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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0043

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Literatur

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(Schauinsland S. 42) und das in der Gegend von Salem
i. B. entstanden ist. Die neuaufgehängten Rückseiten
scheinen mir nicht von der gleichen Hand wie die Vorder-
seiten, sondern von einem realistischeren, unter dem Ein-
flüsse des Konrad Witz (vgl. besonders die Architektur)
gebildeten jüngeren Werkstattgenossen herzurühren. Inter-
essanterweise hat ganz kürzlich Walter Josephi nachge-
wiesen, daß sich in Salem ein Altarwerk des Konrad Witz
höchst wahrscheinlich befunden hat. (Vgl. Mitteilungen
aus dem Germ. Museum 1910, S. 3—14)- — Aus der gleichen
Zeit (also um 1450) stammen eine »Pietä« und ein Bruch-
stück eines >hortus conclusus«, ursprünglich Vorder- und
Rückseite einer Tafel, die jetzt zertrennt ist. Die Aufschrift
bezeichnet die Bilder als »Elsässische Schule«. Ich denke
eher an die Bodenseegegend und ziehe zum Vergleich einen
Madonnentypus heran, wie ihn das eben besprochene Sa-
lemer Werk in Nr. 25 bietet. Bei den drei weiblichen Hei-
ligen des Hortus conclusus wird man in der Art der Ge-
wanddrapierung an Witzsche Figuren erinnert. Zweifels-
ohne handelt es sich trotz schlechter Erhaltung und
Restaurierung um eine bedeutende oberrheinische Arbeit.

— Aus der schwäbischen Schule um 1480 wäre eine
»Geißelung Christi durch vier Schergen«, frühere Rück-
seite der von Flechsig dem »Hausbuchmeister« attri-
buierten »Enthauptung Johannis des Täufers«, zu er-
wähnen. Die Geißelung ist von der gleichen Hand wie
die Vorderseite und koloristisch nicht uninteressant. Man
sieht Verwandtes bei dem »Meister mit der Nelke« oder
dem »Meister mit den Affen«. — Aus der Oberschwäbi-
schen (Ulmer?) Schule um 1500 sind ebenfalls zwei Rück-
seiten zweier Tafeln (49a und 50 a) abgetrennt worden,
von denen die eine (49a) »Martyrium der hl. Ursula«,
durch einen koloristisch höchst interessanten Armbrust-
schützen, der in der Farbengebung unwillkürlich an Grüne-
wald erinnert, überrascht. — Drei Altarflügel (Nr. 1168—1170)
aus der Oberschwäbischen Schule um 1500 bieten wenig
Interessantes, dagegen sind vier Flügel (Nr. 1171—1174) aus
der gleichen Zeit gute Arbeiten und durch ihre Bezie-
hungen zu Strigel und Zeitblom bemerkenswert. — Von
späteren Arbeiten führeich zwei Bilder um 1530 (Nr. 1175
—1176) an, die stark unter Burgkmairschem Einflüsse stehen
und vielleicht von der gleichen Hand wie der unechte Burgk-
mair (Nr. 71) der Karlsruher Galerie herrühren. — Das
spätere 16. Jahrhundert lieferte eine »Totenauferweckung«
des Konstanzer Meisters Philipp Memberger (gest. 1584),
der bisher in Karlsruhe noch nicht vertreten war.

Die italienische Abteilung, auf deren Ausbau in Karls-
ruhe mit Recht wenig Wert gelegt wird, wurde durch ein
Geschenk von Geh. Hofrat Rosenberg bereichert. Es ist
eine »Madonna mit Joseph und Katharina« aus der Vene-
tianischen Schule und wird dem Bonifacio Veronese (1487

— '553) zugeschrieben. Zweifellos steht das Werk unter
starkem Einflüsse Tizians.

Von moderner Kunst sind vor allem zwei Gemälde
Wilh. Trübners, »Porträt des Schwanenwirts Mächer in
Heidelberg« (1890) und eine »Starnbergerseelandschaft«
(1910) hervorzuheben. Hoffentlich wird die Galerie bald
in der Lage sein, die künstlerische Entwicklung Trübners
ebensogut zeigen zu können, wie sie dies bereits in einzig-
artiger Weise für Hans Thoma möglich gemacht hat. Als
Oeschenke der Gräfin Erdödy wurden dem Thomamuseum

»Die drei Nornen« (1889), »Das Paradies« (1891), und eine
»Meerjungfrau« (1893) gestiftet. Ebenfalls geschenkweise
kam dahin eine Marmorbüste Thomas von der Hand Adolfs
von Hildebrand. ff. Th. B.

LITERATUR

Wilhelm Vogelsang, Holländische Möbel im Niederländi-
schen Museum zu Amsterdam. Gebr. van Rykom, Amster-
dam.

Der vortreffliche Katalog, den Vogelsang über die
Möbel im Amsterdamer Museum 1907 herausgegeben hat,
ist an dieser Stelle besprochen worden. Er bildete eine
verläßliche Vorarbeit zu der stattlichen Lichtdruck-Publi-
kation aller bemerkenswerten Möbel des Amsterdamer Mu-
seums, der uns jetzt vorliegt. Est ist damit ein vorzüglich
gewähltes Studienmaterial dargeboten, das der Verfasser
mit einer bemerkenswerten Einleitung versehen hat, in der
zum erstenmal die Geschichte des niederländischen Mobi-
liars gründlich in Angriff genommen wird unter voller Er-
kenntnis der Schwierigkeiten, die sich zurzeit einem solchen
Unterfangen noch entgegenstellen. Nicht nur ist das Ma-
terial weit zerstreut, es ist gewiß auch manches wichtige noch
in Privatsammlungen verborgen. »Die Möbelsammlungen
der Museen sind meistens nur mit größter Vorsicht zu be-
nutzen, da ihre Beziehungen notwendigerweise mehr oder
weniger willkürlich und zufällig sind. Man mußte sich auf
die allgemeine Tradition verlassen oder doch bis zu ge-
wissem Grade mit dem Gefühl arbeiten.« Vogelsang stützt
seine Ausführungen auf eine sorgfältige Auswahl einwand-
freier und bestimmt datierbarer Schätze, wo es nur angeht,
zieht er die auf Bildern und Miniaturen veranschaulichten
Möbel zu Rate, und er weiß eine Menge Einzelheiten über
die Wohnkunst der Niederlande in seine stilgeschichtliche
Übersicht einzuflechten. Das für die Niederlande Typische
ist klar herausgearbeitet und die internationalen Stileinflüsse
werden nach Gebühr gewürdigt. So stellt dieser Versuch
eine sehr nützliche Arbeit dar, aus dem die künftigen Bear-
beiter des verwandten deutschen Mobiliars lernen werden.

R. Q.

Carl Peez, Tizians schmerzenreiche Madonnen. Wien,
Holder, 1910.

Der Verfasser sucht den Nachweis zu bringen daß
ein in seinem Besitze befindliches Gemälde — Kombi-
nation der beiden Tizianschen Darstellungen der »Mater
dolorosa« im Prado — ein eigenhändiges Werk des großen
Cadoriners sei. Ein Blick auf die Reproduktion genügt
jedoch um zu zeigen, daß der Meister nie seine Hand
auf dieses Gemälde gelegt hat. Wir glauben hier eine
spanische Arbeit aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts vor uns zu haben — ohne jedoch das Bild selbst
zu kennen. Der Künstler hat die beiden im Prado be-
findlichen Bilder, die ja selber kaum auf Tizian zurück-
gehen, gekannt und in seinem Werk derart verwendet,
daß er Kopf und Gewandung dem Schiefergemälde ent-
lehnte, während er die gefaltenen Hände des Holzbildes
beibehielt. Die Zeichnung spricht für unsere Annahme,
die Farben können natürlich derart beschaffen sein, daß
sie letztere unmöglich machen. b.

Inhalt: Ausstellung alter Meister in der Londoner Oraftou Oallery. Von O. v. Schleinitz. — Neues aus Venedig. Von A. Wolf. — Müller-Breslau t!

Ernst Anders f. — Personalien. — Menzelpreis-Ausschreiben. — Klosterkiche in Herrenbreitungen; Amerikanische Ausgrabungen in Cyrene!
— Erztauten Norddeutschlands. — Ausstellungen in Bremen, Wien, Hannover, Pariser Herbstsalon. — Großherzogliche Galerie in Karls-
ruhe. — Vogelsang, Holländische Möbel im Niederländischen Museum zu Amsterdam; Peez, Tizians schmerzenreiche Madonnen.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o.m.b.H., Leipzig
 
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