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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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ACAO.LESEH.

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 22. 29. März 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur .Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

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Zur neueren kunstwissenschaftlichen Literatur
über Würzburg

Es ist im jüngst verflossenen Jahre ein reicher lite-
rarischer Segen auf das kunstgeschichtlich bisher nicht
sonderlich stark begnadete Würzburg herniedergegangen.
Als Cornelius Qurlitt seine Serie »Historische Städtebilder«
mit dem schönen, stattlichen Bande »Würzburg« (Verlag
von Wasmuth, Berlin) igo2 eröffnete, nahm man mit auf-
richtiger Dankbarkeit diese wertvolle Oabe entgegen, die
sich hauptsächlich mit der überreichen Architektur der alten
Mainstadt wissenschaftlich beschäftigte. In seinem Texte
ließ Cornelius Ourlitt manch köstliches, kraftvolles Wahr-
wort fallen, aber er stellte auch kategorisch manche For-
derung auf, die wie ein Appell an die Ohren der jüngeren
Kunsthistoriker klang; z. B. »Es wäre der Mühe wohl wert,
durch sorgsame Untersuchung mehr Klarheit in die Ge-
schichte der Bildnerei in Würzburg zu bringen! Gibt es
an der Universität keinen Lehrstuhl für Kunstgeschichte?«

Der Forderung Gurlitts ist nun von zwei Seiten Rech-
nung getragen worden. Es liegt uns ein umfangreicher
Band vor: Mittelalterliche Plastik Wiirzburgs. Versuch
einer lokalen Entwicklungsgeschichte des 13. bis zum An-
fang des 15. Jahrhunderts von Wilhelm Pinder (Würzburg,
Curt Kabitzsch, 1911. Preis Mk. 12.—). Der Verfasser be-
zeichnet das Buch als die letzte Frucht einer beinahe fünf-
jährigen Dozententätigkeit an der Universität Würzburg.
An die Spitze seiner Einleitung stellt er den unbestreit-
baren Satz: »Die Würzburger Plastik hat ihre reichste
Überlieferung und den einheitlichsten Fluß ihrer Entwick-
lung im 14. Jahrhundert.« " Und ebenso richtig ist die
Beobachtung, daß die Monumente der Bischöfe dieser Zeit
von den Todesjahren der Dargestellten niemals allzuweit
abliegen. Bei der Besprechung der älteren plastischen
Überlieferung geht Pinder besonders auf das merkwürdige
Grabmal des in Antiochien auf dem Kreuzzuge gestorbenen
Bischofs Gottfried I. von Spitzenberg ein. Dieses Grabmal
galt seit Weeses scharfem Urteil als die Leistung eines
unfähigen heimischen Handwerkers. Pinder hat richtig
beobachtet, daß bei der im 18. Jahrhundert vorgenommenen
Erneuerung des Denkmals die Platte stark abgearbeitet
worden ist, daß die vordere Rahmenfläche mit den vorder-
sten Stellen der Figur in einer Ebene lag. Aber den
völligen Mangel an Schwung, an Freudigkeit des körper-
lichen Gefühls, erklärt Pinder mit dem Mangel an Ver-
ständnis für die Stilwerte der byzantinischen Kleinplastik,
an der der Aufschwung der sächsischen Kunst seine Stütze
fand. Im übrigen freue ich mich, daß Pinder »von dem
seltsamen Leben des Kopfes« spricht, und daß er findet,
»das Ganze stehe doch mit Würde am Anfang einer Kunst,

die wie die Würzburger so ganz auf Plastik angewiesen
war«. Über die Beziehungen der Würzburger Siegel des
13. Jahrhunderts zur Bamberger Monumentalkunst, auf die
Pinder mit vielem Verständnis eingeht, werde ich mich an
anderer Stelle äußern, ebenso über die fränkischen Elfen-
beinschnitzwerke. Hier möchte ich nur bemerken, daß
Pinder, der meines Erachtens in der Bewertung des Ein-
flusses der Kleinkunst sonst auf der richtigen Fährte ist,
den Siegeln des 13. Jahrhunderts, deren traditionelle Ge-
bundenheit er übrigens wllig anerkennt, leicht eine zu
große Bedeutung in der stilistischen Entwicklung zuschreibt.
Eine etwas andere Einschätzung hätte vielleicht das Tym-
panon mit der thronenden Gottesmutter zwischen den
beiden Johannes erfahren, wenn dem Verfasser bekannt
gewesen wäre, daß es von dem alten Stift Haug nach
der Katharinenkapelle transferiert wurde. In dem Kapitel
»Würzburg und die große Bauplastik des 13. Jahrhunderts«
finde ich es durchaus korrekt, daß das Taufbecken des
Domes als mittelrheinischer Import nicht in Frage gezogen
wird, aber merkwürdig berührt, daß Pinder dieses sehr
bedeutsame Erzgußwerk wiederholt »eine mehr gewerbliche
Leistung« zu nennen imstande ist. Der Burkarder Opfer-
stock ist dafür sichtlich mit um so größerer Begeisterung
behandelt. Schade nur, daß der Verfasser den Opferstock
nicht vor der gründlichen Überarbeitung, die vor einigen
Jahren über ihn ergangen ist, gekannt hat. Pinder sagt,
die »Reinheit des tektonischen Gefühls« wecke unwill-
kürlich die Erinnerung an die französische Kathedralplastik.
Es ist ganz richtig gesehen, daß heute manches — lange
nicht alles, wie auch der Verfasser bereitwillig zugesteht
— an den französischen Kathedralenstil anklingt, aber ich
muß gestehen, daß der Eindruck des Opferstocks vor der
erwähnten Umarbeitung ein wesentlich anderer war. Es
ist doch von hohem Interesse, zu beobachten, wie ein in
seinem ursprünglichen Zustande offenbar einheitlich stark
von byzantinischen Motiven durchsetztes Werk durch eine
solche nicht ungeschickte Überarbeitung und Glättung jenen
Eindruck erwecken kann, den Pinder nun in sehr fein-
fühlender Weise analysiert. Einen Höhenpunkt des ganzen
Buches bildet die Schilderung der Plastik der Deutschhaus-
kirche (leider noch immer Militärmagazin!!). Bezüglich der
Architektur bekennt der Verfasser, daß die auch schon von
anderen festgestellte nahe Verwandtschaft mit der Wimp-
fener Stiftskirche unverkennbar sei für die Ostpartie, für
die übrigen Teile der Deutschhauskirche nimmt er den
Einfluß von Oppenheim an. Ich glaube nicht, daß Pinders
Ausführungen hier gerade von zwingender Beweiskraft
sind, aber wertvoll sind seine Deduktionen auf jeden Fall
für die Beurteilung der Stellung der Würzburger Deutsch-
hauskirche in der Geschichte der Gotik. An den Schluß-
 
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