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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0107

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lgi

Forschungen

192

werden — gibt Phillips seiner Hypothese ein gutes Funda-
ment. Nur vermutungsweise erklärt er das Bild für ein
Selbstbildnis des Rosso. -7.

In einem Aufsatz im Dezemberheft der »Monatshefte
für Kunstwissenschaft« publiziert Emil Möller ein Bild der
Ermitage in Petersburg (Nr. 1637), das der Beschreibung
entspricht, die Vasari von einem Engel des Leonardo gibt.
Dieses Bild und die bekannte mit ihm übereinstimmende
Schülerzeichnung in Windsor (Berenson 1227) legen den
Schluß nahe, daß zu Vasaris Zeiten tatsächlich ein solcher
Engel existiert hat, und daß die Stelle bei ihm nicht auf
den Johannes im Louvre oder die Varianten dieses Bildes
zu beziehen ist. Vielmehr wird man jetzt annehmen müssen,
daß die Johannesbilder, die mit dem Engel in der Ermitage
übereinstimmen — bei Dr. Sarasin in Basel und bei Mr.
W. O. Waters in London — spätere veränderte Kopien
sind, während das Petersburger Bild die lionardeske
Fassung repräsentiert. Leider hat Möller das Bild der
Ermitage nicht gesehen, so daß er über sein Alter und
seine Erhaltung auf Beobachtung an Photographien an-
gewiesen ist. In Petersburg galt das Bild als eine späte
veränderte Kopie des Johannes im Louvre; Möller möchte
es für eine zeitlich dem von Vasari beschriebenen Engel
nahestehende Kopie dieses Bildes halten. Etwas befremd-
lich ist, daß er an der Hand recht schlechter Photogra-
phien detaillierte Angaben über Übermalungen glaubt
machen zu können. Ferner scheint uns auch der Schluß
auf eine zweite Replik des Bildes aus Amorettis Angabe,
er habe 1804 in Mailand einen »angelo in atto d'annunziare
M. V.« von Leonardo gesehen, sehr gewagt. Es muß
Amoretti eine Verkündigung oder doch mindestens ein
deutlich als solcher erkennbarer Verkündigungsengel vor-
gelegen haben. —/.

Zur Frührenaissance in Schlettstadt. Herr Dr. Hein-
rich Bergner hat in einer Besprechung meiner Studie über die
Frührenaissance in Schlettstadt (»Kunstchronik«, XXII,Nr.36
v. 25. VIII. 1911) die Frage aufgeworfen, ob es nicht möglich
sei, die drei, von mir hauptsächlich behandelten Bauwerke
meiner beweglichen und entwicklungsfähigen Meisterhand«,
dem Stadtbaumeister Stephan Ziegler, zuzuweisen. Daß
dieses nicht für den dritten Bau, die Johanniterkomturei,
angeht, versteht sich aus ihrem späten Datum 1565 und
der Entwicklungsphase des sie repräsentierenden Stils,
eines ziemlich abstrakten Klassizismus, der die Mitte hält
zwischen der Naivität der eigentlichen Frührenaissance-
formen und der großzügig plastischen Architektur der Spät-
renaissance um 1600, in Schlettstadt vor allem durch das
Haus Billex vertreten, eigentlich von selber. Eher ließe sich
über eine gleiche Meisterhand des Hauses Stephan Ziegler
und des Hotels Ebersmünster diskutieren. Ich habe ver-
sucht, außer durch das Haus Ziegler selbst, noch aus
einer Reihe von in Schlettsladt an Häusern und als
Fragmente im dortigen Museum befindlichen Architektur-
teilen mir eine Vorstellung von dem weiteren baukünstle-
rischen Wirkungskreise des Stadtbaumeisters Stephan Ziegler
zu bilden: Hierzu gehören vor allem das heutige Haus
Ott, Rittergasse 6, von 1537 und, in weniger indivi-
duellem Orade, Oiebel und Portal des stattlichen Hauses
im Hofe Wimpfelingstraße 12. Nach Drucklegung meiner

Arbeit bemerkte ich noch, als stilistisch durchaus hier hinzu-
gehörig, in dem nach der Straße zu liegenden Höfchen des
Hauses Hafnermarkt 5 einen gut gearbeiteten achteckigen
Pfeiler mit tragender Konsole und einem Henkelschildchen,
das wieder das Datum 1537 in römischen Zahlen aufwies.
Endlich befindet sich sodann im Schlettstädter Museum
eine monumentale Bauinschrift des noch vor der Mitte des
19. Jahrhunderts abgerissenen alten Rathauses, für das die
Vermutung zum mindesten sehr nahe liegt, auch dieses
sei von dem Publicus Structor Selatensis Stephan Ziegler
umgebaut worden:
AMPLIATUM ATQUE TESTUDINE CONCAME-
RATUM AN. MDXXXI. MELCHIORE WANNERO
CONSULE. ARCHIGRAMMATEO JACOBO WOL-
PHIO. QUUM CAROLUS V. IMPERARET.
Nur soweit möchte ich den Wirkungskreis Stephan
Zieglers annehmen. Die stilistischen Gegensätze zu dem
Hotel Ebersmünster habe ich, wie ja auch Herr Dr. Berg-
ner bemerkt hat, ausfuhrlich dargelegt. Zudem fällt das
Datum des Portals von Ebersmünster 1541 gerade zwischen
die Daten des Hausbaues 1538 und der Erweiterung durch
den Erkeranbau 1545 von Ziegler, so daß doch wohl von
einer »Entwicklung« von dem feinen Stil zu dem massigen
und dann wieder zu dem feinen innerhalb des kurzen
Zeitraums von sieben Jahren nicht die Rede sein kann,
also die Annahme eines einzigen Baumeisters auch schon
an diesem inneren Grunde scheitern muß. (Der Gegen-
satz zwischen den Architekturformen von Ebersmünstcr
und dem Hause Ziegler ist ein stilistisch wesentlicher,
während der, auf den Herr Dr. Bergner anspielt, zwischen
dem Unterteil des Erkers und den Füllungen seiner
Brüstung nur ein Qualitätsunterschied ist.)

Und dann scheint doch m. E. Herr Dr. Bergner auch
die Menge der Frührenaissancearchitektur in Schlettstadt
zu unterschätzen: Wenn uns zwar heute nur bescheidene
Baureste der auf humanistischem wie künstlerischem Ge-
biete zu Anfang des 16. Jahrhunderts gleichermaßen pro-
duktiven kaiserlichen Stadt geblieben sind, so nahm sie
doch neben Colmar die führende Stellung in der elsässi-
schen Frührenaissancearchitektur ein, denen sich noch
Ensisheim mit seinem, allerdings schwerlich aus eigener
Triebkraft errichteten, Rathausbau an die Seite stellen läßt,
in weiterem Abstände dann das kleine Kaysersbetg und
mit, seltsamerweise, sehr dürftigen Leistungen Straßburg,'
lokale Verhältnisse der Entwicklung, die ich eingehend in einer
umfassenden Geschichte der Baukunst der elsässischen
Renaissance darzustellen gedenke. Schlettstadts damalige
Bautätigkeit war, wie wir also sicher schließen können,
so bedeutend, daß sich getrost mehrere Baumeister in sie
teilen konnten. Seltsam wäre es immerhin, wenn der
Zufall uns nur die Werke eines einzigen, des Stephan
Ziegler, erhalten hätte. Da somit kein äußerer Grund
dafür, der innere, stilistische Grund aber gegen eine An-
nahme eines gleichen Meisters für das Hotel Ebersmünster
wie für das Haus Stephan Ziegler spricht, so wird jene von
mir geäußerte Ansicht immer noch am meisten Wahr-
scheinlichkeit besitzen, daß das Hotel Ebersmünster durch
einen dem Benediktinerorden besonders nahestehenden
Architekten erbaut worden ist, wodurch sich auch manches
der Kunstbeziehungen zu Italien gut erklärt.

Straßburg i. E. Fritz Hoeber.

Inhalt: Franco Lercaros Schüssel und Kanne und ihr Meister. Von Morton H. Bernath. — Ludwig Voltz t- — Personalien. — Bericht über das
Baujahr 1911 des Ulmer Münsters; Sachverständigenkommission des Münsterbauvereins in Freiburg i. Br. — Bismarckdenkmal auf der
Elisenhöhe bei Bingen. — Entdeckung alter Malereien in der Kirche auf Pellworm. — Ausgrabungen auf dem Palatin. — Ausstellungen in
Berlin und Düsseldorf. — Erwerbungen des Berliner Kunstgewerbemuseums; Schenkung an das Städtische Museum in Osnabrück; Neu-
erwerbungen des Städtischen Museums in Leiden; Ein Rodin-Museum in Paris; Kaiserliche Eremitage in Petersburg; Galerie der Offizien
zu Florenz; Kunsteinkäufe des französischen Staates. — Vermischtes. - Bildnis eines jungen Mannes im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum
(Nr. 245 a); Bild der Eremitage in Petersburg (Nr. 1637); Zur Frührenaissance in Schlettstadt.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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