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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0238

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Ausstellungen

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in den Fällen der Veräußerung, Vernichtung und Ver-
änderung, gleichviel, ob Gebäude oder mit Gebäuden fest
verbundene oder bewegliche Gegenstände in Betracht
kommen, und gleichviel, ob die Gebäude oder Gegenstände
im Inventar der Baudenkmäler aufgeführt sind oder nicht.
Es wird empfohlen, bei allen einschlägigen Verwaltungs-
maßnahmen möglichst frühzeitig, in der Regel durch Ver-
mittelung der zuständigen Aufsichtsbehörde, sich einer
gutachtlichen Beratung durch den Provinzialkonservator zu
bedienen. Der sachverständige Rat des Provinzialkonser-
vators steht auch privaten Besitzern von Denkmalswerten
in gleichem Maße wie den Behörden und öffentlichen
Körperschaften zur Verfügung.«

Venedig. Seit Monaten war die nördliche Ecke der
Markuskirche unter Gerüsten verhüllt. Während der Fest-
tage bei Einweihung des Campanile hat der die Restaura-
tionsarbeiten leitende Architekt Marangoni die Ecke frei-
legen lassen, um auf einige Tage den Sachverständigen
und der Bevölkerung Rechnung abzulegen über das was
geleistet worden ist, und zugleich in welch gefahrdrohendem
Zustand diese ganze Ecke sich befand. Man blickte bis
in die Tiefe, wo der Sockel, der die einzige Säule trug,
auf völlig verfaulten Pfählen wie durch ein Wunder noch
ruhte. Die Säule selbst, die so lange den ganzen oberen
Teil des Baues getragen hatte, war nun herausgenommen.
Ein elegant gearbeitetes Balkengerüst war an ihre Stelle ge-
treten. Nach Entfernung aller Marmorinkrustation zeigte sich
dieser ganze Teil des Backsteinbaus in seiner ursprüng-
lichen Form mit seinem Nischenwerk, ohne jede Zierde. Man
bemerkte, wie rings in der Tiefe um den gefährlichen Sockel
herum eine Menge nur eingerammter Pfähle ihre Köpfe
zeigten und so den Seitenschub unmöglich machen. Nach
Vollendung aller Maurerarbeiten soll auch die unter dem
die ganze Ecke krönenden Baldachin befindliche Glocke
ihr Schlagwerk wieder erhalten. Es ist die sog. Glocke
des hl. Alipio. — Mit Freuden kann mitgeteilt werden, daß
das ganze Innere der Frarikirche nun freigelegt und die
Restauration im Innern als beendet zu betrachten ist. Der
Leiter der Arbeiten, Baumeister Ongaro, hat Wort gehalten:
am Tage des hl. Markus sollte das Gotteshaus wieder in
seiner ganzen Pracht erstrahlen. Sämtliche Altargemälde
wurden nun aus S. Torna herübergeholt und kommen nun
besser als je zur Wirkung, da der ganzen Kirche durch das
Wiederöffnen einer ganzen Anzahl vermauerter Fenster
eine Menge Licht zugeführt wurde. Dies gilt besonders
für Bellinis schönes Altarbild in der Sakristei, dem erst
jetzt jenes Licht wiedergegeben wird, das es zu Zeiten
Bellinis hatte. Der Kreuzweg von Tiepolo fand ringsum
an den Wänden seine Aufstellung. In der Cappella Cornaro,
die zum Magazin herabgesunken war, sind nun die schönen
Glasgemälde, dem Vivarini zugeschrieben, zu bewundern,
vervollständigt durch stilvolle neue Zutaten. Da wir hier
nur ein einziges großes Olasgemälde haben (in S. Giov.
e Paolo), sind diese nun wieder sichtbaren Fenster ein um
so schönerer Besitz. Das wundervolle Chorgestühl soll
in nächster Zeit auch einer durchgreifenden Restauration
unterzogen werden. a. Wolf.

AUSSTELLUNGEN
Der Salon der Artistes francais. Wenn man in
diesem Jahre in Paris sonst nichts von Kunst zu sehen
bekäme, als was uns in den drei großen Ausstellungen
der Unabhängigen, der Societe nationale und der Artistes
francais gezeigt wird, dann könnte man wahrhaftig in
Versuchung geraten, von der Dekadenz zu sprechen, die
sich von der französischen Industrie, dem Handel und der
Schiffahrt nun auch auf die bildende Kunst ausgedehnt hätte.
So leer und inhaltlos, so platt und banal wie in diesem

Jahre die drei großen Frühjahrsausstellungen sind die Pariser
Salons schon lange nicht mehr gewesen. Immer gab es
doch in einem von den dreien irgend etwas Interessantes
zu sehen, und wenn zwei versagten, konnte man sich mit
dem dritten trösten. In diesem Jahre aber findet man
nirgends Trost. Nachdem ich kürzlich über die Societe
nationale geschrieben habe, daß ihr heuer die Kon-
kurrenz der Artistes francais leichtlich den Rang ablaufen
könne, bin ich jetzt zum Vergleiche nach gründlichem Be- •
suche des Salons der Artistes francais noch einmal zu der
Nachbarin gegangen, und jetzt will es mir wahrlich fast
bedünken, als ob die Nationale doch immer noch besser
sei als die ältere Gesellschaft. Aber vermutlich kommt
mir das nur darum so vor, weil es wirklich wahr ist,
was der alte Degas zu sagen pflegt: II y en a plus, donc
c'est plus mauvais. Bei gleich schlechter Qualität kommt
einem diejenige Ausstellung am schlechtesten vor, wo die
Quantität am größten ist.

Bei den Artistes francais müßte man heuer, wenn über-
haupt absolut darüber geschrieben werden müßte, wovon
ich die Notwendigkeit eigentlich nicht einsehe, weit mehr
vom dargestellten Gegenstande als von der künstlerischen
Ausdrucksweise sprechen, denn das Was und nicht das
Wie ist ohne jeden Zweifel bei weitem die Hauptsache.
Und da wäre dann zu allererst zu konstatieren, daß die
fröhlichen Zeiten der Soldatenmalerei, die man glücklich
überwunden glaubte, eine laute Auferstehung zu feiern sich
anschicken. Daraus kann man lernen, daß die Malerei
doch im engen Zusammenhang mit der Tagesgeschichte
steht, und daß man aus den Salons beinahe ebensogut er-
fahren kann, was in den Gemütern vorgeht, wie aus den
Zeitungen. Denn seit einem guten halben Jahre schwelgen
die Franzosen freilich in einer fröhlichen Hurrastimmung,
und die armen Soldatenmaler, denen es seit fünfzehn Jahren
recht schlecht gegangen war, haben sich eiligst auf diesen
Rettungsschimmer geworfen und suchen das patriotische
und militärische Eisen zu schmieden, solange es warm ist.
Im heurigen Salon könnte ein Historiker der Strategie und
des Krieges Material genug finden, um ein Werk über die
Kriegskunst von Adams Zeiten bis zur Gegenwart und
sogar darüber hinaus zu illustrieren. Darüber hinaus, denn
auch Zukunftschlachten sind ausgestellt, worauf man die
Tod und Verderben speienden Aeroplane ihr Würgerwerk
verrichten sieht. Detaille ist immer noch auf dem Plan und
läßt seine Reiter des ersten Kaiserreiches in historisch
getreuen Uniformen den Feind zu Fetzelchen zerhauen.
Sein jüngerer Nebenbuhler Georges Scott, dessen Name
einen Urgallier verrät, tut es dem Meister nach und bringt
gleich alle französischen Uniformen von den Kreuzfahrern
bis zu Mars-la-Tour auf ein Bild, alles auf wilden Gäulen
dem Tode und dem Ruhme entgegenreitend. Dann sieht
man die ganze elsässische Bevölkerung, Jüngling, Mann
und Jubelgreis, Wickelkind und Urgroßmutter, wie sie an
der Grenze den französischen Luftschiffen zujauchzen.
Anderswo erscheint dem im Wasgenwald lauschenden fran-
zösischen Posten die Idealgestalt derAlsatia mit ihrer Bänder-
haube, und einige hundert schöne Anekdoten aus der fran-
zösischen Kriegsgeschichte der letzten tausend oder mehr
Jahre dienen dem Besucher der Ausstellung als ebensoviele
patriotische Lektionen. Seit zwanzig Jahren hat es nicht
so viele patriotische und militärische Bilder im Salon ge-
geben, und daß das gerade kein Gewinn für die Kunst an
sich ist, hat Böcklin dereinst ausgesprochen, als er meinte, der
Soldatenmaler dürfte seine Farben nicht setzen Wiedas Kunst-
werk es verlange, sondern wie die Uniform es vorschreibe,
also daß nicht das malerische Bewußtsein, sondern die
militärische Kleiderordnung verantwortlich für das Bild sei.

In der Plastik spielt die Farbe keine Rolle, und hier
 
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