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Vereine
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in Berlin eine allbekannte Tatsache, daß ein kostbares
Gemälde von Manet (ein Fliederbukett in einer Olasvase),
das der Galerie testamentarisch zufiel, zunächst ad acta
gelegt wurde (wo es heute noch liegt). So schien alles
auf einen toten Punkt gelangt, bis die jetzige neue Etats-
position kam, um der ganzen Angelegenheit ein neues
Gesicht zu geben. Die Wahl der Summe von 40000 Mark
stammt offenbar daher, daß auch die einzelnen Abteilungen
der alten Museen, Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett,
Sammlung der Bildwerke christlicher Kunst usw., für jähr-
liche Ankäufe staatlich in dieser Weise versehen werden.
Ohne Zweifel aber wird sich ja nun, nachdem einmal
offiziell ein solcher Grundstock geschaffen ist, auch das
private Mäzenatentum wieder beteiligen. Es kommt nun
freilich alles darauf an, in welcher Weise die Ankäufe
bewerkstelligt werden. Nach den letzten Erwerbungen der
Galerie aus dem Gebiete der zeitgenössischen und jüngst-
vergangenen Kunst, die man kürzlich auf der Ausstellung
in der Akademie sah, hat man allen Qrund, skeptisch zu
sein. Es war vorm Jahre die Rede davon, daß man für
diese Abteilung eine besondere Kommission einsetzen
wolle; darauf wird man freilich jetzt, nachdem die National-
galerie der Landeskunstkommission entzogen wurde und
einen eigenen Beirat erhalten hat, kaum mehr zurückkommen.
Wer aber auch hier das entscheidende Wort zu sprechen
hat: es wird darauf ankommen, den Ankauf minderwertiger
und gleichgültiger ausländischer Werke zu verhindern und
nur solche Künstler resp. Vertreter solcher Strömungen
zuzulassen, die in Wahrheit historische Bedeutung für
sich beanspruchen können. Man kann sich des unbehag-
lichen Gefühls nicht erwehren, daß es bei solchen Zielen
wieder neue Schwierigkeiten und Kämpfe aller Art geben
wird. Ein zweiter Punkt, der bedenklich stimmt, ist das
Gerücht, es bestehe die Absicht, die ausländische Ab-
teilung aus der Nationalgalerie auszuquartieren. Man habe
den Plan, sie — wenn auch nicht sofort, sondern erst
in einiger Zeit, aber dann bestimmt — in die alte
Schinkelsche Bauakademie zu überführen, wo ja auch die
historische und Porträtgalerie Platz finden wird. Wenn
eine Ausgestaltung der Sondersammlung ohne dies Zu-
geständnis unter den herrschenden Verhältnissen nicht zu
erreichen wäre, so wollen wir diese »Kompensationsfrage«
nicht zum Anlaß nehmen, das ganze »Abkommen« zu ver-
werfen. Aber man muß sich doch immer wieder klar
machen, daß eine »nichtdeutsche Galerie«, die in einem
Winkel für sich aufgestellt wird, nur halben Nutzen stiften
kann. Was im Grunde erreicht werden soll: eine Erhellung
der großen Zusammenhänge zwischen der Kunst der ein-
zelnen Völker seit 1800, würde auf diese Weise natürlich
vereitelt. Doch man wird sich mit der Hoffnung auf eine
bessere Zukunft bescheiden und sich zunächst des Fort-
schritts freuen, der zweifellos zu verzeichnen ist.
Dem Theatermuseum der Clara-Ziegler-Stiftung, die
Eigentum der Bühnengenossenschaft ist, hat der Schauspieler
Alois Wohlmuth in München seine Gemäldesammlung
überwiesen. Sie enthält etwa 300 Bilder und Skizzen be-
deutender Maler und Zeichner des vergangenen Jahrhunderts,
Arbeiten von Leibi, Defregger, Grützner, Uhde, Lenbach,
Kaulbach, Diez, Menzel, Liebermann, Israels u. a.
In einer Jahresübersicht »Hamburg und die Kunst«
im Hamburger Fremdenblatt kommt Alfred Lichtwark auch
auf die neuen Anschaffungen der Kunsthalle zu sprechen:
»Unter den Erwerbungen dieses Jahres mögen zwei wegen
ihres Wertes und ihrer besonderen Stellung in der deutschen
Kunstgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts hier erwähnt
werden: Menzels »Jesus im Tempel« von 1851 und Lieber-
manns »Jesus im Tempel« von 1879. Beide haben das
nachdenkliche Schicksal vieler großer Kunstwerke des neun-
zehnten Jahrhunderts erfahren. Zur Zeit ihrer Entstehung
wurden sie nicht nur rundweg abgelehnt, sondern mit
Hohn und Haß verfolgt. Menzel hat sein Werk nie wieder
gezeigt. Es war selbst Fachleuten unbekannt, daß es über-
haupt vorhanden war. Liebermann hat seinen »Jesus im
Tempel« seinem Freund Uhde geschenkt und sich aus
München zurückgezogen, wo ihm der Aufenthalt unleidlich
gemacht war. Die Zeiten haben sich seither so gründlich
gewandelt, daß diese beiden einst so erregenden Bilder
jetzt als beruhigende Meisterwerke empfunden werden.
Menzel hat nie wieder die Hand nach einem religiösen
Stoff ausgestreckt, Liebermann hat fast ein Menschenalter
verstreichen lassen, ehe er in »Simson und Dalila« einen
Entwurf seiner Jugendzeit wieder vorgenommen und im
»Barmherzigen Samariter« ein eigenes Erlebnis gestaltet
hat. Die Keime, die der »Jesus im Tempel« enthielt, sind
auf dem Boden Uhdes in München zur Entwicklung ge-
kommen. Eine seltsame Fügung, daß diese beiden Bilder,
die in der Entwicklung ihrer Urheber und in der Kunst-
geschichte der beiden führenden deutschen Kunststädte
einen so wichtigen Platz einnehmen, im selben Jahre der
Hamburger Galerie einverleibt werden konnten.«
VEREINE
+ München. Der deutsche Verein für Kunst-
wissenschaft hielt am 28. und 29. Dezember vorigen Jahres
unter dem Vorsitz des Ministerialrates Dr. Theod. Winterstein
(in Vertretung der erkrankten Exzellenz Bode) seine Komis-
sions- und Ausschußsitzungen und die Mitgliederversamm-
lung ab. In letzterer verwies Herr Dr. Koetschau betreffs
der bisherigen Leistungen des Vereins auf die in Bälde
erscheinenden gedruckten Berichte, konstatierte, daß die
Arbeiten über die Kaiserpfalzen gefördert worden seien
und daß nächstens Goslar und Gelnhausen in Angriff ge-
nommen würden. Ferner habe man mit der Organisation
der Arbeit auf dem Gebiet der Plastik begonnen, bei der
in erster Linie topographisch und dann chronologisch vor-
gegangen werden solle. In Aussicht stehe eine von den
Herren Bossert und Storck besorgte neue Publikation
des Hausbuchs, weiterhin die von Herrn Dr. Köhler
übernommene Edition des Holbeinschen Holzschnittwerkes.
Andere Fragen hielt der Redner für noch nicht reif genug,
um darüber zu sprechen. Nachdem dann über die Finanzen
der Gesellschaft Rechenschaft abgelegt und als nächster
Tagungsort (vermutlich Januar 1913) Nürnberg oder Bonn
in Vorschlag gebracht worden war, gab der Vorsitzende
Herrn Direktor Dr. von Bezold das Wort zu einem Vortrag:
»Uber süddeutsche Kirchenbauten des 17. und 18. Jahr-
hunderts«. Nach einer kurzen Einleitung über die Cha-
rakteristika der italienischen Renaissancekirchen kam Bezold
auf das (ziemlich späte) Eindringen der Renaissance in
Deutschland zu sprechen, für das zweierlei Möglichkeiten
vorhanden waren, die Einwanderung (z. T. auch Seßhaft-
werden) italienischer Architekten und Architektengeschlechter
nördlich der Alpen, dann aber der Zug deutscher Archi-
tekten nach Italien, die ihre dort erworbenen Kenntnisse
in der Heimat wieder verwerteten. Als für den ersten
Fall gültige Beispiele wurden angeführt der Dom in Salzburg
von S. Solan', die anS. Andrea in Valle in Rom anschließende
Theatinerkirche in München von Agostino Barelli, die Hauger
Stiftskirche in Würzburg von Petrini und die Jesuitenkirche
in Mannheim von Bibiena, alles aber Bauten von nur lo-
kaler Bedeutung, die nicht weiter auf ihre Umgebung gewirkt
haben. Ferner wurden genannt: das Architektengeschlecht
der Carlone mit seinen Hauptbauten (Dom in Passau,
St. Florian in Österreich und vielen Kirchen von Regensburg
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in Berlin eine allbekannte Tatsache, daß ein kostbares
Gemälde von Manet (ein Fliederbukett in einer Olasvase),
das der Galerie testamentarisch zufiel, zunächst ad acta
gelegt wurde (wo es heute noch liegt). So schien alles
auf einen toten Punkt gelangt, bis die jetzige neue Etats-
position kam, um der ganzen Angelegenheit ein neues
Gesicht zu geben. Die Wahl der Summe von 40000 Mark
stammt offenbar daher, daß auch die einzelnen Abteilungen
der alten Museen, Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett,
Sammlung der Bildwerke christlicher Kunst usw., für jähr-
liche Ankäufe staatlich in dieser Weise versehen werden.
Ohne Zweifel aber wird sich ja nun, nachdem einmal
offiziell ein solcher Grundstock geschaffen ist, auch das
private Mäzenatentum wieder beteiligen. Es kommt nun
freilich alles darauf an, in welcher Weise die Ankäufe
bewerkstelligt werden. Nach den letzten Erwerbungen der
Galerie aus dem Gebiete der zeitgenössischen und jüngst-
vergangenen Kunst, die man kürzlich auf der Ausstellung
in der Akademie sah, hat man allen Qrund, skeptisch zu
sein. Es war vorm Jahre die Rede davon, daß man für
diese Abteilung eine besondere Kommission einsetzen
wolle; darauf wird man freilich jetzt, nachdem die National-
galerie der Landeskunstkommission entzogen wurde und
einen eigenen Beirat erhalten hat, kaum mehr zurückkommen.
Wer aber auch hier das entscheidende Wort zu sprechen
hat: es wird darauf ankommen, den Ankauf minderwertiger
und gleichgültiger ausländischer Werke zu verhindern und
nur solche Künstler resp. Vertreter solcher Strömungen
zuzulassen, die in Wahrheit historische Bedeutung für
sich beanspruchen können. Man kann sich des unbehag-
lichen Gefühls nicht erwehren, daß es bei solchen Zielen
wieder neue Schwierigkeiten und Kämpfe aller Art geben
wird. Ein zweiter Punkt, der bedenklich stimmt, ist das
Gerücht, es bestehe die Absicht, die ausländische Ab-
teilung aus der Nationalgalerie auszuquartieren. Man habe
den Plan, sie — wenn auch nicht sofort, sondern erst
in einiger Zeit, aber dann bestimmt — in die alte
Schinkelsche Bauakademie zu überführen, wo ja auch die
historische und Porträtgalerie Platz finden wird. Wenn
eine Ausgestaltung der Sondersammlung ohne dies Zu-
geständnis unter den herrschenden Verhältnissen nicht zu
erreichen wäre, so wollen wir diese »Kompensationsfrage«
nicht zum Anlaß nehmen, das ganze »Abkommen« zu ver-
werfen. Aber man muß sich doch immer wieder klar
machen, daß eine »nichtdeutsche Galerie«, die in einem
Winkel für sich aufgestellt wird, nur halben Nutzen stiften
kann. Was im Grunde erreicht werden soll: eine Erhellung
der großen Zusammenhänge zwischen der Kunst der ein-
zelnen Völker seit 1800, würde auf diese Weise natürlich
vereitelt. Doch man wird sich mit der Hoffnung auf eine
bessere Zukunft bescheiden und sich zunächst des Fort-
schritts freuen, der zweifellos zu verzeichnen ist.
Dem Theatermuseum der Clara-Ziegler-Stiftung, die
Eigentum der Bühnengenossenschaft ist, hat der Schauspieler
Alois Wohlmuth in München seine Gemäldesammlung
überwiesen. Sie enthält etwa 300 Bilder und Skizzen be-
deutender Maler und Zeichner des vergangenen Jahrhunderts,
Arbeiten von Leibi, Defregger, Grützner, Uhde, Lenbach,
Kaulbach, Diez, Menzel, Liebermann, Israels u. a.
In einer Jahresübersicht »Hamburg und die Kunst«
im Hamburger Fremdenblatt kommt Alfred Lichtwark auch
auf die neuen Anschaffungen der Kunsthalle zu sprechen:
»Unter den Erwerbungen dieses Jahres mögen zwei wegen
ihres Wertes und ihrer besonderen Stellung in der deutschen
Kunstgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts hier erwähnt
werden: Menzels »Jesus im Tempel« von 1851 und Lieber-
manns »Jesus im Tempel« von 1879. Beide haben das
nachdenkliche Schicksal vieler großer Kunstwerke des neun-
zehnten Jahrhunderts erfahren. Zur Zeit ihrer Entstehung
wurden sie nicht nur rundweg abgelehnt, sondern mit
Hohn und Haß verfolgt. Menzel hat sein Werk nie wieder
gezeigt. Es war selbst Fachleuten unbekannt, daß es über-
haupt vorhanden war. Liebermann hat seinen »Jesus im
Tempel« seinem Freund Uhde geschenkt und sich aus
München zurückgezogen, wo ihm der Aufenthalt unleidlich
gemacht war. Die Zeiten haben sich seither so gründlich
gewandelt, daß diese beiden einst so erregenden Bilder
jetzt als beruhigende Meisterwerke empfunden werden.
Menzel hat nie wieder die Hand nach einem religiösen
Stoff ausgestreckt, Liebermann hat fast ein Menschenalter
verstreichen lassen, ehe er in »Simson und Dalila« einen
Entwurf seiner Jugendzeit wieder vorgenommen und im
»Barmherzigen Samariter« ein eigenes Erlebnis gestaltet
hat. Die Keime, die der »Jesus im Tempel« enthielt, sind
auf dem Boden Uhdes in München zur Entwicklung ge-
kommen. Eine seltsame Fügung, daß diese beiden Bilder,
die in der Entwicklung ihrer Urheber und in der Kunst-
geschichte der beiden führenden deutschen Kunststädte
einen so wichtigen Platz einnehmen, im selben Jahre der
Hamburger Galerie einverleibt werden konnten.«
VEREINE
+ München. Der deutsche Verein für Kunst-
wissenschaft hielt am 28. und 29. Dezember vorigen Jahres
unter dem Vorsitz des Ministerialrates Dr. Theod. Winterstein
(in Vertretung der erkrankten Exzellenz Bode) seine Komis-
sions- und Ausschußsitzungen und die Mitgliederversamm-
lung ab. In letzterer verwies Herr Dr. Koetschau betreffs
der bisherigen Leistungen des Vereins auf die in Bälde
erscheinenden gedruckten Berichte, konstatierte, daß die
Arbeiten über die Kaiserpfalzen gefördert worden seien
und daß nächstens Goslar und Gelnhausen in Angriff ge-
nommen würden. Ferner habe man mit der Organisation
der Arbeit auf dem Gebiet der Plastik begonnen, bei der
in erster Linie topographisch und dann chronologisch vor-
gegangen werden solle. In Aussicht stehe eine von den
Herren Bossert und Storck besorgte neue Publikation
des Hausbuchs, weiterhin die von Herrn Dr. Köhler
übernommene Edition des Holbeinschen Holzschnittwerkes.
Andere Fragen hielt der Redner für noch nicht reif genug,
um darüber zu sprechen. Nachdem dann über die Finanzen
der Gesellschaft Rechenschaft abgelegt und als nächster
Tagungsort (vermutlich Januar 1913) Nürnberg oder Bonn
in Vorschlag gebracht worden war, gab der Vorsitzende
Herrn Direktor Dr. von Bezold das Wort zu einem Vortrag:
»Uber süddeutsche Kirchenbauten des 17. und 18. Jahr-
hunderts«. Nach einer kurzen Einleitung über die Cha-
rakteristika der italienischen Renaissancekirchen kam Bezold
auf das (ziemlich späte) Eindringen der Renaissance in
Deutschland zu sprechen, für das zweierlei Möglichkeiten
vorhanden waren, die Einwanderung (z. T. auch Seßhaft-
werden) italienischer Architekten und Architektengeschlechter
nördlich der Alpen, dann aber der Zug deutscher Archi-
tekten nach Italien, die ihre dort erworbenen Kenntnisse
in der Heimat wieder verwerteten. Als für den ersten
Fall gültige Beispiele wurden angeführt der Dom in Salzburg
von S. Solan', die anS. Andrea in Valle in Rom anschließende
Theatinerkirche in München von Agostino Barelli, die Hauger
Stiftskirche in Würzburg von Petrini und die Jesuitenkirche
in Mannheim von Bibiena, alles aber Bauten von nur lo-
kaler Bedeutung, die nicht weiter auf ihre Umgebung gewirkt
haben. Ferner wurden genannt: das Architektengeschlecht
der Carlone mit seinen Hauptbauten (Dom in Passau,
St. Florian in Österreich und vielen Kirchen von Regensburg