Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0192

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
361

Ausstellungen

362

nach Ausdruck geht er sowohl in den Porträts wie in den
Straßenszenen oft bis an die Grenze der Karikatur. Aber
man muß sich hüten, einen so strengen Willen, inneres
Leben monumental zu gestalten, mit Karikaturistenabsicht
zu verwechseln. Daß Bolz kein Karikaturist sein kann,
beweisen seine Zeichnungen, die viel schwächer sind. Erst
in der Farbe lebt er wie im eigensten Element. Sein
Kolorit ist ungemein rein, hell und farbenreich; es lebt in
ihm eine ganz eigene Poesie, die über alle gewollten
Übertreibungen hinweg seine Bilder selbständig und ge-
schmackvoll erscheinen läßt.

Walter Boetticher hat in seiner Natur einiges, das
L. v. Hof mann verwandt ist, aber zu neuen Zielen weist;
besonders in seinen schönen Aktstudien tritt es hervor.
Seine Malerei ist weich, farbig, voll Stimmungswerten,
noch ganz in der Entwicklung zur Fläche und Starkfarbig-
keit begriffen; seine Phantasie neigt zu figürlichen Kom-
positionen von der Art Noldes und Amiets. Emil Nolde
selbst war dann nur mit einigen graphischen Blättern ver-
treten. Er schlägt namentlich in der Radierung besondere
Wege ein, die ihn zu einer gewaltigen Auffassung des
Hamburger Hafens und zu innerlich tiefen Interpretationen
altbiblischer Stoffe führen. Auf der andern Seite stehen
dann zart behandelte und formenschöne Akt- und Bildnis-
radierungen; und so reich wie seine graphische Ausdrucks-
skala ist auch sein Vermögen, die Dinge in neuer geheim-
nisvoller Deutung zu zeigen. Man mißversteht Nolde
gründlich, wenn man in ihm einen wilden Draufgänger
und Experimentator sieht; er gehört viel mehr zu den
Träumern und tiefinnerlichen Auslegern deutscher Art, was
zum wenigsten in seiner Graphik rein in Erscheinung tritt.

Max Pechsleins Kunst, und seine Graphik ebenso wie
seine Malerei, schwelgt in nimmermüdem Umformen der
Natur. Doch ist ihm der Begriff der Natur, wie allen
bedeutenderen »Expressionisten«, sehr weit gefaßt: bilden
auch gebräunte Akte im Freien sein Lieblingsthema, das
ihn gleichermaßen um des schönen farbigen Klanges von
Rotbraun auf Grün und Blau wie der mannigfachen Be-
wegungen willen anzieht, so wird ihm doch alles zum Bilde,
zur Skizze, was ihm begegnet, im Varitete wie am Meeres-
strand, im Haus wie auf der Straße. Für ihn gibt es nichts
Alltägliches; alle Erscheinungen offenbaren ihm eine Seite,
in der sie künstlerisch wirken. Daher beruht ein großer
Teil von dem Reiz seiner Arbeiten, selbst der Gemälde,
in der Unmittelbarkeit und Frische, mit der das Augen-
erlebnis seinen Niederschlag darin gefunden hat.

Der Kunstgewerbeverein stellte gleichzeitig eine von
Osthaus für das Deutsche Museum in Hagen zusammen-
gebrachte Sammlung exotischer Flechtarbeiten und die
treffliche Z?wcAÄ«/zs/-Kollektion des Leipziger Buchgewerbe-
museums aus. Die Flechtarbeiten, aus dem Süden, Mexiko,
Java, Somali und andern Ländern hatten die Selbstver-
ständlichkeit der Natur in ihren Formen und Mustern. Am
interessantesten aber war die Wanderausstellung des
Hagener Deutschen Museums »Glasmalerei und Glas-
mosaik', von den Firmen G. Heinersdorff und Puhl & Wagner
bestritten. Hier erleben wir in Wahrheit eine Auferstehung
alter Kunstgewerbezweige in moderner Form. Denn die
Prinzipien des mittelalterlichen Mosaiks und besonders des
Glasfensters, das Flächenhafte, Wandschmückende, werden
nach langer Zeit der perspektivischen Stilverirrung wieder
zu Ehren gebracht. Es sind vor allem Entwürfe expressio-
nistischer Maler, die eine neue Schönheit des Glasfensters
bringen: Pechstein, Bengen, Cesar Klein; daneben Thorn-
Prikker, A. Unger, Lehmann-Steglitz. Ihre glänzenden und
feurigen Farben schließen sich zu strengen flächenhaften
Gebilden zusammen, die nur mit gotischen Fenstern Ver-
wandtschaft haben, naturalistische Mittel verwerfen. Am

vollendetsten ist darin Pechstein, er kommt den mittelalter-
lichen Arbeiten an monumentaler Schönheit am nächsten.

p. F. s.

Die Kommission der Berliner Jubiläums-Kunst-
ausstellung 1913 ist mit Rücksicht auf die besonderen
Vorbereitungen, die getroffen werden sollen, schon jetzt
zusammengetreten. Professor Friedrich Kallmorgen wurde
zum Präsidenten der Ausstellung gewählt. Zu seinem
Stellvertreter wurde Prof. Rudolf Schulte im Hofe bestimmt.
Schriftführer sind Maler Leonhard Sandrock und Bildhauer
Prof. Hermann Hosaeus. Ferner gehören der Kommission
von Akademiemitgliedern an die Maler Prof. Otto H. Engel,
Prof. Hans Herrmann, Prof. Konrad Kiesel und Prof. Hugo
Vogel, die Bildhauer Prof. Walter Schott und Konstantin
Starck, der Architekt Geh. Baurat Dr.-Ing. Otto March und
der Graphiker Prof. Hans Meyer. Der Verein Berliner
Künstler stellte für die Kommission noch die Maler Prof.
Karl Langhammer, Prof. Hans Looschen und den jetzigen
Ausstellungspräsidenten Max Schlichting, die Bildhauer
Artur Lewin-Funcke, Georges Morin und Prof. Max Unger,
den Architekten Wilhelm Brurein und den Graphiker Karl
Kappstein.

Nürnberg. Der Albrecht Dürer-Verein hat inzwischen
seine auf Anregung des Konservators Dr. F. T. Schulz ver-
anstaltete, in diesen Blättern schon erwähnte Ausstellung
von Kunstwerken aus Nürnberger Privatbesitz er-
öffnet. Die ausgestellten Werke gehören dem Ende des
achtzehnten, dem neunzehnten und dem Anfang unseres
Jahrhunderts an. Unter den älteren Schöpfungen fesseln
namentlich einige der ein wenig nüchternen, tüchtigen
bürgerlichen Nürnberger Lokalkunst aus der ersten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts. Wir finden da z. B. ein
paar amüsante, in ihrem biedermeierlichen Humor von
ferne an Hasenclever gemahnende Genrebildchen des
wackeren Joh. Andreas Engelhart (1802—58), ein gut be-
obachtetes Stallinterieur des wirklichkeitsfrohen, in der von
Chodowiecki gewiesenen und dann von Gottfried Schadow,
Krüger, Albrecht Adam und anderen Realisten aufgenom-
menen Richtung arbeitendenJohann Adam Klein, ein delikates,
auf die Malkultur des Rokoko zurückweisendes Damen-
bildnis (1803) von Heinrich Hessel und ein wirkungsvoll arran-
giertes, von sicherem Geschmack und gesunder, handwerk-
licher Tradition zeugendes Porträt eines vornehm drein-
schauenden jungen Herrn (1829) des einst als Autor rühr-
seliger Genrebilder sehr beliebten/. F. K Kreut (1804—67).
— Im denkbar größten Gegensatz zu der kleinbürgerlichen
Enge dieser Kunst steht die edle Freiheit und Größe, die in
den beiden interessanten Jugendarbeiten des mit Nürnberg
durch mancherlei Beziehungen verknüpften Anselm Feuer-
bach sich ankündigt. Das 1851 in Antwerpen unter dem un-
mittelbaren Einfluß des damals Aufsehen erregenden Kolo-
rismusderGallaitundBiefve entstandene, nur wenig bekannte
Bild »Junge Hexe auf dem Wege zum Scheiterhaufen«
mutet zwar noch etwas absichtlich und ateliermäßig kom-
poniert an, entbehrt aber der koloristischen Feinheiten
nicht und läßt einen leidenschaftlichen Willen zu groß-
zügiger Naturauffassung erkennen. Eine Zeitlang hing es
als »Jungfrau von Orleans« in Frankreich im Hause eines
gut national gesinnten Franzosen. Die von dem später
mit seiner Schöpfung unzufriedenen Künstler zugestrichene
Signatur kam, wie Allgeyer in seiner Feuerbachbiographie
berichtet, bei einer in den neunziger Jahren vorgenommenen
Reinigung des Gemäldes wieder zum Vorschein . . . Der vor-
züglich gemalte weibliche Studienkopf von 1853 ist wohl
im Atelier Thomas Contures gearbeitet. — Gleich
Feuerbach hatte Karl Spitzweg der zeitgenössischen fran-
zösischen Kunst manchen technischen Gewinn zu danken.
 
Annotationen