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Archäologische Nachlese
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Aus Rom ist unter den neugefundenen Skulpturen
namentlich der Augustus von der Via Labicana —
in der Toga, in mittlerem Alter — zu nennen, dann
der Sarkophag von Torre Nuova mit seinen dem
eleusinischen Kreise entnommenen Darstellungen. —
Bei der stadtrömischen Architektur ist die Freilegung
der Basilica Emilia und die Abtragung der Villa
Mills fortgesetzt worden; auch die Freilegung der
Diocletiansthermen hat einiges Neue gebracht. — Die
Ausgrabung in dem syrischen Heiligtum am Janiculum
hat nur die Feststellung eines großen Fischteichs in
den Anlagen des Heiligtums gefördert. — Außerdem
erkannte Qauckler an einigen schon früher zutage
geförderten Skulpturen die Spuren eines seltsamen
und noch unaufgeklärten orientalischen Ritus, wonach
bei solchen Figuren, deren oberer Schädelteil aus
einem besonderen Stück mit glatter Fläche aufgesetzt
war, anzunehmen ist, daß eine heiligende Substanz
auf diesem Wege dem Schädel einverleibt worden
ist. Auf solche Weise mögen auch die besonders
angesetzten Perücken bei Frauenporträts des 3. Jahr-
hunderts zu erklären sein, für die man bis jetzt die
Erklärung gesucht hat, daß auf solche Weise auch
Porträtbüsten den Wechsel der Mode mitmachen
sollten. — Über die wichtigen Ausgrabungen Vaglieris
in Ostia wurde an dieser Stelle (»Kunstchronik«
iqjo/ii, Spalte 149) bereits berichtet. — Besonders
reich kommen die Berichte aus Pompeji in diesem
Jahre. In der Stadt wurde die Casa delle Nozze
d'argento völlig freigelegt, wobei ein interessanter
Ökus am Peristyl, ein großes Wasserbassin im Garten-
hofe und als wichtiger Einzelfund eine hinter Berg-
kristall gemalte Miniatur des Porträts eines Mannes
zutage kamen. — Die Insula VI der Reggio IV be-
stand aus sechs Häusern. In einem Gartenhof stand
ein Baum mit einem Altar davor, also ein kleines
Heiligtum, wie wir es aus den hellenistischen Relief-
bildern kennen. — Die wichtigsten Funde in Pompeji
lagen in den Vorstädten, in erster Linie die Villa
Item vor dem Herculaneischen Tor, wobei noch
prachtvolle Dekorationen des Mau'schen zweiten Stils
gefunden wurden. Über eine merkwürdige Relief-
komposition als Wandschmuck aus diesem Hause
siehe »Kunstchronik« 1910/11, Spalte 185 und 186.
— In der Nekropole ist vor dem Nolanertor und
dem Vesuvtor gearbeitet worden, wobei ein bisher
nur auf den römischen Landschaftsbildern nach-
gewiesener Grabtypus, nämlich die »Schola«, in deren
Mitte auf einem hohen Postament eine Säule mit
einer Amphora steht, festgestellt wurde. Dafür ist
das Grab der Esquillia Polla typisch.
In der wesentlich hellenistischen Nekropole von
Teano wurde vieles gefunden, was bereits im Neapler
Museum untergebracht ist. Interessant ist, daß die
ganze Anlage der Gräber und besonders die Behand-
lung der Wände an das von Thiersch herausgegebene
Grab von Marissa erinnert, und daß hier südost-
hellenistischer Einfluß über die campanischen Küsten-
städte eingedrungen sein mag. — Aus Apulien sind
hauptsächlich prähistorische Funde zu nennen. ■— In
der neolithischen Ansiedlung am Pulo bei Molfetta
wurden die Ausgrabungen auch nach Mossos Tod
fortgesetzt (s. »Kunstchronik« 1909/10, Spalte iooff.).
Eine ähnliche Kultur fand Mosso noch bei Terlizzi
auf dem Hügel Monteverde bei Bari. — Über die
Dolmen bei Bisceglie ist früher an dieser Stelle schon
berichtet worden (s. »Kunstchronik« 1909/10, Spalte 101).
Auf Sizilien wurde ebenfalls die Kenntnis der vor-
griechischen Zeit erweitert und abgerundet. Am lehr-
reichsten sind wohl erneute Grabungen bei Stentinello
in der Provinz Syrakus; unter den Scherben fanden
sich solche, die den Thessalischen von Dimini und
Sesklo ähneln. Zwei Dörfer der ersten sikelischen
Periode (s. »Kunstchronik« 1909/10, Spalte 102) an
der Küste bei Camarina haben neues Licht auf
architektur-geschichtliche Fragen der Gestalt der An-
siedlung und Häuser (Rundhütten) und nach den Be-
ziehungen mit dem Osten und Westen eröffnet. —
Über die prähistorischen Bauten Sardiniens haben wir
dem, was über die Nuraghen und überhaupt die
megalithischen Bauten der Insel an dieser Stelle gesagt
haben, nichts mehr hinzuzufügen.
Der Bericht Dellbruecks hat — ebenso wie der
Karos über Griechenland und die nun im Auszug
folgenden Gesamtberichte aus Rußland und Nord-
afrika — noch den bedeutenden Vorzug, daß in diesen
Berichten wichtige Literatur über allgemeine kunst-
historische und topographische Fragen, soweit sie die
Antike der genannten Länder betreffen, behandelt
werden. So wirft Dellbruecks Bericht Licht über ver-
schiedene Fragen der römischen Topographie, über
die neuere Literatur über den Münchener Fries der
Basis des Domitius Ahenobarbus, über den Ursprung
des landschaftlichen Reliefs, über den Zusammenhang
von italischen Grabbauten mit solchen anderer Mittel-
meerländer usw.
Eine große römische Villenanlage wurde, wie
wir anderen Quellen entnehmen, noch vor ganz kurzer
Zeit in Villazzano bei Sorrent gefunden. Sie ist aus
dem 1. Jahrhundert n.Chr. und von ganz neuartigem
Grundriß. In einem großen in der Mitte liegenden
Saale waren Wandnischen zur Aufnahme von Statuen;
von da aus führte eine 3 m breite Treppe in den
Oberstock und auf eine Terrasse, die als Garten ein-
gerichtet war. Im Oberstock waren eine Anzahl
Räume verschiedener Bestimmung. Zum Schmuck
des Hauses gehörten ein 2 m breites Relief mit einem
Opfer für Diana mit landschaftlichem Hintergrund.
Ein weiteres Relief läßt Teile eines dionysischen Komos,
ein drittes eine Anzahl Faune erkennen. — Außerdem
sind in Sorrent selbst Giebelskulpturen gefunden
worden, die griechischen Ursprungs und aus früher
Zeit sein sollen. Wissenschaftliche Berichte über diese
erst vor kurzem gemachten Funde stehen noch aus.
Die Ausbeute des Jahres 1910 — so beginnt
B. W. Pharmakowsky seinen Bericht über Rußland —
ergab nicht allein ein reiches Material, besonders für
die antike Kunstindustrie, sondern sie zeigte sich
außerordentlich auch in materiellem Sinn: eine solche
Masse Goldes ist selbst in den reichsten »skythischen
Gräbern« noch nie gefunden worden.
In Transkaukasien, in Basch-Garni, im Erivanschen
Archäologische Nachlese
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Aus Rom ist unter den neugefundenen Skulpturen
namentlich der Augustus von der Via Labicana —
in der Toga, in mittlerem Alter — zu nennen, dann
der Sarkophag von Torre Nuova mit seinen dem
eleusinischen Kreise entnommenen Darstellungen. —
Bei der stadtrömischen Architektur ist die Freilegung
der Basilica Emilia und die Abtragung der Villa
Mills fortgesetzt worden; auch die Freilegung der
Diocletiansthermen hat einiges Neue gebracht. — Die
Ausgrabung in dem syrischen Heiligtum am Janiculum
hat nur die Feststellung eines großen Fischteichs in
den Anlagen des Heiligtums gefördert. — Außerdem
erkannte Qauckler an einigen schon früher zutage
geförderten Skulpturen die Spuren eines seltsamen
und noch unaufgeklärten orientalischen Ritus, wonach
bei solchen Figuren, deren oberer Schädelteil aus
einem besonderen Stück mit glatter Fläche aufgesetzt
war, anzunehmen ist, daß eine heiligende Substanz
auf diesem Wege dem Schädel einverleibt worden
ist. Auf solche Weise mögen auch die besonders
angesetzten Perücken bei Frauenporträts des 3. Jahr-
hunderts zu erklären sein, für die man bis jetzt die
Erklärung gesucht hat, daß auf solche Weise auch
Porträtbüsten den Wechsel der Mode mitmachen
sollten. — Über die wichtigen Ausgrabungen Vaglieris
in Ostia wurde an dieser Stelle (»Kunstchronik«
iqjo/ii, Spalte 149) bereits berichtet. — Besonders
reich kommen die Berichte aus Pompeji in diesem
Jahre. In der Stadt wurde die Casa delle Nozze
d'argento völlig freigelegt, wobei ein interessanter
Ökus am Peristyl, ein großes Wasserbassin im Garten-
hofe und als wichtiger Einzelfund eine hinter Berg-
kristall gemalte Miniatur des Porträts eines Mannes
zutage kamen. — Die Insula VI der Reggio IV be-
stand aus sechs Häusern. In einem Gartenhof stand
ein Baum mit einem Altar davor, also ein kleines
Heiligtum, wie wir es aus den hellenistischen Relief-
bildern kennen. — Die wichtigsten Funde in Pompeji
lagen in den Vorstädten, in erster Linie die Villa
Item vor dem Herculaneischen Tor, wobei noch
prachtvolle Dekorationen des Mau'schen zweiten Stils
gefunden wurden. Über eine merkwürdige Relief-
komposition als Wandschmuck aus diesem Hause
siehe »Kunstchronik« 1910/11, Spalte 185 und 186.
— In der Nekropole ist vor dem Nolanertor und
dem Vesuvtor gearbeitet worden, wobei ein bisher
nur auf den römischen Landschaftsbildern nach-
gewiesener Grabtypus, nämlich die »Schola«, in deren
Mitte auf einem hohen Postament eine Säule mit
einer Amphora steht, festgestellt wurde. Dafür ist
das Grab der Esquillia Polla typisch.
In der wesentlich hellenistischen Nekropole von
Teano wurde vieles gefunden, was bereits im Neapler
Museum untergebracht ist. Interessant ist, daß die
ganze Anlage der Gräber und besonders die Behand-
lung der Wände an das von Thiersch herausgegebene
Grab von Marissa erinnert, und daß hier südost-
hellenistischer Einfluß über die campanischen Küsten-
städte eingedrungen sein mag. — Aus Apulien sind
hauptsächlich prähistorische Funde zu nennen. ■— In
der neolithischen Ansiedlung am Pulo bei Molfetta
wurden die Ausgrabungen auch nach Mossos Tod
fortgesetzt (s. »Kunstchronik« 1909/10, Spalte iooff.).
Eine ähnliche Kultur fand Mosso noch bei Terlizzi
auf dem Hügel Monteverde bei Bari. — Über die
Dolmen bei Bisceglie ist früher an dieser Stelle schon
berichtet worden (s. »Kunstchronik« 1909/10, Spalte 101).
Auf Sizilien wurde ebenfalls die Kenntnis der vor-
griechischen Zeit erweitert und abgerundet. Am lehr-
reichsten sind wohl erneute Grabungen bei Stentinello
in der Provinz Syrakus; unter den Scherben fanden
sich solche, die den Thessalischen von Dimini und
Sesklo ähneln. Zwei Dörfer der ersten sikelischen
Periode (s. »Kunstchronik« 1909/10, Spalte 102) an
der Küste bei Camarina haben neues Licht auf
architektur-geschichtliche Fragen der Gestalt der An-
siedlung und Häuser (Rundhütten) und nach den Be-
ziehungen mit dem Osten und Westen eröffnet. —
Über die prähistorischen Bauten Sardiniens haben wir
dem, was über die Nuraghen und überhaupt die
megalithischen Bauten der Insel an dieser Stelle gesagt
haben, nichts mehr hinzuzufügen.
Der Bericht Dellbruecks hat — ebenso wie der
Karos über Griechenland und die nun im Auszug
folgenden Gesamtberichte aus Rußland und Nord-
afrika — noch den bedeutenden Vorzug, daß in diesen
Berichten wichtige Literatur über allgemeine kunst-
historische und topographische Fragen, soweit sie die
Antike der genannten Länder betreffen, behandelt
werden. So wirft Dellbruecks Bericht Licht über ver-
schiedene Fragen der römischen Topographie, über
die neuere Literatur über den Münchener Fries der
Basis des Domitius Ahenobarbus, über den Ursprung
des landschaftlichen Reliefs, über den Zusammenhang
von italischen Grabbauten mit solchen anderer Mittel-
meerländer usw.
Eine große römische Villenanlage wurde, wie
wir anderen Quellen entnehmen, noch vor ganz kurzer
Zeit in Villazzano bei Sorrent gefunden. Sie ist aus
dem 1. Jahrhundert n.Chr. und von ganz neuartigem
Grundriß. In einem großen in der Mitte liegenden
Saale waren Wandnischen zur Aufnahme von Statuen;
von da aus führte eine 3 m breite Treppe in den
Oberstock und auf eine Terrasse, die als Garten ein-
gerichtet war. Im Oberstock waren eine Anzahl
Räume verschiedener Bestimmung. Zum Schmuck
des Hauses gehörten ein 2 m breites Relief mit einem
Opfer für Diana mit landschaftlichem Hintergrund.
Ein weiteres Relief läßt Teile eines dionysischen Komos,
ein drittes eine Anzahl Faune erkennen. — Außerdem
sind in Sorrent selbst Giebelskulpturen gefunden
worden, die griechischen Ursprungs und aus früher
Zeit sein sollen. Wissenschaftliche Berichte über diese
erst vor kurzem gemachten Funde stehen noch aus.
Die Ausbeute des Jahres 1910 — so beginnt
B. W. Pharmakowsky seinen Bericht über Rußland —
ergab nicht allein ein reiches Material, besonders für
die antike Kunstindustrie, sondern sie zeigte sich
außerordentlich auch in materiellem Sinn: eine solche
Masse Goldes ist selbst in den reichsten »skythischen
Gräbern« noch nie gefunden worden.
In Transkaukasien, in Basch-Garni, im Erivanschen