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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Maas, Max: Archäologische Nachlese
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0090

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Archäologische Nachlese

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an Bedeutung übertreffen würde. Leider haben es
die Erbauer der Bahn gewagt, die antike Stadt als
Steinbruch zu benutzen! —Voll historischer Stimmung
sind die an der kleinen Syrte liegenden Ruinen von
Gigthis (Bu-Orara). Die früher ausgegrabenen und
aufgenommenen Gebäude haben leider bereits sehr
durch Zerstörungen durch die Araber gelitten. —
Vier neue Steine der Vespasianischen Termination,
die bei Sidi Abdalla el-Beheim gefunden wurden,
tragen zur Feststellung der Grenze zwischen Afrika
vetus (Karthago, Hadrumetum, Thenae und Hinterland)
und Afrika nova bei. — Ein prächtiges Fundstück
stammt aus einem punischen Grab bei Ksur Sef
südlich von Mahedia, ein bronzener Panzer mit Ver-
zierungen, den man nach Analogien aus Süditalien in
die Zeit des zweiten oder dritten punischen Krieges
setzen, aber auch mit dem Zug des Agathokles i. J.
310 v. Chr. gegen Karthago in Verbindung bringen
kann, wonach er dann einem sehr oskischen Söldner
gehört haben mag. — Die im Vorjahre bereits im
»Archäologischen Anzeiger« geschilderten tönernen
Götterbilder aus dem alten Siagu Bir ben Rekba sind
jetzt im Bardo-Museum aufgestellt und von Schulten
besichtigt worden. Die zum Teil lebensgroßen Ton-
figuren sind fast ein Unikum und außerdem durch
die dargestellten Gottheiten befremdlich. Sie bilden
ein kleines Pantheon göttlicher, teils dem Orient, teils
Ägypten, teils Hellas entlehnter Figuren, in dem der
dem Kult des Götterpaares Baal und Tanit eigentümliche
Synkretismus und das starke Bedürfnis der Afrikaner
nach stets neuen Göttern zum Ausdruck kommt.
Das Heiligtum selbst läßt erkennen, wie an das ur-
sprüngliche die Hauptgötter enthaltende Heiligtum
allmählich die kleinen Kapellen für die Nebengötter
angebaut worden sind. Eine hübsche Inschrift auf
einer Tonlampe sei noch am Schluß des Berichtes
über Tunis erwähnt: »Felix esto tu qui portas lumen«.

Aus Algier erwähnt zunächst Schulten die Aus-
grabung der zwölften Badeanstalt und eines zweiten
im Nordwesten der Stadt gelegenen ausgedehnten
Klosters in Timgad, dem afrikanischen Pompeji, welches
Schulten eingehend studiert hat. Die Restaurierungen,
welche den alten Zustand der Gebäude vielfach ver-
dunkeln, schädigen die Wissenschaft. Außerdem fehlt
in Timgad, für diese so wichtige Ausgrabungsstätte,
ein fachmännischer Leiter, da der Chef Ballu nur wenige
Tage im Jahr in Timgad weilen kann und die mit
der Ausgrabung betrauten beiden Herren weder Archi-
tekten noch Archäologen sind. Das prächtigste aller
Häuser in Timgad ist das Haus des Sergius, das für
sich allein steht, während sonst immer jede Insula
(Häuserquadrat) aus zwei großen Häusern bestanden
hat. — In Lambäsis (richtiger Lambraese), das man
jetzt von Batna aus mit der mehrmals täglich fahrenden
Post leicht erreichen kann, verwandte Schulten zwei
Tage auf das Studium des Lagers der Legio III
Augusta, wo zwar vieles mit Geschick restauriert ist,
manches aber auch noch der erhaltenden Hand bedarf.

Die Wohnungen der Tribunen sind vollständige Wohn-
häuser des afrikanischen Typus mit offenem Hof und
um diesen gruppierten Zimmern. — In Khamissa
(Thubursicum Numidarum) hat Joly vor allem das
wohlerhaltene Theater aufgedeckt, über das der Bericht
des Anzeigers ein Kommentar eines bekannten Spezia-
listen für die Kenntnis des antiken Theaters, des
Professor Ernst Bodensteiner in München, bringt.
Diese Theater des afrikanischen Typus bietet wenig
Besonderheiten. Nur ist merkwürdig, daß der
untere Gürtel des Zuschauerraums trotz der beträcht-
lichen Anzahl der Sitzreihen keinerlei Treppen hat.
Man muß also über die Sitze steigen, wie die bei-
gegebene Photographie zeigt. — Neben dem Theater
wurde ein Nymphäum, in dem einer der Quellarme
des Bagradas entspringt, aufgedeckt. — Thibilis (Annuna)
ist bei weitem nicht so regelmäßig gebaut wie Timgad,
doch ist das Maß der Insula doppelt so groß wie das in
Timgad, woselbst es 20X20 Meter beträgt. Auch
hier sind größere Häuser vorhanden, die mehrere
Normalhäuser verdrängt haben;, z. B. hat das Haus
des Antistius den Raum von zwei Inseln = vier Häusern.

In Madaurus (Mdaurusch, Station Drea an der
Bahn von Suk-Arrhas nach Thebessa) wurden die
beiden nebeneinanderliegenden Thermen freigelegt.
An der größeren fällt die große und komfortabel
ausgestattete Latrine auf. Eine Menge noch vollkommen
sichtbarer Grabsteine findet sich auf dem ausgedehnten
Ruinenfeld der Stadt.

Zwischen Constantine und Setif wurde mit der
Aufdeckung der Stadt Cuicul (Dschemila) begonnen.
In den Thermen eines Hauses ist ein prächtiges und
sehr reichhaltiges Mosaik gefunden worden, das
allerhand sich mit Trinken, Tanzen, Musik am Strande
und auf Schiffen sich belustigendes Volk darstellt. —
In Scherschel (Caesarea), der Residenz des Juba, ist
aus seinem Museum eine neue Replik des unter dem
Namen des »Apoll vom Tiber« bekannten Apollo mit
dem Dreifuß gefunden worden. — Das libysche
Fürstengrab bei Krubs, ein Gegenstück zu dem von
Thugga, liegt wie der Medrassen und das von Thugga
auf einer weit ins Land schauenden Höhe. Eine
Wiederherstellung ist schwieriger als ein Neubau, da
das Gebäude infolge von Erdbeben sich geneigt hat.

Aus Marokko kann Schulten nichts weiter ver-
melden als die Auffindung eines Schatzes von 1500
Denaren des Juba, der i. J. 17 n. Chr. vergraben
worden ist.

Wenn wir hier unseren bereits überlang gewordenen
Bericht schließen, so sei damit nicht gesagt, daß die
anderen Ländern, die im »Archäologischen Anzeiger«
behandelt sind, nicht auch Wichtiges und Interessantes
im Jahre 1910 für die Antike ergeben haben. Aber
wir müssen die Spezialisten dafür auf den »Archäo-
logischen Anzeiger« selbst verweisen und machen
namentlich auf B. Filows Bericht über Bulgarien auf-
merksam, das für die Kunstarchäologie manches In-
teressante und Wertvolle ergeben hai
 
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