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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0227

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441

Sammlungen und Auatitellungen.

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Erwerbungen der National Gallery in London. Es
scheint, dass das Missgeschick, welches die National Gallery
dadurch erfuhr, dass Dr. Bode ihr sozusagen den „Dürer"
vor den Augen fortnahm, die Direktoren des gedachten
Instituts bewogen hat, sofort den Ankauf zweier Bilder zu
veröffentlichen. Die Verhandlungen im Parlament über den
Dürer kamen einem Tadel sehr nahe. — Es wurden näm-
lich zwei Kabinettstücke eines der am seltensten vorkommenden
niederländischen Meister erworben. Dies ist Wilhelm Cor-
nelis Duyster , von dem in Dresden, Stockholm und Peters-
burg, aber sonst wohl in keiner größeren öffentlichen Ga-
lerie Europa's Bilder vorhanden sind. Eins davon stellt
eine Gruppe von Personen dar, welche mit einem Spiele an
einem Damenbrett beschäftigt sind, während es andere beob-
achten, ähnlich wie auf dem Bilde in der Eremitage. Der
Gegenstand des zweiten Werkes ist ein Kampf zwischen
Kavalieren und Räubern und gleicht sehr dem Sujet des
Dresdener Bildes. Namentlich die Ausführung des ersteren
ist sehr gelungen und erinnert an Pieter Codde und Frans
Hals. Die beiden Genrebilder sind voll bezeichnet, sehr gut
erhalten und stammen direkt aus der Familie eines Offiziers,
dessen Vorfahren mit Wilhelm III. von Oranien nach Eng-
land herüberkamen. $

*t* Ein grosses Bild des in München lebenden russischen
Malers Wladimir Scherescheicski ist zur Zeit im Berliner
Künstlerverem ausgestellt. Es ist bereits als „Sensations-
bild" in München und Budapest gezeigt worden, entspricht
aber keineswegs den Erwartungen, welche die voraufgeschickte
Reklame rege gemacht hat. Es trägt den aufregenden Titel
„Nach Sibirien" und stellt das Innere eines Etappengefäng-
nisses, also eine Scene während des Transportes der Ver-
bannten dar. Ein Trupp dieser Unglücklichen hat nach be-
schwerlichem Marsche auf dem Moskauer Trakt, wie die
mehrere tausend Kilometer lange Landstraße heißt, die Si-
birien von Westen nach Osten durchschneidet, in einem der
Etappenhäuser Halt gemacht, in dem sie ohne Rücksicht
auf Alter und Geschlecht zusammengepfercht werden, um
so, in schrecklichem Elend, auf den bloßen Steinfliesen
liegend, die Nacht zu verbringen. Neben gemeinen Ver-
brechern kauern in demselben Sträflingskleide, mit eben-
solchen Ketten an den Füßen, politische Verbannte, viel-
leicht auf administrativem Wege Verschickte, die noch nicht
einmal den Grund ihrer Verhaftung und Verschickung
kennen. Dazwischen hocken Frauen und Kinder, die sich
fröstelnd aneinanderschmiegen, während der bewachende
Soldat, dessen Herz längst keine Regung mehr spürt, beim
Anblick solchen Jammers dort im Vordergrunde ruhig seine
Pfeife schmaucht, die wütenden Blicke, die ihm die Ge-
fangenen zuwerfen, mit höhnischem Grinsen beantwortend.
Das Bild giebt die Luftstimmung im Innern eines Kerker-
raumes treffend wieder, lässt aber in der Durchführung der
Einzelheiten manches zu wünschen übrig. Jedenfalls ist es
kein so hervorragendes Kunstwerk, dass es würdig wäre, in
Sonderausstellungen von Stadt zu Stadt herumgeführt zu
werden. Es wird als „gemaltes Manifest" zum Sturz des
russischen Kolosses so wenig beitragen wie zur Förderung
der Malerei.

München. Jahresausstellung 1893. Die nunmehr vor-
liegenden Anmeldungen deutscher und ausländischer Künst-
ler und die schon eingetroffenen Werke geben die erfreuliche
Gewissheit, dass die kommende Ausstellung so reichhaltig
wie nur jemals beschickt sein und den vorhergehenden
Unternehmungen der Münchencr Künstlergenossenschaft an
künstlerischem Werte keinesfalls nachstehen wird. Neben
einer umfangreichen Vertretung der verschiedenen Kunst- I

centren wird eine Anzahl Kollektivausstellungen hervor-
ragender Künstler das Gesamtbild der Ausstellung noch
reicher gestalten. Zunächst seien die unlängst Verstorbenen
erwähnt. Von Emil Schindler und Leopold Müller wird
eine Reihe bedeutender Bilder und Skizzen zur Ausstellung
gelangen, namentlich die Werke Leopold Müller's dürften
besonderes Interesse beanspruchen, da dieser Künstler bisher
auf Münchener Ausstellungen nur selten vertreten war.
Herrn Prof. Hildebrand ist es zu verdanken, dass weitere
Kreise Gelegenheit haben werden, eine plastische Arbeit
des verstorbenen Malers und Bildhauers Stauffer-Bern zu sehen.

Porträtaus Stellung. Im Laufe des Monats Juni beab-
sichtigt die „Association des Journalistes Parisiens" eine in-
teressante Ausstellung zu veranstalten. Sie wird nämlich
in der „Ecole des Beaux-Arts" am Quai Malaquais den Pa-
risern in Ölbildern, Zeichnungen, Silhouetten, Photographieen,
Aquarellen, Pastellen, Medaillons etc. die französischen Jour-
nalisten und Schriftsteller aus der Zeit von 1793 bis 1893
vorführen und rechnet auf einen guten Erfolg dieser eigen-
artigen und wohl noch nicht dagewesenen Ausstellung.

(Lpz. Tgbl.)

*** Die Jury für die Münchencr Jahresausstellung ist
folgendermaßen zusammengesetzt: Maler: A. Andersen-
Lundby, Prof. H. v. Bartels, W. v. Czachorski, K. Eilers,
J. Ekenaes, M. Grönvold, Prof. N. Gysis, Prof. G. Hackl,
E. Kubierschky, Prof. W. Lindenschmit, L. Putz, Ph. Roth,
Prof. F. Roubaud, R. Schleich, Prof. A.Wagner; Bildhauer:
Th. Dennerlein, Prof J. v. Kramer, 0. Lang; Architekten:
Prof. J. Bühlmann, Prof. L. Romeis, E. Seidl; Graphiker:
Th. Knesing, Prof. E. Obermayer, A. Schultheiß. Diese Jury
fungirt als Aufnahmejury und Hängekommission; die Preis-
jury wird erst später gewählt werden.

Luca Signorelli-Ausstellung. Der „Burlington Kunst-
klub" in London hat vor einiger Zeit eine Leihausstellung
derjenigen Bilder dieses Meisters veranstaltet, welche sich
in England in festen Händen befinden. Es war dem
Vorstande der genannten Kunstgesellschaft gelungen, von
23 in England bekannten Bildern von Signorelli, bei
welcher Summe die National Gallery mit inbegriffen ist, die
verhältnismäßig große Zahl von 17 davon hier zu ver-
einigen. Diese Werke bilden den Kern der Ausstellung.
Hierzu kommen noch drei schöne Zeichnungen und außer-
dem eine Serie von Photographieen und anderen Reproduk-
tionen aller bekannten Bilder des Meisters, so dass in Lon-
don zum erstenmal volle Gelegenheit geboten wurde, ihn
umfassend und in allen Details zu studiren. Obgleich
Signorelli seine Eigentümlichkeit am schönsten in den großen
Wandgemälden in der Kapelle der Madonna di San Brigio
im Dom zu Orvieto zum Ausdruck brachte, so lässt doch
das hier Gebotene einen guten Uberblick über sein Schaf-
fen zu. Signorelli fasste die verschiedenartigsten Bestre-
bungen der florentiner Maler nach naturtreuer Darstellung
in höherem Sinne zusammen, und sein feines Naturverständ-
nis würde noch stärker wirken, hätte er mehr Farbensinn
besessen. Auch in den hier ausgestellten Bildern zeigten
sich all seine Vorzüge: Kraft, Energie, Größe des Entwurfs
und Korrektheit der Linien. Da, wo er die „Letzten Dinge"
darstellt, zeigt er uns mächtig ergreifende, leidenschaftlich
bewegte Kompositionen, meist von nackten Gestalten, die
zwar streng, aber edel gezeichnet sind, voll gewaltigen in-
neren Lebens. Sehr interessante Beispiele seiner Kunst bieten
zwei Fragmente: „Die Taufe Christi" und eine „Pietä".
Ferner sind zu erwähnen: „Die Geißelung Christi" und
M. Benson's „Madonna mit dem Kinde". Von diesem Bilde
befindet sich eine Wiederholung in der Galerie von Liver-
 
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