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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0147

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271

Forschungen — Vermischtes

272

derts besprach, teilte er hauptsächlich seine Forschungen
über drei Bilder des P. P. Rubens mit, die mit Polen in
Zusammenhang stehen. Es ist ihm gelungen, auf dem
Hochaltar der Pfarrkirche des hl. Nikolaus in Kalisz, einer
größeren Stadt des Königreiches Polen, knapp an der Grenze
des Oroßherzogtums Posen, eine bisher völlig unbekannte
Kreuzabnahme des Rubens zu entdecken, eine Entdeckung, die
sich durch Nachforschungen im dortigen Kirchenarchiv voll-
inhaltlich bestätigt hat. Laut einem im Jahre 1639, also noch
zu Lebzeiten des Rubens, geschriebenen Aktenstück wurde
das Bild vom Hofsekretär Sigismunds III. Peter Zeromski,
im Jahre 1621 von Antwerpen nach Polen gebracht und
der Nikolauskirche seiner Vaterstadt geschenkt. Das Bild
(Leinwand, 3,20 m hoch, 2,12 m breit) geht eng mit den
drei Kreuzabnahmen Rubens' in den Kirchen in Arras zu-
sammen, die aber von Rooses als Schulbilder erklärt
wurden. Graf Mycielski hat nun festgestellt, daß das
Kaliszer Exemplar das Original ist, nach welchem das Bild
auf einem Seitenaltare des rechten Seitenschiffes der Kirche
des hl. Johannes Ev. in Arras gemalt worden ist. Das Ka-
liszer Bild ist etwas kleiner als diese Arraser Wieder-
holung.

Ein zweites Bild ist das Porträt des Kronprinzen La-
dislaus Wasa, das 1624 während des Aufenthaltes Wasas
in Flandern im Auftrage der Infantin-Statthalterin Isabella
Clara Eugenia gemalt wurde und das sich noch 1628 in
Flandern befand, da es, wie Graf Mycielski überzeugend
nachwies, auf einem Bilde von Wilhelm van Haecht, das
sich im Besitze des Lord Huntingfield in Birmingham be-
findet, genau kopiert wurde. Das Bild, das nur aus einem
etwas veränderten Kupferstiche des Paul Pontius bekannt
war, war bis 1890 völlig verschollen, bis es von Rooses in
einem argen und stark beschnittenen Zustande in Genua
im Pal. Durazzo-Pallavicini in einem »Selbstporträt des
Van Dyck« entdeckt wurde.

Schließlich teilte Graf Mycielski mit, daß im Jahre 1632
König Ladislaus Wasa bei Rubens ein Phantasieportät des
1370 vorstorbenen Polenkönigs Kasimir des Großen be-
stellte. Das Bild befand sich im Wawelschlosse in Krakau
ist aber heute, wohl für immer, verschollen.

Die auch sonst sehr interessanten Ausführungen Pro-
fessor Mycielskis werden in extenso im Kunstgeschichtlichen
Jahrbuche der k. k. Zentralkommission in Wien erscheinen.

o. P.

Einige bisher unbekannte Miniaturen Guglielmo
Giraldis, des bedeutendsten ferraresischen Miniaturmalers
im 15. Jahrhundert, veröffentlicht P. Liebart im Dezember-
heft der Arte. Sie finden sich in einem kürzlich von der
Bibl. Ambros. zu Mailand erworbenen Exemplar der Noctes
atticae des Aulus Gellius, dessen Niederschrift laut dem
Explicit 1448 vollendet wurde. Die Hauptillustrationen des
Buches sind ein Titelblatt, das Aulus Gellius im Kreise
seiner Freunde, bei der Arbeit und nach der Art des 15. Jahr-
hunderts auf einem Marmorthron sitzend darstellt, und die
reiche Umrahmung der Anfangsseite mit dem (ungedeuteten)
Wappen des Bestellers. Die Inschrift der ersten Miniatur
Gul. D. F. P. hat Liebart wohl mit Recht Gulielmus de
Ferraria pinxit gelesen. Wir hätten demnach in diesen
Miniaturen Frühwerke des Künstlers zu erkennen, der von
1441 bis 1505 urkundlich nachweisbar ist und von dem wir
bisher nur Werke einer späteren Zeit kannten. -i.

Neue Nachrichten über den Veroneser Trecentomaler
Giacomo da Riva, von dem bisher als einzige urkund-
liche Nachricht eine Inschrift unter einem Madonnenbilde
in S. Stefano zu Verona bekannt war, veröffentlicht Giu-
seppe Biadego im Bolletino d'Arte (1911, Heft X). Er
verfolgt das Leben des Künstlers an verschiedenen Miets-
und Kaufverträgen und an Steuereintragungen von 1374
bis zu seinem zwischen 1416 und 1418 erfolgten Tode und
weist nach, daß seine Familie aus Riva am Gardasee
stammte. Zu dem genannten, schon 1889 von P. Sgulmero
publizierten Fresko von 1388 in S. Stefano fügt Biadego
noch eine Madonna in S. Zeno und eine Madonna in der
Mandorla mit den Heiligen Johannes Baptista und Jacobus
und einem Stifter in S. Stefano, die 1396 datiert ist. Beide
Arbeiten stehen, nach den Abbildungen zu urteilen, dem
gesicherten Madonnenbilde so nahe, daß man sie wohl
als Werke Giacomos wird ansehen dürfen, obgleich Bia-
dego selbst nur auf der Zuschreibung an dessen Schule
bestehen will. -u

VERMISCHTES
Nochmals Haarlem. Herr Dr. Bredius schreibt uns,
daß die Stadtrats-Sitzung in Haarlem eigentlich noch drasti-
scher verlaufen ist, als wir in unserer Notiz in der letzten
Nummer angedeutet haben; nämlich der betreffende Herr
sagte über die Hals-Sammlung des Museums wörtlich:
»Wenn die Bürgerschaft vor die Frage gestellt würde, einen
Direktor ä 1500 Gulden zu nehmen oder den Rummel (»den
boel«) zu verkaufen, dann würde die Majorität für das
Letztere stimmen«. Ferner drückte ein anderer in der
Haarlemer Zeitung die Meinung aus, es sei höchste Zeit,
daß Bredius aus dem Aufsichtsrat des Museums ausscheide.
Diesen liebenswürdigen Rat hat denn auch Herr Dr. Bredius
eiligst befolgt. Das Geschlecht der Droogstoppels, von denen
uns Max Havelaar so köstlich berichtet hat, scheint also
noch nicht ausgestorben zu sein.

Nach den Entwürfen, die Prof. Peter Behrens ge-
schaffen hat, ist jetzt mit der Ausführung des neuen deut-
schen Botschaftspalais in St. Petersburg begonnen
worden. Der Platz liegt bei der Isaaks-Kathedrale, zwischen
Isaaks-Platz und Morskaja.

Die Berliner städtische Kunstdeputation hat be-
schlossen, auch in diesem Jahre 12000 Mk. für die große
Berliner Kunstausstellung und 6000 Mk. für die Ausstellung
der Sezession zur Verfügung zu stellen. Die Beträge sollen
nach der Wahl der Kunstdeputation zur Erteilung von Ehren-
preisen oder zum Ankauf ausgestellter Kunstwerke Ver-
wendung finden. Die Ehrenpreise sollen nicht weniger
als 3000 Mk. betragen.

Florenz. Die dem Orcagna zugeschriebene Tafel
mit der Darstellung des Heiligen Dominikanerordens,
die in einer Seitenkapelle in Santa Maria Novella hing,
und vor ungefähr einem Monat gestohlen worden war, ist
in diesen Tagen durch die Polizei wiedergefunden worden.

Zur Erweiterung von Sempers berühmtem Bau der
eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich
haben die Bundesbehörden rund 117„ Millionen Franken be-
willigt. Gegenwärtig sind in dem Bau noch Universität
und Polytechnikum untergebracht. Zur Ausführung kommt
der Entwurf des Prof. Gull von der Züricher Hochschule.

Inhalt: Anmerkungen zu den Rubensbildern der Alten Pinakothek in München. Von L. Burchard. — Ad. Brüning f. — Em Werk Peruginos in der
Galerie Borghese. —Leipziger Schillerdenkmal. — Ausgrabungen in Cyrerie. — Ausstellungen In Berlin, Karlsruhe. — Erwerbungen der
Kaiserl. Gemäldegalerie in Wien. — Berliner Kunstgeschiclitliche Gesellschaft; 3. Kongreß f. Christi. Archäologie; Russischer Künstler-
kongreli; 4. Internat. Kongreß f. Kunstunterricht. — Rubens und die Polen. — Miniaturen Giraldis; Neues üb:r Ohe. da Riva. —Vermischtes.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h., Leipzig
 
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