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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0201

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389

Korrespondenz. — Kunstblätter.

390

einseitige, Forderungen enthalten wird. Jedenfalls
ist damit dem neuen Direktorium, das in einer un-
gewöhnlich zahlreich besuchten Versammlung ge-
wählt wurde und das der Hauptsache nach aus
Männern besteht, die auf der Vermittelungsliste
standen, eine bedeutungsvolle Aufgabe gestellt wor-
den, von deren glücklicher Lösung das fernere Ge-
deihen des Kunstvereins wesentlich abhängen wird.
Leider hat sich der langjährige Vorsitzende des Ver-
eins, Herr Oberbürgermeister Dr. Stübel, veranlasst
gesehen, eine Wiederwahl abzulehnen. An seine
Stelle hat das neue Direktorium den Grafen Otto
Vitzthum von Eckstädt zum Vorsitzenden und den
Maler Professor Paul Kießling zum Stellvertreter ge-
wählt.

Bedauerlicherweise aber haben wir außer den
von uns berührten erfreulichen Thatsachen auch
einen entschiedenen Verlust zu verzeichnen, den das
Dresdener Kunstleben erfahren hat. Er wurde
durch den Tod des Professors Richard Steche herbei-
geführt, der am 3. Januar, wie wir bereits kurz ge-
meldet haben, nach längerer Krankheit in seiner Woh-
nung zu Niederlößnitz bei Kötzschenbroda starb.
Gehört das Wirken Steche's, dem bekanntlich die
Ausführung des Inventarisationsvverkes der sächsi-
schen Kunstaltertümer anvertraut war, auch in erster
Linie der Kunstwissenschaft und Archäologie an,
so darf doch nicht vergessen werden, dass auch die
Kunst selbst in Steche einen leistungsfähigen Jünger
verloren hat. Die besten Arbeiten, die Steche als
selbständiger Architekt ausgeführt hat, sind aller-
dings nicht in Dresden, ja nicht einmal in Sachsen,
sondern in Mecklenburg und Schlesien zu suchen,
aber seine Thätigkeit als Restaurator und künstle-
rischer Beirat ist doch auch Sachsen zu gute ge-
kommen, namentlich Pirna, wo er die ersten Vor-
schläge für die Restauration der Stadtkirche machte,
und Dresden, wo er mit Eifer für die Erneuerung
des Inneren der Neustädter Kirche gewirkt hat. Vor
allem aber hat das Kunstgewerbe in Sachsen an ihm
einen entschiedenen Förderer und gewiegten Kenner
eingebüßt, da das Kleingewerbe und überhaupt die
technischen Künste dasjenige Gebiet waren, auf dem
er sich nächst dem der Architektur am meisten zu
Hause fühlte. War er es doch, dem Dresden die so
wohlgelungene historische Ausstellung des Jahres
1875, eine der ersten dieser Art in Deutschland,
in erster Linie zu danken hatte. Diese Bemühungen
sollen ihm ebensowenig vergessen werden, wie die
Anregungen, die er für die Erhaltung und Zugänglich-
machung zahlreicher Altertümer rings im Lande ge -

geben hat. Sein Name wird daher in späterer Zeit
überall da mit Ehren genannt werden müssen, wo
von den Männern, die zur Neubelebung der Kunst
und der Kunstinteressen in unserer Zeit in Dresden
beigetragen haben, die Rede sein wird. Wer sich
über das Leben und Wirken des Mannes genauer
unterrichten will, der darf auf den Nekrolog im
neuesten Hefte des Archivs für sächsische Geschichte
verwiesen werden, wo der Unterzeichnete den Ver-
such gemacht, einen Überblick über Steche's wissen-
schaftliche und künstlerische Leistungen zu geben.

H. A. LIEB.

KUNSTBLÄTTER.

Kriitjcr's Radirmig nach Liebermann's Dr. Petersen. Der
Widerstreit der Meinungen über Max Liebermann's Bildnis
des verstorbenen Hamburger Bürgermeisters Dr. Petersen ist
noch frisch in der Erinnerung der Kunstfreunde, aber allge-
mach hat sich wohl das Urteil über dies naturalistische Bild-
nis zu Gunsten des Malers geklärt. Denn was immer gegen
die Auffassung vorgebracht werden mag, die den alten im
Selbstbewusstsein und Wohlwollen starken Mann in einer
Amtstracht vorführt, deren barockes Aussehen — Kniehosen,
Schaube, Mühlsteinkragen und ein riesiger Spitzhut mit brei-
tem Rande — gar altfränkisch uns anmutet, die rein male-
rische Qualität dieses Porträts hat das G epräge echter, ernster
Künstlerschaft. Es ist auf die Impression hin gearbeitet in
einer eigensinnig tockirenden Malerei, die, weil sie rücksichts-
los mit ihren Ausdrucksmitteln um sich geht, dem reprodu-
zirenden Künstler die Interpretation in schwarz und weiß
nicht eben leicht macht. Die Gestalt des Bürgermeisters
hebt sich von einem nur ungefähr angedeuteten Vorhang
als eine schwarze Masse ab, in der nur wenig helle Gegen-
sätze vorkommen: der unbedeckte Graukopf, die Hände und
Spitzenmanchetten, das weiße Rund der dicken Krause, die
Handschuhe, und jene Glanzlichter als Helligkeiten wirken,
die am Griff des Degens, an den Halbschuhen und glitzernd
am Seidenbesatz der faltigen Schaube spielen. Alle übrige
Gewandung ist schwarz, zeigt nur nach der Art des Stoffes
und des Faltenwurfs verschiedene Gradationen von den
dumpfen warmen Tönungen des Tuches zu dem kalten
glatten Schwarz des Seidenbesatzes und zu dem duftig wei-
chen Schwarz der Strümpfe und des Flors, der den riesigen
Hut, den der Bürgermeister im rechten Arme trägt, umspinnt.
Eine Mannigfaltigkeit der Nuancen steckt in dieser schwarzen
Masse, der in der Wiedergabe mit den Mitteln des Stichs
und der Radirung nur eine Hand gerecht zu werden vermag,
die vollkommen sicher in der Verwendung der technischen
Mittel und geschickt ist, auf den diski'eten Reiz stofflicher
Feinheiten einzugehen. Krüger's Behandlung gerade des
Stofflichen ist vorzüglich. Seine Technik ist fast reine Stichel-
arbeit, sie sagt, was sie will, mit künstlerischer Empfindung,
wirkt reizend materiell. Wenn Liebermann's Bild auch nicht
nach jedermanns Geschmack ist, Krüger's Arbeit wird bei
allen, die gute selbständige Stecherkunst zu beurteilen ver-
mögen, denselben Beifall finden, den Liebermann's Werk als
Malerei bei den fortschrittlich gesinnten Leuten vom Fach
und den gleichgesinnten Kunstfreunden gefunden hat. Krü-
ger's große Radirung (Stichfläche 65 zu 37 cm) ist im Verlag
der Commeter'schen Kunsthandlung in Hamburg erschienen.

B. G.
 
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