräfte zu sam-
meln und zum Ausgleich der in Berlin und München em-
pfangenen Eindrücke zu bringen.

VERMISCHTES.

%* Die Pyramide, des Freiburger Münsters muss, wie
der „Frankf. Ztg." geschrieben wird, in der Höhe von
15 Metern abgenommen und völlig erneuert werden, weil
diese obere Hälfte nur vermittelst zahlreicher Eisenklammern
zusammengehalten wird, und ein Blitzschlag, wie der von
1561, sie völlig zerstören würde. Die gründliche Wieder-
herstellung des Münsters in allen seinen Teilen wird erst
1896 im großen Stile begonnen werden und etwa 15 Jahre
dauern. Die Kosten, die teilweise durch die bekannte Geld-
lotterie aufgebracht werden, sind auf l3/4 Millionen geschätzt,
die der Freilegung des durch einige Gebäude verunstalteten
Münsterchors auf 3/4 Millionen, weil mehrere der einzureißen-
den Häuser dem Münsterfabrikfonds gehören.

%* Der Maler Wcreschtschagin ist mit der Vollendung
einer Bilderreihe beschäftigt, die Vorgänge aus dem Kriegs-
jahre 1812 darstellt. Mehrere dieser Bilder bringen eine den
Franzosen gerade jetzt gewiss peinliche Erinnerung, die da-
malige französische Wirtschaft in Russland zur Darstellung,
insbesondere die Entweihung russischer Heiligtümer in den
; Moskauer Kirchen. Wereschtscbagin beabsichtigt, diesen
Bilder-Cyklus nicht nur in Russland auszustellen, sondern
damit auch nach Deutschland und Österreich-Ungarn zu
kommen.

*** Alexander Dumas über Mcissonier. Zu dem Kataloge
derMeissonier-Ausstellung hat Dumas eine Vorrede geschrieben,
der wir in folgendem die begeisterungsvolle Einleitung und
einige interessante Beiträge zur Charakteristik des Meisters ent-
nehmen. Dumas, ein langjähriger Freund Meissonier's, erhebt
sich darin zu einem bei ihm ungewöhnlichen Pathos. „Ihr, die
ihr in diesen Saal tretet," so beginnt er, „lasst an der Thür die
Neugierde zurück, die euch so oft über seine Schwelle ge-
führt hat, und bereitet euch zur Achtung, Rührung und
Dankbarkeit vor. Hier giebt es sechzig Jahre der aufrichtigsten
und angestrengtesten Arbeit, der heißesten und edelsten
Liebe zur Kunst, des reinsten Ideals. Niemand that mehr
als dieser Mann, um eure Bewunderung und Hochschätzung
zu verdienen. Während dieser sechzig Jahre der Arbeit der
Armut, der Kämpfe des Reichtums, des Ruhms, gehörte
keine Minute der Zögerung, der Entmutigung, dem Zweifel
an, und keine Minute der Selbstbefriedigung und der Genuss-
freude. Jede Sekunde enthielt eine neue Anstrengung auf
dem Wege zur Vollkommenheit, die er so oft erreicht hat.
Kein einziges Zugeständnis an den Geschmack der Käufer,
an die großen Summen,die ihm geboten wurden. Sechzig Jahre
hindurch hatte dieser Mann sich nicht einen Abend zu Bette
gelegt, um sich von der Tagesarbeit zu erholen, ohne an
die Arbeit des folgenden Tages zu denken und nach ihr zu
verlangen. Was dieser fünfzehnjährige Jüngling, derSohneines
unbekannten Händlers, inmitten der gewöhnlichsten, un-
künstlerischesten Waren des väterlichen Ladens zu träumen
und in der Kunst zu ahnen begann, das hat er fünfzig Jahre
hindurch an jedem Tage, den Gott ihm gab, mit einer Ge-
duld, einer Kraft und einem Glauben ohnegleichen ver-
wirklicht. Wenn es jemals einen wahren Beruf gab, der
einem Kinde sein Kennzeichen auf die Stirn drückte Und es
durch alle Hindernisse hindurch zur Meisterschaft trieb, so
war es der Beruf Meissonier's." Folgende Stelle schildert die
Lebensweise des Meisters mit interessanten Zügen: „Bei
Tagesanbruch erhebt er sich im Sommer wie im Winter.
Er zündet Licht an und unterzieht das einer erbarmungs-
losen Revision, was er Tags zuvor geschaffen hat. Dann
bereitet er seine Palette, wobei er eine Schnitte Brot und
einen Apfel verzehrt, und sitzt nun auf seinem Bocke bis
 
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