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Ausstellungen
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großen Erdbeben vom Jahre 17 n. Chr. nicht mehr in Be-
nutzung geblieben ist, haben die diesjährigen Ausgrabungen
durch Inschriften usw. den Nachweis gebracht, daß der
Tempel bis ins zweite Jahrhundert n. Chr. im Gebrauch
war. Was man von unvollendeter Arbeit gefunden hat,
gehört zu den, nach dem Erdbeben begonnenen und dann
nicht mehr zu Ende geführten, Restaurierungen. Einzel-
funde in diesem Tempelgebiet waren gering, abgesehen von
zwei nur in Fragmenten gefundenen männlichen Kolossal-
köpfen. — Dagegen brachte die Ausgrabung der Gräber
in der Nekropolis an dem Bergabhang jenseits des Flusses
gegenüber dem Tempel ganz bedeutende Resultate und
Einzelfunde. Über 200 Gräber wurden geöffnet, von denen
jedes durchschnittlich sechs Bestattungen aufgenommen
hat. Gold-, Silber- und Bronzefunde, zahlreiche Funde
von Töpfereien wurden gemacht. Die Gräber stammten
ursprünglich aus sehr früher Zeit, wurden oft ausgeräumt
und wieder gebraucht, und das ging durch viele Jahrhunderte.
Die Gräber liegen in die Hügelseite eingegraben, eines
über dem andern, und konnten nur auf ganz schmalen
Pfädchen erreicht werden. Die Eingänge in die Gräber
der oberen Reihen waren kaum verhüllt; die Erosion hat
die Eingänge zu den Gräbern der unteren Reihen tief ver-
graben. Die Töpfereien beginnen mit der mykenäischen
Zeit und dauern bis in die späte griechische. Bei dem
gefundenen Goldschmuck fällt die Ähnlichkeit zwischen
der lydischen und der etruskischen Goldarbeit auf; sie mag
eine wichtige historische Bedeutung haben. Die interessan-
testen in den Gräbern gefundenen Gegenstände waren
jedoch die Siegelsteine. Sie bilden eine Sammlung von
seltener Schönheit und künstlerischem Wert, ganz abgesehen
von ihrer antiquarischen Bedeutung. Nur wenige stammen
aus der hellenistischen Periode und ahmen griechische
Vorbilder nach; die Majorität kommt aus der griechisch-
persischen Periode, diese waren wahrscheinlich von grie-
chischen Künstlern für vornehme Perser gemacht. — Unter
der untersten Gräberreihe stieß man auf Mauern, welche
zu Häusern gehört haben, deren untere Teile aus sonnen-
getrockneten Ziegeln hergestellt waren, während die Dächer
und sonstige Details aus Terrakottaziegeln bestanden.
Große Dachziegel waren von feinster Tonerde gefertigt
und ausgezeichnet gebrannt. Es scheint auch, daß diese
Terrakottaziegel bemalt und dann mit einer Glasur bedeckt
waren. Howard Crosby Butler, der den Bericht im American
Journal of Archaeology erstattet, ist der Ansicht, daß alle
diese kolorierten Ziegel älter wie das vierte Jahrhundert sind
und teilweise bis in das sechste Jahrhundert hinaufreichen.
Das gleiche Heft des American Journal of Archaeology,
dem wir diesen wichtigen Bericht über die Ausgrabungen
in Sardes entnehmen, bringt noch einige interessante Auf-
sätze. George H. Chase, der Archäologe der Harvard-
Universität, beschreibt eine pränestinische Cista in der
Sammlung des Herrn James Loeb in München, eines der
besten Exemplare dieser Klasse mit Darstellung einer Oi-
gantomachie. Chase ist der Ansicht, daß diese Cista nicht
früher als um 300 bis 250 v. Chr. zu datieren ist. Sie ist
ein charakteristisches Beispiel der Kunst von Latium aus
dieser Zeit und zeigt zwar die griechische Kunst der süd-
italienischen Städte, läßt aber die realistischen Tendenzen,
wie sie ein Charakteristikum der späteren römischen Kunst
geworden sind, schon ahnen. — Zwei korinthische Kopien
des Kopfes der Athena Parthenos (eine Terrakottaform und
ein Marmorrelief) legt David M. Robinson vor und schließt
daran eine äußerst dankenswerte vollständige Liste der
Darstellungen der Parthenos. — Uberhaupt ist der jetzt
vollendete XV. Band (1911) des American Journal of Archae-
ology wieder ebenso reichhaltig wie die jeweils wegen Inhalt
und Ausführung gerühmten früheren Bände. m.
AUSSTELLUNGEN
Die zweite juryfreie Berliner Kunstausstellung,
I die sogenannte Hundertmarkausstellung, die Skizzen, Stu-
{ dien und Graphik enthält, wurde am 29. Februar geschlossen.
Während auf der ersten juryfreien Kunstschau nur etwa
I 25 Verkäufe abgeschlossen wurden, war der Verkauf diesmal
j bedeutend lebhafter. Am 14. Mäiz eröffnet dann die Ver-
einigung bildender Künstler als dritte juryfreie Kunstschau
in ihren Räumen in der Potsdamer Straße eine Bildnis-
ausstellung.
X Die Frauenarbeit in Kunst und Kunstgewerbe,
; die sich auf der großen Berliner Ausstellung »Die Frau
I im Haus und Beruf« präsentiert, nimmt in diesem impo-
; santen Dokument moderner weiblicher Berufstätigkeit eine
, beherrschende Stellung ein. Nicht als ob die Malerinnen mit
ihren engeren Berufskolieginnen sich ungebührlich vor-
drängten. Im Gegenteil, die eigentliche »Kunstausstellung«
ist nur ein Kapitel neben andern, ist »Gruppe XV«, und
beansprucht in dem Gesamtbilde einen verhältnismäßig be-
scheidenen Raum. Aber das ganze Arrangement ist durch-
aus vom künstlerischen Geiste getragen. Es ist bemerkens-
wert, wie die Damen Fia Wille, Else Oppler-Legband und
Lilly Reich die riesigen Ausstellungshallen am Zoologischen
Garten, deren Öde und Unübersehbarkeit bisher jedem
Unternehmen an dieser Stelle geschadet haben, als Ein-
heiten gehalten, wie sie die Einbauten besorgt, die Pavil-
lons errichtet, das Eisengerüst der Pfeiler und Brüstungen
verkleidet, für eine strenge Durchführung guter Plakate in
Wort und Schrift gesorgt, alles durch einfache, gut abge-
stimmte Farbenakkorde zusammengefaßt haben. In der
kunstgewerblichen Abteilung verdienen die Innenbauten
; und Zimmereinrichtungen von den genannten Künstlerinnen,
j von Elisabeth von Bazko, von Ilse Demburg, Frau Cucuel-
| Tscheuschner, Fräulein Klopsch und Elisabeth von Zahn
| genannt zu werden, die auch durch ihr ausgezeichnetes
Musterschaufenster auffällt. In einer Glasmalereigruppe
regiert Ilse Schütze-Schur, in der Schmuck- und Fächer-
kunst Margarete Erler. Die »Kunstausstellung« selbst zeigt
eine vorzügliche Durchsiebung des Besten, was die deutsche
Frauenkunst heute zu bieten hat; sie würde jeder männ-
lichen Künstlergruppe alle Ehre machen. Neben den be-
kannten Namen tauchen neue auf. Auch schwierigere
Themata, wie größere Landschaften, Gruppenbildnisse,
plastische Akte werden jetzt mit Ernst in Angriff ge-
nommen und gelöst. Von dem schülerhaften Nachbeten
männlicher Vorbilder, das früher Frauenausstellungen oft
unerträglich machte, ist wenig mehr zu spüren. Besonders
interessant sind Zeichnungen aus deutschen Gefängnissen,
die Käte Kollwitz, Clara Siewert und Hedwig Weiß für
die Gruppe »Fürsorge für weibliche Gefangene« geschaffen
haben: Anschauungsbilder von aufrüttelnder stofflicher
Wirkung, doch zugleich von hoher künstlerischer Qualität.
Zum ersten Male wurde es für diesen Zweck gestattet, in
Gefängnissen nach dem Leben zeichnerische Studien zu
machen.
Wien. Hagenbund (Januar-Februar). Durch die Ein-
ladung an die Jung-Norweger, in Wien eine Kollektivaus-
stellung zu veranstalten, hat sich der Hagenbund ein un-
bestreitbares Verdienst erworben; lehrt uns diese Ausstellung
doch, daß sich hoch im Norden Europas eine Malergruppe
zusammengefunden hat, die durch Klarheit und Sicherheit
der Absichten und durch eine bedeutende Höhe des Durch-
schnittsniveaus uns den höchsten Respekt abzwingt. Der
bedeutendste dieser Künstler ist uns ja kein Fremder, Ed-
vard Münch ist ja seit langem auch im Auslande wohl-
bekannt und geschätzt. Die meisten seiner jüngeren Ge-
nossen aber dürften dem Auslande neu sein. Edvard Münch
Ausstellungen
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großen Erdbeben vom Jahre 17 n. Chr. nicht mehr in Be-
nutzung geblieben ist, haben die diesjährigen Ausgrabungen
durch Inschriften usw. den Nachweis gebracht, daß der
Tempel bis ins zweite Jahrhundert n. Chr. im Gebrauch
war. Was man von unvollendeter Arbeit gefunden hat,
gehört zu den, nach dem Erdbeben begonnenen und dann
nicht mehr zu Ende geführten, Restaurierungen. Einzel-
funde in diesem Tempelgebiet waren gering, abgesehen von
zwei nur in Fragmenten gefundenen männlichen Kolossal-
köpfen. — Dagegen brachte die Ausgrabung der Gräber
in der Nekropolis an dem Bergabhang jenseits des Flusses
gegenüber dem Tempel ganz bedeutende Resultate und
Einzelfunde. Über 200 Gräber wurden geöffnet, von denen
jedes durchschnittlich sechs Bestattungen aufgenommen
hat. Gold-, Silber- und Bronzefunde, zahlreiche Funde
von Töpfereien wurden gemacht. Die Gräber stammten
ursprünglich aus sehr früher Zeit, wurden oft ausgeräumt
und wieder gebraucht, und das ging durch viele Jahrhunderte.
Die Gräber liegen in die Hügelseite eingegraben, eines
über dem andern, und konnten nur auf ganz schmalen
Pfädchen erreicht werden. Die Eingänge in die Gräber
der oberen Reihen waren kaum verhüllt; die Erosion hat
die Eingänge zu den Gräbern der unteren Reihen tief ver-
graben. Die Töpfereien beginnen mit der mykenäischen
Zeit und dauern bis in die späte griechische. Bei dem
gefundenen Goldschmuck fällt die Ähnlichkeit zwischen
der lydischen und der etruskischen Goldarbeit auf; sie mag
eine wichtige historische Bedeutung haben. Die interessan-
testen in den Gräbern gefundenen Gegenstände waren
jedoch die Siegelsteine. Sie bilden eine Sammlung von
seltener Schönheit und künstlerischem Wert, ganz abgesehen
von ihrer antiquarischen Bedeutung. Nur wenige stammen
aus der hellenistischen Periode und ahmen griechische
Vorbilder nach; die Majorität kommt aus der griechisch-
persischen Periode, diese waren wahrscheinlich von grie-
chischen Künstlern für vornehme Perser gemacht. — Unter
der untersten Gräberreihe stieß man auf Mauern, welche
zu Häusern gehört haben, deren untere Teile aus sonnen-
getrockneten Ziegeln hergestellt waren, während die Dächer
und sonstige Details aus Terrakottaziegeln bestanden.
Große Dachziegel waren von feinster Tonerde gefertigt
und ausgezeichnet gebrannt. Es scheint auch, daß diese
Terrakottaziegel bemalt und dann mit einer Glasur bedeckt
waren. Howard Crosby Butler, der den Bericht im American
Journal of Archaeology erstattet, ist der Ansicht, daß alle
diese kolorierten Ziegel älter wie das vierte Jahrhundert sind
und teilweise bis in das sechste Jahrhundert hinaufreichen.
Das gleiche Heft des American Journal of Archaeology,
dem wir diesen wichtigen Bericht über die Ausgrabungen
in Sardes entnehmen, bringt noch einige interessante Auf-
sätze. George H. Chase, der Archäologe der Harvard-
Universität, beschreibt eine pränestinische Cista in der
Sammlung des Herrn James Loeb in München, eines der
besten Exemplare dieser Klasse mit Darstellung einer Oi-
gantomachie. Chase ist der Ansicht, daß diese Cista nicht
früher als um 300 bis 250 v. Chr. zu datieren ist. Sie ist
ein charakteristisches Beispiel der Kunst von Latium aus
dieser Zeit und zeigt zwar die griechische Kunst der süd-
italienischen Städte, läßt aber die realistischen Tendenzen,
wie sie ein Charakteristikum der späteren römischen Kunst
geworden sind, schon ahnen. — Zwei korinthische Kopien
des Kopfes der Athena Parthenos (eine Terrakottaform und
ein Marmorrelief) legt David M. Robinson vor und schließt
daran eine äußerst dankenswerte vollständige Liste der
Darstellungen der Parthenos. — Uberhaupt ist der jetzt
vollendete XV. Band (1911) des American Journal of Archae-
ology wieder ebenso reichhaltig wie die jeweils wegen Inhalt
und Ausführung gerühmten früheren Bände. m.
AUSSTELLUNGEN
Die zweite juryfreie Berliner Kunstausstellung,
I die sogenannte Hundertmarkausstellung, die Skizzen, Stu-
{ dien und Graphik enthält, wurde am 29. Februar geschlossen.
Während auf der ersten juryfreien Kunstschau nur etwa
I 25 Verkäufe abgeschlossen wurden, war der Verkauf diesmal
j bedeutend lebhafter. Am 14. Mäiz eröffnet dann die Ver-
einigung bildender Künstler als dritte juryfreie Kunstschau
in ihren Räumen in der Potsdamer Straße eine Bildnis-
ausstellung.
X Die Frauenarbeit in Kunst und Kunstgewerbe,
; die sich auf der großen Berliner Ausstellung »Die Frau
I im Haus und Beruf« präsentiert, nimmt in diesem impo-
; santen Dokument moderner weiblicher Berufstätigkeit eine
, beherrschende Stellung ein. Nicht als ob die Malerinnen mit
ihren engeren Berufskolieginnen sich ungebührlich vor-
drängten. Im Gegenteil, die eigentliche »Kunstausstellung«
ist nur ein Kapitel neben andern, ist »Gruppe XV«, und
beansprucht in dem Gesamtbilde einen verhältnismäßig be-
scheidenen Raum. Aber das ganze Arrangement ist durch-
aus vom künstlerischen Geiste getragen. Es ist bemerkens-
wert, wie die Damen Fia Wille, Else Oppler-Legband und
Lilly Reich die riesigen Ausstellungshallen am Zoologischen
Garten, deren Öde und Unübersehbarkeit bisher jedem
Unternehmen an dieser Stelle geschadet haben, als Ein-
heiten gehalten, wie sie die Einbauten besorgt, die Pavil-
lons errichtet, das Eisengerüst der Pfeiler und Brüstungen
verkleidet, für eine strenge Durchführung guter Plakate in
Wort und Schrift gesorgt, alles durch einfache, gut abge-
stimmte Farbenakkorde zusammengefaßt haben. In der
kunstgewerblichen Abteilung verdienen die Innenbauten
; und Zimmereinrichtungen von den genannten Künstlerinnen,
j von Elisabeth von Bazko, von Ilse Demburg, Frau Cucuel-
| Tscheuschner, Fräulein Klopsch und Elisabeth von Zahn
| genannt zu werden, die auch durch ihr ausgezeichnetes
Musterschaufenster auffällt. In einer Glasmalereigruppe
regiert Ilse Schütze-Schur, in der Schmuck- und Fächer-
kunst Margarete Erler. Die »Kunstausstellung« selbst zeigt
eine vorzügliche Durchsiebung des Besten, was die deutsche
Frauenkunst heute zu bieten hat; sie würde jeder männ-
lichen Künstlergruppe alle Ehre machen. Neben den be-
kannten Namen tauchen neue auf. Auch schwierigere
Themata, wie größere Landschaften, Gruppenbildnisse,
plastische Akte werden jetzt mit Ernst in Angriff ge-
nommen und gelöst. Von dem schülerhaften Nachbeten
männlicher Vorbilder, das früher Frauenausstellungen oft
unerträglich machte, ist wenig mehr zu spüren. Besonders
interessant sind Zeichnungen aus deutschen Gefängnissen,
die Käte Kollwitz, Clara Siewert und Hedwig Weiß für
die Gruppe »Fürsorge für weibliche Gefangene« geschaffen
haben: Anschauungsbilder von aufrüttelnder stofflicher
Wirkung, doch zugleich von hoher künstlerischer Qualität.
Zum ersten Male wurde es für diesen Zweck gestattet, in
Gefängnissen nach dem Leben zeichnerische Studien zu
machen.
Wien. Hagenbund (Januar-Februar). Durch die Ein-
ladung an die Jung-Norweger, in Wien eine Kollektivaus-
stellung zu veranstalten, hat sich der Hagenbund ein un-
bestreitbares Verdienst erworben; lehrt uns diese Ausstellung
doch, daß sich hoch im Norden Europas eine Malergruppe
zusammengefunden hat, die durch Klarheit und Sicherheit
der Absichten und durch eine bedeutende Höhe des Durch-
schnittsniveaus uns den höchsten Respekt abzwingt. Der
bedeutendste dieser Künstler ist uns ja kein Fremder, Ed-
vard Münch ist ja seit langem auch im Auslande wohl-
bekannt und geschätzt. Die meisten seiner jüngeren Ge-
nossen aber dürften dem Auslande neu sein. Edvard Münch