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Vermischtes
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Cathedralis et un certain Institorisc [!]; jetzt ist die Hand-
schrift in der Rossiana in Lainz bei Wien) in Wien aus-
geführte Missale des Minoriten Thomas. Der König war
wohl mit dem etwas rohen Stil der österreichischen Mini-
aturen wenig zufrieden, denn von nun ab sehen wir ihn
seinen Bedarf an schönen Büchern zum größten Teil durch
italienische Künstler decken lassen. Bereits nach 1471
bestand in seiner Residenz Ofen eine Miniatorenwerkstatt,
in der etwa 30 Künstler, neben Italienern auch Deutsche
und Ungarn, arbeiteten. Als für den Mischstil — mit domi-
nierendem Einfluß der Italiener — der hier entstand, nennt
Hevesy den Johannes Regiomontanus in Wien (Nr. 2363)
ein Antiphonar ebendort (Nr. 1769) und des Königs Missal
in der Vaticana. Neben diesem Ofener Atelier hat der
König jedoch auch die besten Florentiner Miniatoren seiner
Zeit beschäftigt, es illustrierten für ihn Francesco Antonio
del Cherico den prächtigen Marsilio Ficinio der Wolfen-
bütteler Bibliothek, Monte und Gherardo del Favilla die
schönen Codices in Wien (Nr. 930), Ofen (Nationalbiblio-
thek, Kat. 347) und Modena (Nr. 449), Attavante Attavanti
das Missal in Brüssel, das Breviarium des Königs in der
Vaticana und Bonfinis Philostratus Übersetzung in Wien.
Höher als die Kunst des letzteren stellt Hevesy die eines
anonymen Zeitgenossen, der für König Mathias einen
wundervollen Didymus illustriert hat (wo befindet sich die
Handschrift? Nach Hevesys Angaben wäre zu schließen,
daß sie mit dem Missal des Minoriten Thomas in die
Rossiana gekommen sei, sie fehlt jedoch im Tietze'schen
Inventar) und den ebenfalls anonymen Meister der Homelien'
des Origenes (Modena, Nr. 438). In allen diesen Hand-
schriften begegnen uns häufig die unschönen, aber geist-
vollen Züge des Königs. Als er starb, befanden sich in
Florenz 150 von ihm bestellte Codices in Arbeit! Sie
wurden von seinen Gläubigern, den Mediä und den
Capponi beschlagnahmt, u. a. auch die wundervolle Bibel,
jetzt in der Laurenziana, die Mathias wahrscheinlich als
Oeschenk für Karl VIII. von Frankreich bestimmt hatte. —
Auch Mathias' Gemahlin, Beatrice von Aragon, Enkelin
des klassischen Bibliophilen Alfonso von Neapel, war eine
leidenschaftliche Bücherliebhaberin. Ihre Erzieherin war
die Frau des Miniatoren Sabatino Viola, und als sie nach
Ungarn kam, brachte sie die von G. M. Cynico kostbar
illuminierte Handschrift von D. Caraffas für sie verfaßtem
De institutione vivendi als Reiselektüre mit sich. Von da
ab waren die Beziehungen der Ofener Residenz zu neapoli-
tanischen Miniatoren lebhaft und Cynico wurde vom König
Mathias mit Aufträgen bedacht. Als einer der Haupt-
meister dieser in Neapel für Mathias arbeitenden Künstler
erscheint Pierre de Bordeaux (Petrus Bordegalensis), der
einen herrlichen Cassian (jetzt in der Pariser National-
bibliothek) für den König illuminierte und häufig in Ofen
weilte, wo er wohl den eigentümlichen, von Flandern
beeinflußten Stil der neapolitanischen Miniatoren eingeführt
haben mag. Hevesys Studie ist mit zahlreichen Illustrationen
und Tafeln versehen und sie bringt auch eine ziemlich
erschöpfende Bibliographie zum Gegenstand.
Heft 6, 1911, derselben Zeitschrift bringt u. a. zwei reich
illustrierte Aufsätze über die byzantinischen Stoffe des Dom-
schatzes von Sens und über die kirchliche Kunstausstellung
in Strängnäs. Bernath.
VERMISCHTES
Die Zukunft der Villa d'Este in Tivoli. Zeitungen
brachten vor kurzem die Nachricht, der Thronfolger Erz-
herzog Franz Ferdinand wolle die ihm gehörige Villa Este
in Tivoli dem österreichischen Staate schenken, damit dort,
nach dem Muster der Academie francaise in der Villa Medici
in Rom, eine österreichische Kunstakademie untergebracht
werde. Seit Jahren schon heißt es, daß der Thronfolger
die Villa, die große Erhaltungskosten verschlingt und die
sehr große Summen erfordern würde, um in bewohnbaren
Zustand versetzt zu werden, verkaufen will. Wenn obige
Nachricht sich bewahrheitet hätte, dann hätte es zur An-
nahme des Geschenkes eines Gesetzes bedurft, auch wäre
die Brauchbarkeit und Ersprießlichkeit für studierende
Künstler sehr fraglich gewesen. Nun wird die Nachricht
dahin richtig gestellt, daß der Thronfolger die Villa zu
einem Erholungsheime für reife Künstler, Gelehrte usw.
hergeben will, also zu einem ähnlichen Institute, wie es
der deutsche Kaiser in der ihm gehörigen Villa Falconieri
in Frascati eingerichtet hat. Diese Idee hat freilich mehr
für sich als die erste. Der Wert einer Akademie in Rom
wäre nur zu problematisch; es genügt ein Hinweis auf die
Tätigkeit der französischen Akademie! o. P.
Nachdem Bruno Schmitz in dem engeren Wettbewerb
zur Erlangung von Entwürfen für den Ausbau des Domes
zu Freiberg in Sachsen als Sieger hervorgegangen war,
ist ihm auch die Ausführung des Baues übertragen worden.
Es geschah in der Überzeugung, daß das ganze Bauwerk
des Doms als ein geschlossener Organismus zu betrachten
ist und nur eine diesen Organismus harmonisch ergänzende
Zutat als eine Vollendung im künstlerischen Sinne gelten
könnte. Zugleich wurde, der »Deutschen Bauzeitung« zu-
folge, bei den Beratungen bemerkt, daß unsere Zeit das
Recht habe, etwaige, aus den vorhandenen Resten historisch
analysierte Absichten des alten Baumeisters unter Umstän-
den ganz zu verlassen, wenn der Künstler von heute sie
nicht glaubt künstlerisch befriedigend und harmonisch zum
Ganzen passend lösen zu können. Dieses Recht des Ver-
lassens der alten Absichten wurde auch für den Fall ge-
fordert, daß eine Lösung im Geiste unserer Zeit etwa auf
anderer Grundlage, als auf den Forschungsergebnissen der
baugeschichtlichen Untersuchungen gefunden werden könne.
X Ein eigentümlicher Konflikt mit der Polizei-
behörde beschäftigt zurzeit die Berliner Künstlerschaft.
Es handelt sich darum, daß vor kurzem plötzlich von den
Polizeipräsidenten Groß-Berlins gemeinsam gegen die im
Dachgeschoß fünfstöckiger Wohnhäuser belegenen Ateliers
vorgegangen wurde. Nach der Berliner Bauordnung dürfen
nur höchstens fünf Stockwerke (Parterre und vier Etagen)
zum dauernden Aufenthalt von Menschen dienen. Die
Behörde hat zugunsten der Ateliers diese Bestimmung
jahrelang nicht streng gehandhabt; zum Teil auch deshalb,
weil die Durchführung der Zentralheizung und der Anlage
für elektrisches Licht in den neuen Straßenzügen die
früheren Bedenken der Feuergefährlichkeit solcher, in den
Dachstuhl hineingebauter Räumlichkeiten verscheucht hat.
Mit einem Male kam nun die Polizei auf die alte Ver-
ordnung zurück und verlangte ohne weiteres Räumung
der Ateliers. Das brachte bei dem Mangel an geeigneten
künstlerischen Arbeitsräumen in Berlin große Verlegen-
heiten mit sich, und eine Zeitlang sah es aus, als wolle
sich die Angelegenheit, da Hunderte von Künstlern davon
betroffen wurden, zu einer Kalamität auswachsen. Ver-
schiedene Eingaben der Künstlerschaft haben inzwischen
bewirkt, daß die Polizeipräsidenten verfügt haben, es solle
bei der Durchführung der gesetzmäßigen Bestimmung mit
möglichster Rücksicht und Schonung vorgegangen werden,
so daß nun den ärgsten Unzuträglichkeiten vorgebeugt
ist. Der Verein Berliner Künstler ist jedoch in einer Ein-
gabe seines Vorstandes noch weiter gegangen, indem er
bei der Behörde anregte, ob sich nicht für Künstlerateliers
eine prinzipielle Ausnahme von jener Vorschrift ein für
alle Mal festsetzen lasse, und die Polizei hat zu erkennen
gegeben, daß sie diesem Wunsche nicht abgeneigt sei und
in Erwägung über die Möglichkeit seiner Erfüllung eintreten
werde. Die Verhandlungen darüber schweben zurzeit noch.
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Cathedralis et un certain Institorisc [!]; jetzt ist die Hand-
schrift in der Rossiana in Lainz bei Wien) in Wien aus-
geführte Missale des Minoriten Thomas. Der König war
wohl mit dem etwas rohen Stil der österreichischen Mini-
aturen wenig zufrieden, denn von nun ab sehen wir ihn
seinen Bedarf an schönen Büchern zum größten Teil durch
italienische Künstler decken lassen. Bereits nach 1471
bestand in seiner Residenz Ofen eine Miniatorenwerkstatt,
in der etwa 30 Künstler, neben Italienern auch Deutsche
und Ungarn, arbeiteten. Als für den Mischstil — mit domi-
nierendem Einfluß der Italiener — der hier entstand, nennt
Hevesy den Johannes Regiomontanus in Wien (Nr. 2363)
ein Antiphonar ebendort (Nr. 1769) und des Königs Missal
in der Vaticana. Neben diesem Ofener Atelier hat der
König jedoch auch die besten Florentiner Miniatoren seiner
Zeit beschäftigt, es illustrierten für ihn Francesco Antonio
del Cherico den prächtigen Marsilio Ficinio der Wolfen-
bütteler Bibliothek, Monte und Gherardo del Favilla die
schönen Codices in Wien (Nr. 930), Ofen (Nationalbiblio-
thek, Kat. 347) und Modena (Nr. 449), Attavante Attavanti
das Missal in Brüssel, das Breviarium des Königs in der
Vaticana und Bonfinis Philostratus Übersetzung in Wien.
Höher als die Kunst des letzteren stellt Hevesy die eines
anonymen Zeitgenossen, der für König Mathias einen
wundervollen Didymus illustriert hat (wo befindet sich die
Handschrift? Nach Hevesys Angaben wäre zu schließen,
daß sie mit dem Missal des Minoriten Thomas in die
Rossiana gekommen sei, sie fehlt jedoch im Tietze'schen
Inventar) und den ebenfalls anonymen Meister der Homelien'
des Origenes (Modena, Nr. 438). In allen diesen Hand-
schriften begegnen uns häufig die unschönen, aber geist-
vollen Züge des Königs. Als er starb, befanden sich in
Florenz 150 von ihm bestellte Codices in Arbeit! Sie
wurden von seinen Gläubigern, den Mediä und den
Capponi beschlagnahmt, u. a. auch die wundervolle Bibel,
jetzt in der Laurenziana, die Mathias wahrscheinlich als
Oeschenk für Karl VIII. von Frankreich bestimmt hatte. —
Auch Mathias' Gemahlin, Beatrice von Aragon, Enkelin
des klassischen Bibliophilen Alfonso von Neapel, war eine
leidenschaftliche Bücherliebhaberin. Ihre Erzieherin war
die Frau des Miniatoren Sabatino Viola, und als sie nach
Ungarn kam, brachte sie die von G. M. Cynico kostbar
illuminierte Handschrift von D. Caraffas für sie verfaßtem
De institutione vivendi als Reiselektüre mit sich. Von da
ab waren die Beziehungen der Ofener Residenz zu neapoli-
tanischen Miniatoren lebhaft und Cynico wurde vom König
Mathias mit Aufträgen bedacht. Als einer der Haupt-
meister dieser in Neapel für Mathias arbeitenden Künstler
erscheint Pierre de Bordeaux (Petrus Bordegalensis), der
einen herrlichen Cassian (jetzt in der Pariser National-
bibliothek) für den König illuminierte und häufig in Ofen
weilte, wo er wohl den eigentümlichen, von Flandern
beeinflußten Stil der neapolitanischen Miniatoren eingeführt
haben mag. Hevesys Studie ist mit zahlreichen Illustrationen
und Tafeln versehen und sie bringt auch eine ziemlich
erschöpfende Bibliographie zum Gegenstand.
Heft 6, 1911, derselben Zeitschrift bringt u. a. zwei reich
illustrierte Aufsätze über die byzantinischen Stoffe des Dom-
schatzes von Sens und über die kirchliche Kunstausstellung
in Strängnäs. Bernath.
VERMISCHTES
Die Zukunft der Villa d'Este in Tivoli. Zeitungen
brachten vor kurzem die Nachricht, der Thronfolger Erz-
herzog Franz Ferdinand wolle die ihm gehörige Villa Este
in Tivoli dem österreichischen Staate schenken, damit dort,
nach dem Muster der Academie francaise in der Villa Medici
in Rom, eine österreichische Kunstakademie untergebracht
werde. Seit Jahren schon heißt es, daß der Thronfolger
die Villa, die große Erhaltungskosten verschlingt und die
sehr große Summen erfordern würde, um in bewohnbaren
Zustand versetzt zu werden, verkaufen will. Wenn obige
Nachricht sich bewahrheitet hätte, dann hätte es zur An-
nahme des Geschenkes eines Gesetzes bedurft, auch wäre
die Brauchbarkeit und Ersprießlichkeit für studierende
Künstler sehr fraglich gewesen. Nun wird die Nachricht
dahin richtig gestellt, daß der Thronfolger die Villa zu
einem Erholungsheime für reife Künstler, Gelehrte usw.
hergeben will, also zu einem ähnlichen Institute, wie es
der deutsche Kaiser in der ihm gehörigen Villa Falconieri
in Frascati eingerichtet hat. Diese Idee hat freilich mehr
für sich als die erste. Der Wert einer Akademie in Rom
wäre nur zu problematisch; es genügt ein Hinweis auf die
Tätigkeit der französischen Akademie! o. P.
Nachdem Bruno Schmitz in dem engeren Wettbewerb
zur Erlangung von Entwürfen für den Ausbau des Domes
zu Freiberg in Sachsen als Sieger hervorgegangen war,
ist ihm auch die Ausführung des Baues übertragen worden.
Es geschah in der Überzeugung, daß das ganze Bauwerk
des Doms als ein geschlossener Organismus zu betrachten
ist und nur eine diesen Organismus harmonisch ergänzende
Zutat als eine Vollendung im künstlerischen Sinne gelten
könnte. Zugleich wurde, der »Deutschen Bauzeitung« zu-
folge, bei den Beratungen bemerkt, daß unsere Zeit das
Recht habe, etwaige, aus den vorhandenen Resten historisch
analysierte Absichten des alten Baumeisters unter Umstän-
den ganz zu verlassen, wenn der Künstler von heute sie
nicht glaubt künstlerisch befriedigend und harmonisch zum
Ganzen passend lösen zu können. Dieses Recht des Ver-
lassens der alten Absichten wurde auch für den Fall ge-
fordert, daß eine Lösung im Geiste unserer Zeit etwa auf
anderer Grundlage, als auf den Forschungsergebnissen der
baugeschichtlichen Untersuchungen gefunden werden könne.
X Ein eigentümlicher Konflikt mit der Polizei-
behörde beschäftigt zurzeit die Berliner Künstlerschaft.
Es handelt sich darum, daß vor kurzem plötzlich von den
Polizeipräsidenten Groß-Berlins gemeinsam gegen die im
Dachgeschoß fünfstöckiger Wohnhäuser belegenen Ateliers
vorgegangen wurde. Nach der Berliner Bauordnung dürfen
nur höchstens fünf Stockwerke (Parterre und vier Etagen)
zum dauernden Aufenthalt von Menschen dienen. Die
Behörde hat zugunsten der Ateliers diese Bestimmung
jahrelang nicht streng gehandhabt; zum Teil auch deshalb,
weil die Durchführung der Zentralheizung und der Anlage
für elektrisches Licht in den neuen Straßenzügen die
früheren Bedenken der Feuergefährlichkeit solcher, in den
Dachstuhl hineingebauter Räumlichkeiten verscheucht hat.
Mit einem Male kam nun die Polizei auf die alte Ver-
ordnung zurück und verlangte ohne weiteres Räumung
der Ateliers. Das brachte bei dem Mangel an geeigneten
künstlerischen Arbeitsräumen in Berlin große Verlegen-
heiten mit sich, und eine Zeitlang sah es aus, als wolle
sich die Angelegenheit, da Hunderte von Künstlern davon
betroffen wurden, zu einer Kalamität auswachsen. Ver-
schiedene Eingaben der Künstlerschaft haben inzwischen
bewirkt, daß die Polizeipräsidenten verfügt haben, es solle
bei der Durchführung der gesetzmäßigen Bestimmung mit
möglichster Rücksicht und Schonung vorgegangen werden,
so daß nun den ärgsten Unzuträglichkeiten vorgebeugt
ist. Der Verein Berliner Künstler ist jedoch in einer Ein-
gabe seines Vorstandes noch weiter gegangen, indem er
bei der Behörde anregte, ob sich nicht für Künstlerateliers
eine prinzipielle Ausnahme von jener Vorschrift ein für
alle Mal festsetzen lasse, und die Polizei hat zu erkennen
gegeben, daß sie diesem Wunsche nicht abgeneigt sei und
in Erwägung über die Möglichkeit seiner Erfüllung eintreten
werde. Die Verhandlungen darüber schweben zurzeit noch.