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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Bode, Wilhelm von: Denkmalpflege und Museen: eine Erwiderung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0045

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Denkmalpflege und Museen

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Wie ist nun Prof. Dehio auf den Oedanken ge-
kommen, daß unser Kaiser-Friedrich-Museum durch
Raub aus Kirchen und Klöstern sich vermehre, daß
»deutsche Museumsleiter in deutschen Landen ihren
Rundgang machen und die ihnen schmackhaft er-
scheinenden Rosinen aus dem Kuchen heraus pflücken
können, nach dem Recht des Stärkeren«? Er möge
doch die Stücke nennen, die wir auf diese Weise
erworben haben! Man kann an den Fingern einer
Hand die Kunstwerke aufzählen, die aus Kirchen oder
anderem öffentlichen Besitz stammen, und diese mußten
wir kaufen, weil sie sonst in den Handel gekommen
oder modernisiert worden wären. Freilich — der
Würzburger Kreuzgang! Doch den kann Prof. Dehio
unmöglich in unserem Museum entdeckt haben. Noch
ist er an Ort und Stelle. Dieser Rest eines alten
Kreuzganges, dessen historische Bedeutung man durch
die legendarische Verbindung mit dem Namen Walthers
von der Vogelweide zu heben versucht hat, war das
freie Eigentum eines Berliners, und wenn das Stück
nicht an uns übergeht, will dieser es nach Amerika
verkaufen, da er in Bayern zu sehr beschimpft worden
sei. Aber auch ein romanisches Portal sollen wir
aus Franken entwendet haben? Nun, das haben wir
in der Hardenbergstraße in Charlottenburg bei einem
Händler gekauft, wie denn alle unsere Erwerbungen
deutscher und fremder Kunst aus dem Kunsthandel
oder, wenn auch weit seltener, aus Privatsamm-
lungen stammen. Die Partikular- wie die Provinzial-
museen machen hingegen ihre Erwerbungen nicht
selten gerade aus öffentlichem Besitz und, wie Prof.
Dehio zugibt, mit Recht. Das Kaiser-Friedrich-Museum
ist de facto davon ausgeschlossen, und doch müßte
gerade Prof. Dehio auch uns darin freie Hand zu-
erkennen — wenigstens für Preußen, da er uns ja
nur als preußisches Museum, aber nicht als deutsches
Zentralmuseum gelten lassen will. Wenn er einem
allgemein deutschen Museum neben den Provinzial-
museen noch Platz einräumt, dann nicht etwa dem
Berliner, sondern nur dem Germanischen Museum
in Nürnberg. Das aber habe »den Augenblick ver-
paßt!«

Doch Prof. Dehio tritt nicht nur für Deutschland,
sondern auch für die übrigen »europäischen Kultur-
völker« als Rächer und Retter auf; auch »draußen
dürfe nicht mit Glück und Behagen gegen die Denk-
malpflege gesündigt werden«, obgleich er einräumt,
daß einzelne Völker, etwa die Italiener oder Nieder-
länder, einen leichten Aderlaß vertragen könnten.
Ist er uns also wegen unserer Sammlung der italie-
nischen Gemälde und Skulpturen, der niederländischen
Bilder gram? Verargt er es mir vielleicht auch, daß ich
zur Begründung der ihm unterstellten Galerie »in den
Besitzstand fremder Völker eingebrochen« bin? Dann
möchte ich ihn beruhigen: sämtliche Gemälde, Stucchi
und Bronzen seiner, der Straßburger, Galerie habe ich
im Kunsthandel erworben, und ganz dasselbe gilt für
das so übel beleumundete Kaiser-Friedrich-Museum.
Hätte ich nicht zugegriffen, so wären die Stücke ins
Ausland und schließlich nach Amerika gewandert.
Schön, dann wären sie wenigstens nicht ins Kaiser-

Friedrich-Museum gekommen: so denkt leider mancher
patriotische Landsmann von uns!

Aber der Pergamenische Altar und die Fassade
von Mschatta, die nach Berlin geschleppt wurden, —
das ist doch eklatanter Frevel gegen die Denkmal-
pflege, wird Prof. Dehio mir entgegenhalten. Würde
er es vorgezogen haben, daß die Reliefs des Altars
zu Kalk verbrannt, und daß die Reste der Fassade
des Kastells von Mschatta zu den Schwellen des Bahn-
baues verwendet worden wären, womit in beiden
Fällen in ausgiebigster Weise der Anfang gemacht
war? Doch hier verzeiht uns Dehio vielleicht den
»Raub«, da er nur von der »engen Verzahnung des
Lebens der europäischen Kulturvölker« spricht. Oder
trifft sein Bannspruch auch unsere asiatischen Kunst-
sammlungen und vielleicht gar die ethnologische?
Haben wir auch mit der Zusammenbringung unserer
Sammlung vorderasiatischer Teppiche, die aus den
Kirchen und Palästen Italiens und Spaniens als alter
Plunder fortgeworfen wurden, oder mit dem Sammeln
der Gefäße und Scherben aus Syrien, Mesopotamien,
Persien und Ägypten, also mit der Schaffung zweier
großer Gruppen, aus denen die Geschichte der isla-
mischen Teppichweberei und Töpferkunst erst jetzt
aufgebaut wird, uns gegen die Denkmalpflege gröb-
lich versündigt? Ich habe — offenbar sehr irrtüm-
lich das Gefühl, als ob wir uns dadurch ein be-
sonderes Verdienst erworben hätten, als ob auch
unsere Sammlung ostasiatischer Kunst, die ja aus-
schließlich aus dem Kunsthandel (und indirekt aus
Privatbesitz) stammt, das Verständnis für Kunst bei
uns fördern müßte!

Aber die Museen sind ja nur »Herbarien; Herbarien
sind nützlich, aber man läßt sie liegen, wenn man die
lebenden Pflanzen sehen kann«. Also fort mit den
Museen; »eine Reform bis an die Wurzel« wird ihnen
durch Prof. Dehio angekündigt. Was meint er damit?
Will er die Museen auflösen und ihren Inhalt wieder an
den Platz, woher er stammt, versetzen? Eine solche
Forderung, die er zwar nie ausspricht, aber an den
verschiedensten Stellen seines Referats durchfühlen
läßt, erinnert mich an einen zornigen Ausspruch des
bekannten Sammlers Carrand, dem das Bargello einen
großen Teil seiner herrlichen Sammlungen verdankt.
Er sprach mir eines Tages seine Bewunderung für
Bismarck aus; aber doch sei auch er schließlich nur
ein kleiner Geist gewesen, denn als er Paris in seiner
Hand hatte, hätte er dieses Schandnest, diesen Pfuhl,
der ganz Frankreich verpestet, nicht von der Erde
fortzutilgen gewagt! Und doch war Carrand, wie
sein Vater, einer der feinsinnigsten Kunstfreunde, einer
der verständigsten und leidenschaftlichsten Sammler,
sogar »auf internationaler Basis«, und doch zugleich
ein Denkmalpfleger in seiner Zeit, so gut wie es die
Museen von jeher waren und noch heute sind! Denn
sie haben gerettet, was von den »Denkmalpflegern«
des vorigen Jahrhunderts in einseitig puristischem
Standpunkt aus Kirchen und Häusern herausgerissen
wurde, und was ohne jene dem Untergange oder dem
Verkauf ins Ausland verfallen gewesen wäre. Die
Museen, und ganz besonders das Kaiser-Friedrich-
 
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