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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0204

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Vermischtes.

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uns der wohl von einem Ohrenzeugen herrührende Bericht
der „Vossischen Zeitung" zu sein, dem wir das Folgende ent-
nehmen: Für den deutschen Künstlerverein waren die Herren
Brioschi (in Vertretung des abwesenden Vorsitzenden Prof.
Meurer), Prof. Dr. Schoener und Prof. Kopf, für die Kolonie
außerdem u. a. der Bildhauer Prof. Gerhardt erschienen.
Der Kaiser begann, sichtlich gut aufgelegt, eine vielerlei
Gegenstände berührende Unterhaltung, namentlich Interesse
an künstlerischen Fragen beweisend. Als auf seine Bemer-
kung, dass unsere denkmalschaffende Gegenwart den Künst-
lern viel zu thun gebe, der Prof. Gerhardt unbedenklich
einfiel: „Falls Majestät noch einige Denkmäler zu vergeben
hätten, würden wir gern zugreifen," antwortete der Monarch
lächelnd: „Was ich thun kann, soll gern geschehen." Den
Meister Kopf beglückwünschte er zu seinen vortrefflichen
Porträtarbeiten, namentlich dem in seinem Besitze befind-
lichen Bildnisse Kaiser Wilhelm's L, das von allen, die es
sehen, bewundert werde. Über die endliche Erledigung der
Berliner Denkmalsfrage und die Umgestaltung der Schloss-
freiheit sprach er sich höchst befriedigt aus; in Verbindung
mit den Wasseranlagen werde der Platz einen monumen-
talen und sicherlich schönen Anblick darbieten, was in dem
hinter der Entwickelung der neuen Stadtteile zurückgeblie-
benen Alt-Berlin nötig sei. Herr Brioschi antwortete auf
die in humoristischem Tone gethane Frage: „Etwa Frcilicht-
maler?" mit „Freilicht und auch alte Schule", worauf der
Kaiser lachend mit dem Finger drohte: „Bei mir in Berlin
hohen es die Frciliclitmalcr nicht gut; ich halte sie da
unter»/ Daumen." Noch mehr geht dem hohen Herrn offen-
bar die neue Berliner Architektur wider den Strich. Er
fällte über das neue Reichstagsgebäude ein sehr ungünstiges
Urteil und beklagte im allgemeinen, dass die Architekten,
die in der Presse Rückhalt finden, allzu sehr das Über-
gewicht an sich reißen und die anderen Künste in zweite
Linie drängen. Dies sei um so schädlicher, als sich die
Architektur unbillig von den alten guten Vorbildern, die
zum Glück in Italien noch in solcher Menge anzutreffen seien,
entferne und oft ins Stil- und Regellose verfalle. Auch das
Denkmal an der westfälischen Pforte gab dem Kaiser Stoff
zu allerlei Ausstellungen. „Meine Frau nennt es immer
den Bienenkorb", sagte er, „man hat die Statue des Kaisers
so in das Innere hinter die dicken Pfeiler hineingesetzt, dass
man Mühe hat, ihn unverdeckt zu sehen." Überhaupt findet
er einen großen Teil der neuen Monumente wenig nach
seinem Geschmack, oft zu gesucht, zu abstrus und realistisch,
der einfachen überwältigenden Schönheit und Verständlich-
keit entbehrend. Ein Vorstandsmitglied des Künstlervereins
benutzte diese Gelegenheit, um das Gespräch auf den nur
in Bayern noch Widerspruch findenden Plan der Errichtung
eines deutschen Künstlerhauses in Rom zu bringen. Der
Kaiser ging lebhaft auf den Plan ein, zeigte sich vollkom-
men damit einverstanden, dass das Studium an den klassi-
schen Stätten für unsere deutsche Kunst keineswegs über-
flüssig oder minderwertig geworden sei, dass ein Atelierhaus
in Rom von großem Nutzen werden müsse und die Unter-
stützungen der Regierungen verdiene, und stimmte dem Vor-
schlage des Botschafters — den er zu eingehenderen Mit-
teilungen über die Frage aufforderte — zu einem Besuche
des in Aussicht genommenen Grundstückes gern zu. Offen-
bar beschäftigen Baufragen den Monarchen in hohem Grade-
Er gestand, dass er persönlich in Rom u. a. nach einem für
den Kirchenbau zu Jerusalem brauchbaren Muster eines
Campanile Ausschau halte, und er hatte sich bei der Be-
sichtigung der Villa Hadriana mancherlei Fragen des Zweckes,
der Mittel und Ausführung der riesenhaften Anlage vor-

gelegt und zu beantworten gesucht. Eins war ihm klar ge-
worden: dass die Anlage kaum zu stände gekommen sein
würde, wenn — „es zu Hadrian's Zeit schon Kommissionen
gegeben hätte". Im Anschluss an diese Äußerungen wird
der „Vossischen Zeitung" weiter geschrieben, „dass die Ur-
teile über die heutige Berliner Architektur in eingeweihten
Kreisen weniger überrascht haben, als man vielfach anzu-
nehmen scheint. Schon vor mehreren Jahren, als dem Kaiser
die wieder aufgefundenen Pläne Jean de Bodt's für das Zeug-
haus überreicht wurden, nahm er Anlass, sich über die
moderne Baukunst in Berlin abfällig zu äußern. Er klagte
darüber, dass man im allgemeinen viel zu sehr geneigt sei,
Säulen über Säulen an den Fronten anzubringen und über-
dies Figuren, Ornamente, Cartouchen u. s. w. in gehäuftem
Maße zu verwenden. Damals wurden von dem Kaiser das
Schloss zu Berlin und das Zeughaus als Muster vornehmer
Bauten den heutigen Architekten vorgehalten. Wenn der
Kaiser sich jetzt im einzelnen über das Reichstagsgebäude
in wenig schmeichelhaftem Sinne verbreitete, so hat er nur
das wiederholt, was er früher schon in den Ateliers ein-
zelner Künstler gesagt hat. Als der Kaiser eines Tages in
einem Atelier das Modell des riesigen Adlers für die Süd-
front des Reichstagsgebäudes sah, erklärte er durchaus zu-
treffend, der Adler sei zu klein. Als man ihm dann aber
erklärte, der Adler werde in Wirklichkeit dreimal so groß
werden, blieb er bei dem einmal abgegebenen Urteile. Auch
bei den zahlreichen Kirchenbauten der Residenz hatte der
Kaiser Gelegenheit, seinen Stilauffassungen Ausdruck zu
geben. Bei der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche ist es, wie
es heißt, auf seine Befehle zurückzuführen, dass der Turm
der höchste in Berlin werden soll; in Architektenkreisen ist
man jedoch der Ansicht, dass der Turm dadurch viel zu
schlank ausfallen wird. Ebenso findet die Ansicht, dass die
heutigen romanischen Kirchen in Berlin den mittelalter-
lichen Bauwerken am Rhein möglichst ähnlich werden sollen,
in Architektenkreisen keinen Beifall. Der Gegensatz des
Kaisers zu unseren namhaftesten Architekten zeigte sich am
deutlichsten beim Umbau des weißen Saales. Die oberste
Körperschaft unseres Bauwesens meinte, soviel als möglich
die fiberlieferte Architektur schonen zu müssen. Der Kaiser
verwarf jedoch ihr Gutachten und berief den Baurat Ihne,
dessen Leistungsfähigkeit bisher nicht auf dem Gebiet des
Monumentalen, sondern auf dem der Kleinkunst und der
Innendekoration gelegen hatte."

M. R. Von der Akademie der bildenden Künste in Karls-
ruhe. Am Schlüsse des vorigen Jahres sind drei neue Lehrer
hierher berufen worden: Robert Pbtxelberger, zuletzt in
München, um die erste Zeichenklasse zu übernehmen, Chr.
L. Boke/mann aus Düsseldorf, um den zu stark in Anspruch
genommenen Schönleber zu entlasten, und Willi. Krauskopf.
um einen neuen Lehrstuhl für Radirung einzunehmen.
Pötzelbeiger, welcher zu den Künstlern gehört, die Land-
schaft und Figuren mit gleicher Sicherheit beherrschen, geht
mit großer persönlicher Hingabe an seinen Lehrberuf und
ist rasch eine wirksame Stütze der Anstalt geworden. Bokel-
mann wurde hier einer besonders schwierigen Aufgabe gegen-
über gestellt. Schönleber hatte nämlich als Vorbereitung
für die Landschaftsmalerei eine Stillebenklasse gebildet,
welche eine Berühmtheit innerhalb der Schülerkreise ge-
worden war. Sie gewährte den Schülern Gelegenheit, in die
Technik der Malerei eingeführt zu werden und dabei den
Farbensinn zu üben, wie sie vielleicht noch nie an einer
ähnlichen Anstalt geboten worden war, und übt auch auf
jüngere Kräfte an anderen Schulen eine starke Anziehungs-
kraft aus. Das Bedürfnis aber von dem Teile seiner Lehr-
 
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