487
Ausgrabungen — Ausstellungen
488
AUSGRABUNGEN
Die französischen Ausgrabungen von Thasos.
Die französische Schule zu Athen, der wir die wundervollen
Ausgrabungen von Delos und Delphi verdanken, hat auch
mit Glück zum ersten Male systematische Ausgrabungen
auf Thasos unternommen, nachdem durch mannigfache
vorhergegangene Ausgrabungen der Engländer und Türken
der Reichtum der Insel an Resten des Altertums konstatiert
war. Charles Dugas berichtet über die französischen Er-
folge auf Thasos in einem der letzten Bulletins de 1' Art
Ancien et Moderne: Die alte Stadt lag im nördlichen Teil
von Thasos gegenüber von Cavalla und der Küste Maze-
doniens. Das griechische Dorf Limenas bedeckt heute
einen kleinen Teil der alten Stadt. Die französischen
Archäologen konnten natürlich nicht daran denken, die
ganze Area der alten Stadt auszuräumen, die viel zu weit
hingestreckt und außerdem sowohl von Bauten als Kulturen
bedeckt ist; sie versuchten nur einige Punkte zu erforschen,
um die Topographie und die Geschichte von Thasos auf-
zuhellen. Dank ihren Arbeilen hat man bereits wichtige
Resultate erreicht. — Die französische Expedition unter
Leitung von Charles Picard hat den großen Tempel, die
Stadtmauer und den Triumphbogen in erster Linie unter-
sucht. Der auf einem Hügel nächst der Akropolis im
Süden der Stadt erbaute große Tempel ist leider vollständig
ruiniert und man hat nur seine Fundamente in loco ge-
funden. Von dem Gebäude selbst liegen nur einige Blöcke
und merkwürdige Teile eines Terrakottasimses herum, das
mit Lotosdekorationen bemalt ist. Man erkannte, daß es
ein Apollotempel aus dem sechsten Jahrhundert war, der
auf einer hohen, Stadt und Hafen beherrschenden Terrasse
stand. Auf der Terrasse hat man außerdem die Überreste
eines gewaltigen, sich vor dem Heiligtum erhebenden
Altars, interessante archaische Skulpturstücke und zahlreiche
Terrakotten gefunden, die zusammen einen Begriff von der
archaischen Plastik von Thasos geben. Die Mehrzahl der
Terrakottastatuetten sind von dem Typ der jonischen
Branchiden, während die Skulpturüberreste sich der ele-
ganteren Kunst von Chios und der Inseln nähern. Es
handelt sich dabei um archaische Apollos und ein Relief
von sehr feiner Ausführung, das zwei Frauen, die sich mit
Tauben in der Hand einer sitzenden Göttin nähern, dar-
stellt. Man darf also annehmen, daß Thasos anfangs dem
jonischen Einfluß, erst später dem insularen unterworfen
war. — Die Ausgrabungen der Stadtmauern konnten natür-
lich an Kunstwerken nicht fruchtbar sein. Der Mauerzug
war schon vorher bestimmt worden, so daß man sich haupt-
sächlich der Ausgrabung der Tore widmen konnte, von
denen mehrere ausgeräumt wurden und bemerkenswerte
Anlagen zeigten. Außerdem hat man bei einer Nekropole
des vierten und dritten Jahrhunderts, die in der Nähe eines
Tores lag, zahlreiche Inschriften gefunden. Im Innern
eines anderen Tores trat ein großes Relief mit Darstellung
eines pferdegeschwänzten Silens mit einem Kantharos in
der Hand von archaisch-jonischem Typus zutage, welcher
Fund ebenfalls von Wichtigkeit für die Geschichte der
jonischen Einflüsse auf das Gebiet von Thasos ist. —
Endlich hat man Arbeiten an den von der Stadt Thasos
dem KaiserCaracalla geweihtenTriumphbogen unternommen,
der zwar schon längst bekannt, aber noch nicht systematisch
untersucht worden war. Er konnte vollständig freigelegt
werden und zeigt sich jetzt als ein schönes Denkmal der
römischen Architektur mit reichem Ornamentenschmuck.
In seiner Nähe wurden eine große Gewandfigur und einige
Inschriften gefunden. — Die Ausgrabungen Picards tragen
somit in wichtiger Weise zur Erkenntnis der verschiedensten
Perioden der thasischen Geschichte, der archaischen, der
klassischen und der römischen bei. Die im Jahre 1911 '
begonnenen Untersuchungen werden zurzeit fortgesetzt
und scheinen ebenfalls für die Topographie und das Leben
der antiken Stadt Thasos wichtige Resultate zu bringen. —
In dem eben erschienenen Heft I des XXVII. Bandes des
Jahrbuchs des Kaiserlich deutschen archäologischen Instituts
berichtet jetzt Th. Macridy über die 1909 zu Limenas ge-
machten Statuenfunde und die daraufhin von dem Kaiser-
lich ottomanischen Museum gemachten Ausgrabungen, bei
denen ein stark zerstörtes Heiligtum der Artemis Polo
aufgedeckt wurde. Fünf weibliche bekleidete Statuen sind
gute, teilweise sehr gute, früh- und späthellenistische Ar-
beiten; eine ist aus der Römerzeit. Außerdem wurden
Inschriften und Balustradenteile von Macridy damals ge-
funden. M.
AUSSTELLUNGEN
X Der Versuch, zwischen den Veranstaltern der Großen
Berliner Kunstausstellung und der Berliner Sezes-
sion eine Einigung zu erzielen, um im nächsten Sommer
eine große nationale Ausstellung zur Feier des fünfund-
zwanzigjährigen Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II.
zustande zu bringen, ist gescheitert. Akademie und Künstler-
verein wollten, wie an dieser Stelle bereits vor längerer Zeit
mitgeteilt worden, der Berliner Sezession wie ihren weiteren
deutschen sezessionistischen Schwestervereinigungen eigene
Säle mit eigner Jury zur Verfügung stellen. Die Sezession
aber verlangte, nicht nur als eine moderne Dekoration der
Jubiläumsausstellung zu figurieren und ebenso »eingeladene
zu werden wie andere einzelne Gruppen von Zeit zu Zeit,
sondern, entsprechend ihrer Bedeutung im Berliner Kunst-
leben, an der Leitung des ganzen Unternehmens beteiligt,
jenen andern beiden Körperschaften (Akademie und Verein)
gleichgestellt zu werden. Auf dieser Basis wollte sie sich
gern beteiligen und auch die übrigen modernen Vereini-
gungen Deutschlands unter ihrer Führung zur Beschickung
der Ausstellung veranlassen. Dazu jedoch hätte es einer
Umgestaltung der Statuten der Großen Berliner Kunstaus-
stellungen bedurft, und dazu konnte man sich nicht ver-
stehen. Diese »Statuten« stellen sich je länger je mehr
als ein wahres Kreuz für die Moabiter Organisation heraus.
Sie verhindern jede notwendige Reform und unterbinden
jede Möglichkeit einer freieren Bewegung. Aber man
kann sich nicht entschließen, sie zu revidieren. Diesmal
hätte man dazu die schönste Gelegenheit gehabt — man
hat sie wieder einmal verpaßt. So zog sich denn die Se-
zession zurück, und die verwandten, gleich ihr dem deutschen
Künstlerbunde angehörigen Vereinigungen schlössen sich
ihr an.
O Der illustrierte, mit 65 Abbildungen versehene Katalog
der Internationalen Sonderbund-Ausstellung in Köln,
über die demnächst die »Zeitschrift für bildende Kunst«
ausführlich berichten wird, ist soeben erschienen. — Seit
der Eröffnung am 27. Mai sind verkauft worden: Von
Skulpturen: Georges Minne »Der Redner« und »Betende
Frau«, Bernhard Hoetger »Stehende Frau mit Vogel« und
»Die Milde«, Wilhelm Lehmbruck »Sinnende« und ein Ge-
mälde »Drei Frauen«. Von Gemälden: Paul Gauguin
»Stilleben mit jungen Hunden«, Karl Hofer »Im Garten«,
Edouard Vuillard »Frau bei der Toilette«, Georges Braque
»Antwerpen«, »Bäume«, »Der Viadukt« und »Oliven«,
Pablo Picasso »Die Armen am Meer«, Andre" De'rain »Ser-
bonne«, Maurice de Vlaminck »Chanton«, Erich Heckel »Bei
Blankenese« und »Das Fasanenschlößchen«, Max Pechstein
»Sommer«, E. L. Kirchner »Landschaft«, Robert Genin
»Angst«, F. A. Weinzheimer »Zwei Akte«, Fanz Marc
»Ruhende Kühe«, Else Saalmann »Baum mit Affen«, »Tan-
zende Zwerge«, »Waldritt«. — Die Ausstellung, die sich in
der neuerrichteten Kunstausstellungshalle der Stadt Köln
Ausgrabungen — Ausstellungen
488
AUSGRABUNGEN
Die französischen Ausgrabungen von Thasos.
Die französische Schule zu Athen, der wir die wundervollen
Ausgrabungen von Delos und Delphi verdanken, hat auch
mit Glück zum ersten Male systematische Ausgrabungen
auf Thasos unternommen, nachdem durch mannigfache
vorhergegangene Ausgrabungen der Engländer und Türken
der Reichtum der Insel an Resten des Altertums konstatiert
war. Charles Dugas berichtet über die französischen Er-
folge auf Thasos in einem der letzten Bulletins de 1' Art
Ancien et Moderne: Die alte Stadt lag im nördlichen Teil
von Thasos gegenüber von Cavalla und der Küste Maze-
doniens. Das griechische Dorf Limenas bedeckt heute
einen kleinen Teil der alten Stadt. Die französischen
Archäologen konnten natürlich nicht daran denken, die
ganze Area der alten Stadt auszuräumen, die viel zu weit
hingestreckt und außerdem sowohl von Bauten als Kulturen
bedeckt ist; sie versuchten nur einige Punkte zu erforschen,
um die Topographie und die Geschichte von Thasos auf-
zuhellen. Dank ihren Arbeilen hat man bereits wichtige
Resultate erreicht. — Die französische Expedition unter
Leitung von Charles Picard hat den großen Tempel, die
Stadtmauer und den Triumphbogen in erster Linie unter-
sucht. Der auf einem Hügel nächst der Akropolis im
Süden der Stadt erbaute große Tempel ist leider vollständig
ruiniert und man hat nur seine Fundamente in loco ge-
funden. Von dem Gebäude selbst liegen nur einige Blöcke
und merkwürdige Teile eines Terrakottasimses herum, das
mit Lotosdekorationen bemalt ist. Man erkannte, daß es
ein Apollotempel aus dem sechsten Jahrhundert war, der
auf einer hohen, Stadt und Hafen beherrschenden Terrasse
stand. Auf der Terrasse hat man außerdem die Überreste
eines gewaltigen, sich vor dem Heiligtum erhebenden
Altars, interessante archaische Skulpturstücke und zahlreiche
Terrakotten gefunden, die zusammen einen Begriff von der
archaischen Plastik von Thasos geben. Die Mehrzahl der
Terrakottastatuetten sind von dem Typ der jonischen
Branchiden, während die Skulpturüberreste sich der ele-
ganteren Kunst von Chios und der Inseln nähern. Es
handelt sich dabei um archaische Apollos und ein Relief
von sehr feiner Ausführung, das zwei Frauen, die sich mit
Tauben in der Hand einer sitzenden Göttin nähern, dar-
stellt. Man darf also annehmen, daß Thasos anfangs dem
jonischen Einfluß, erst später dem insularen unterworfen
war. — Die Ausgrabungen der Stadtmauern konnten natür-
lich an Kunstwerken nicht fruchtbar sein. Der Mauerzug
war schon vorher bestimmt worden, so daß man sich haupt-
sächlich der Ausgrabung der Tore widmen konnte, von
denen mehrere ausgeräumt wurden und bemerkenswerte
Anlagen zeigten. Außerdem hat man bei einer Nekropole
des vierten und dritten Jahrhunderts, die in der Nähe eines
Tores lag, zahlreiche Inschriften gefunden. Im Innern
eines anderen Tores trat ein großes Relief mit Darstellung
eines pferdegeschwänzten Silens mit einem Kantharos in
der Hand von archaisch-jonischem Typus zutage, welcher
Fund ebenfalls von Wichtigkeit für die Geschichte der
jonischen Einflüsse auf das Gebiet von Thasos ist. —
Endlich hat man Arbeiten an den von der Stadt Thasos
dem KaiserCaracalla geweihtenTriumphbogen unternommen,
der zwar schon längst bekannt, aber noch nicht systematisch
untersucht worden war. Er konnte vollständig freigelegt
werden und zeigt sich jetzt als ein schönes Denkmal der
römischen Architektur mit reichem Ornamentenschmuck.
In seiner Nähe wurden eine große Gewandfigur und einige
Inschriften gefunden. — Die Ausgrabungen Picards tragen
somit in wichtiger Weise zur Erkenntnis der verschiedensten
Perioden der thasischen Geschichte, der archaischen, der
klassischen und der römischen bei. Die im Jahre 1911 '
begonnenen Untersuchungen werden zurzeit fortgesetzt
und scheinen ebenfalls für die Topographie und das Leben
der antiken Stadt Thasos wichtige Resultate zu bringen. —
In dem eben erschienenen Heft I des XXVII. Bandes des
Jahrbuchs des Kaiserlich deutschen archäologischen Instituts
berichtet jetzt Th. Macridy über die 1909 zu Limenas ge-
machten Statuenfunde und die daraufhin von dem Kaiser-
lich ottomanischen Museum gemachten Ausgrabungen, bei
denen ein stark zerstörtes Heiligtum der Artemis Polo
aufgedeckt wurde. Fünf weibliche bekleidete Statuen sind
gute, teilweise sehr gute, früh- und späthellenistische Ar-
beiten; eine ist aus der Römerzeit. Außerdem wurden
Inschriften und Balustradenteile von Macridy damals ge-
funden. M.
AUSSTELLUNGEN
X Der Versuch, zwischen den Veranstaltern der Großen
Berliner Kunstausstellung und der Berliner Sezes-
sion eine Einigung zu erzielen, um im nächsten Sommer
eine große nationale Ausstellung zur Feier des fünfund-
zwanzigjährigen Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II.
zustande zu bringen, ist gescheitert. Akademie und Künstler-
verein wollten, wie an dieser Stelle bereits vor längerer Zeit
mitgeteilt worden, der Berliner Sezession wie ihren weiteren
deutschen sezessionistischen Schwestervereinigungen eigene
Säle mit eigner Jury zur Verfügung stellen. Die Sezession
aber verlangte, nicht nur als eine moderne Dekoration der
Jubiläumsausstellung zu figurieren und ebenso »eingeladene
zu werden wie andere einzelne Gruppen von Zeit zu Zeit,
sondern, entsprechend ihrer Bedeutung im Berliner Kunst-
leben, an der Leitung des ganzen Unternehmens beteiligt,
jenen andern beiden Körperschaften (Akademie und Verein)
gleichgestellt zu werden. Auf dieser Basis wollte sie sich
gern beteiligen und auch die übrigen modernen Vereini-
gungen Deutschlands unter ihrer Führung zur Beschickung
der Ausstellung veranlassen. Dazu jedoch hätte es einer
Umgestaltung der Statuten der Großen Berliner Kunstaus-
stellungen bedurft, und dazu konnte man sich nicht ver-
stehen. Diese »Statuten« stellen sich je länger je mehr
als ein wahres Kreuz für die Moabiter Organisation heraus.
Sie verhindern jede notwendige Reform und unterbinden
jede Möglichkeit einer freieren Bewegung. Aber man
kann sich nicht entschließen, sie zu revidieren. Diesmal
hätte man dazu die schönste Gelegenheit gehabt — man
hat sie wieder einmal verpaßt. So zog sich denn die Se-
zession zurück, und die verwandten, gleich ihr dem deutschen
Künstlerbunde angehörigen Vereinigungen schlössen sich
ihr an.
O Der illustrierte, mit 65 Abbildungen versehene Katalog
der Internationalen Sonderbund-Ausstellung in Köln,
über die demnächst die »Zeitschrift für bildende Kunst«
ausführlich berichten wird, ist soeben erschienen. — Seit
der Eröffnung am 27. Mai sind verkauft worden: Von
Skulpturen: Georges Minne »Der Redner« und »Betende
Frau«, Bernhard Hoetger »Stehende Frau mit Vogel« und
»Die Milde«, Wilhelm Lehmbruck »Sinnende« und ein Ge-
mälde »Drei Frauen«. Von Gemälden: Paul Gauguin
»Stilleben mit jungen Hunden«, Karl Hofer »Im Garten«,
Edouard Vuillard »Frau bei der Toilette«, Georges Braque
»Antwerpen«, »Bäume«, »Der Viadukt« und »Oliven«,
Pablo Picasso »Die Armen am Meer«, Andre" De'rain »Ser-
bonne«, Maurice de Vlaminck »Chanton«, Erich Heckel »Bei
Blankenese« und »Das Fasanenschlößchen«, Max Pechstein
»Sommer«, E. L. Kirchner »Landschaft«, Robert Genin
»Angst«, F. A. Weinzheimer »Zwei Akte«, Fanz Marc
»Ruhende Kühe«, Else Saalmann »Baum mit Affen«, »Tan-
zende Zwerge«, »Waldritt«. — Die Ausstellung, die sich in
der neuerrichteten Kunstausstellungshalle der Stadt Köln