Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

DOI Artikel:
Römischer Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0268

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
acao. Lesen.

13.JUL1912

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

«MMR«

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Hospitalstraße IIa
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 33. 12. Juli 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Hospitalstraße IIa. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

-= Die nächste Nummer der Kunstchronik, Nr. 34, erscheint am 26. Juli "

RÖMISCHER BRIEF

Nach und nach erneuern und vergrößern sich in
Rom und in ganz Italien die staatlichen und städtischen
Galerien und bald werden die unwirtlichen, kahlen
Räume, in denen früher Kunst- und Altertumsgegenstände
so oft aufgespeichert wurden, zu den vielen Dingen
gehören, von denen Italien sich in seiner modernen
Entwicklung befreit. Während das Thermenmuseum,
die Nationalgalerie alter Kunst im Palazzo Corsini,
die borghesische und die vatikatinische Pinakothek
sich bereits vollkommen umänderten, blieb das etrus-
kische und lateinische Museum von Villa Oiulia vor
Porta del Popolo wie vergessen.

Wenig besucht, in dem schönen, alten aber etwas
baufälligen Casino di Papa Oiulio III., weit draußen,
fast am Ende einer unschönen Vorstadt, schien das
Museum so wirklich auf dem Wege, das bleiben zu
wollen, was die Museen einst in Italien waren. Dieser
sozusagen kulturhistorische Standpunkt in bezug auf
die Museologie konnte aber dem neuen tätigen Direktor
des Museums, Professor Giuseppe Colini, durchaus
nicht behagen, und so hat er sich seit einigen Jahren
mit seinen zwei Hilfsarbeitern, Dr. Alessandro Deila
Seta und Dr. Frl. Lucia Morpurgo an die Neuordnung
der Sammlungen gemacht, und es war ihm auch ge-
lungen, die Mittel zur Vergrößerung zu bekommen.
Wie ich schon vor Jahren in der Kunstchronik schrieb,
gab den Anlaß zur Regulierung der Örtlichkeit um
Villa Giulia die große Arbeit, die man unternahm,
um in der Valle Giulia, also zwischen der alten Villa
Julius III. und der Villa Borghese, den Platz für die
internationale Kunstausstellung, die im vergangenen
Jahre hier stattfand, zu schaffen. Es war nicht mehr
möglich, die Villa des kunstliebenden Papstes, die
einst mit ihren Anlagen fere omnes colles qui ab urbe
ad pontem Milvium protenduntur angenommen hatte,
zwischen großen Heu- und Strohmagazinen eingebaut
zu lassen und so fielen diese häßlichen Schuppen,
welche den schönen Cinquecento-Bau beengten und
verunstalteten. Es ist schwer zu sagen, ob Papst
Julius III., dem sein neues Landhaus so behagte, daß er
eines Tages einem Kämmerer, der ihn fragte: Beatissime
Pater erit cras consistorium? lachend antwortete: cras
erit vinea, die verschiedenen Sachen zusagen würden,
die sein Haus jetzt beherbergt; aber zweifellos würden
die kostbaren Terrakotten, die jetzt in vielen Sälen
aufgestellt sind, vor seinen Augen Gnade finden.

Nachdem die dekorativen Fresken und die Stucchi
der Hallen und Säle restauriert worden waren, nach-
dem die kleine Halle, wo in Anwesenheit des Papstes
Lustspiele aufgeführt wurden, und das reizende Nym-
phäum von den häßlichen Zutaten und Anbauten be-
freit worden waren, ging Prof. Colini mit seinen Mit-
arbeitern an die Aufstellung der verschiedenartigen
Sammlungen in den alten Sälen und in den äußeren
Anbauten, die man in der letzten Zeit errichtet hat.

Ein Besuch dieses Museums erfordert auch jetzt,
wo alles organisch aufgestellt ist, daß der Besucher
nicht ganz unvorbereitet sei und sich dann die Mühe
gebe, nicht nur den ganz erhaltenen Kunstwerken
seine Aufmerksamkeit zu schenken, sondern auch die
kleinen Scherben, deren hier so viele sind, mit Liebe
zu beachten, denn die Mühe wird reichlich belohnt
sein, und die vielen ausgezeichneten Gegenstände, die
nicht nur Kunstwert haben, werden ihm recht viel
sagen aus dem intimen Leben der alten Lateiner und
Estrusker. Gleich im Vorsaal der neuen Galerien sind
große Sarkophage aufgestellt, von denen einer noch ganz
unverkennbare Darstellungen von Menschen-Opfern
trägt, während der zweite Saal den großen eichenen
Sarkophag aus Gabii und die Bronzegegenstände aus
Cagli und Ferentino enthält.

Die Terrakotten dieses Saales geben uns auch eine
klare Idee von dem eigenartigen Schmuck der drei
Tempel von Falerii (nahe bei dem heutigen Civiti-
castellana). Die farbigen Terrakotten des Merkurtempels
zeigen uns, wie oft die Dekoration des Tempels vom
sechsten Jahrhundert vor Christus bis tief in die
blühendste Römerzeit immer wieder erneuert wurde.

Aus dem alten Falerii kommen auch die Terrakotten
der Tempel des Apollo und der Juno Quiritis, worunter
ein leider etwas zerbrochener Kopf eines Apollo uns
zeigt, welche Höhe diese kunstgewerblichen Meister
zu erreichen wußten. Während dieser Kopf uns an
die hellenistische Kunst gemahnt, sind andere Terra-
kotten viel älteren Charakters, wie z. B. der Fries mit
der Darstellung eines Kampfes und die Antefixae mit
Menaden, Satyrn und Arpien.

Die Ausgrabungen des Direktors Colini bei Le-
prignano haben das Museum mit kostbaren Gegen-
ständen aus der Zeit des Eisens bereichert und zeigen
uns, wie wichtig der Plan des Direktors ist, sein ganzes
Museum als protostorisches, also als Bindeglied zwischen
den paleontologischen und den historisch-klassischen
 
Annotationen