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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Pollak, Oskar: Was wissen wir von Lor. Berninis Tätigkeit als Maler?
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0309

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Was wissen wir von Lor. Berninis Tätigkeit als Maler?

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Papst sich für ihn vorgesetzt hatte, ausführen zu können.
Urban soll schon damals geplant haben, einen großen
Altar unter der Kuppel von St. Peter errichten und
die Benediktionsloggia derselben Kirche mit Fresken
ausmalen zu lassen, beides gewaltige Aufgaben, die
er dem jungen Künstler zugedacht hatte. Bernini
zögerte nicht, dem Wunsche seines hohen Gönners
zu entsprechen und widmete sich mit größtem Eifer
dem Studium der ihm bis dahin fremd gebliebenen
Gebiete. »Durch volle zwei Jahre hindurch widmete
er sich der Malerei, d. h. der praktischen Setzung
der Farben, denn was die Zeichnung betrifft, so hatte
er diesen schwierigeren Teil der Kunst schon längst
im Verlaufe seiner großartigen Studien überwunden.
In dieser Zeit verfertigte er . . . eine ansehnliche An-
zahl von Gemälden, großen und kleinen, die gegen-
wärtig in den berühmtesten Galerien von Rom und an
anderen würdigen Stätten sich pompös präsentieren.«*)
An einer andern Stelle erzählt Baldinucci, daß man
über 150 Bilder von seiner Hand sehen könne, von
denen viele im Besitze der Häuser Barberini und
Chigi, sowie in dem seiner Söhne seien2). Sein Sohn
Domencio Bernini weiß sogar von »mehr als 200
Bildern« zu berichten8). Also an Zahl ein Oeuvre,
das selbst das so manchen fruchtbareren Malers seiner
Zeit übertrifft und das selbst bei der so stupenden
Arbeitskraft des Bildhauers und Architekten Bernini
das höchste Staunen hervorrufen muß. Bei der großen
Bedeutung, die der Künstler als Bildhauer und Architekt
für die künstlerische Entwickelung Roms und der
ganzen zivilisierten Welt im 17. Jahrhundert besitzt,
müssen wir aufs äußerste gespannt sein zu erfahren,
wie er sich zu den malerischen Problemen seiner Zeit
gestellt und ob er selbst und in welcher Weise er in
den Gang dieser Entwickelung eingegriffen hat. Sein
hohes Interesse für die Malerei steht für den, der seine
Kunst kennt, außer jedem Zweifel. Überdies berichtet
Baldinucci, er sei »der erste gewesen, der den Versuch
gemacht hat, die Architektur, Plastik und Malerei zu
einem schönen Ganzen zu vereinigen«, sowie daß
nach seiner Ansicht nur der Künstler, der zugleich
Bildhauer und Maler sei, das Höchste erreichen könne4).

Was uns Baldinucci aber von besonders hervor-
gehobenen Bildern nennt, ist recht entmutigend: es
sind nur zwei Bilder, die besonders genannt werden,
sein Selbstporträt, »das in dem so berühmten Saale
der Malerselbstbildnisse im Palaste des Großherzogs
aufbewahrt wird«6) (heute in den Uffizien, Florenz)
und das riesige Bild mit den Taten des hl. Mauritius,
das er für die Sakramentskapelle in St. Peter in Rom
malte.6) Mehr weiß uns auch sein Sohn Domenico
nicht aufzuzählen. Sein Selbstporträt (ein Brustbild
in einfacher Tracht) kann uns über die Fragen, die

1) a. a. O., S. 82.

2) a. a. O., S. 235.

3) Dom. Bernino, Vita del Cav. Oio. Lor. Bernino
(Rom 1713), p. 178.

4) Riegl, Baldinucci, S. 234.

5) a. a. O., S. 235.

6) a. a. O., S. 218/19. Abbildung bei Fraschetti,
II. Bernini (Milano 1900), p. 232.

uns hier interessieren, nur geringen Aufschluß geben.
So bleibt nur das Bild des hl. Mauritius als Aus-
gangspunkt für die Betrachtung seiner malerischen
Tätigkeit übrig. Tatsächlich hat auch Fraschetti in
seinem Werke über Bernini dieses Bild in den Mittel-
punkt seiner dahin zielenden Betrachtungen gestellt
und daraus seine Schlüsse gezogen. Es soll übrigens
gleich bemerkt werden, daß das Bild sich nicht mehr
an seinem ursprünglichen Orte befindet, sondern in
die »Galeria de' Musaici« des Vatikanischen Palastes
gekommen ist und in St. Peter durch die Mosaik-
kopie eines anderen Bildes ersetzt worden ist.

Baldinucci erklärt das Bild für ein Meisterwerk
des Künstlers, denn »vergleicht man es mit den
schönen Bildhauerarbeiten des Meisters, so bleibt sehr
zweifelhaft, ob er mehr in der Malerei oder in der
Bildhauerei seinen Namen erglänzen gemacht hat«. Am
auffallendsten bei dem Bilde ist neben seiner grellen
und bunten Farbe die streng durchgeführte Diagonale,
die von der Ecke links unten nach rechts oben wie
im Sturm fortgerissen wird, nur von der stehenden,
ruhig nach oben deutenden Figur des Kriegers in
der Mitte (S.Mauritius) wie von einer Zäsur unterbrochen.
Rechts oben ist in kühnem Wurfe ein Tuch um zwei
Säulen, die den Abschluß bilden, geschlungen. Ein
grelles Licht von oben läßt Köpfe und Figuren vom
Schatten wie in zwei Teile zerschnitten erscheinen. Die
Komposition steht vollkommen unter dem Einfluß der
Frühwerke des Nicola Poussin und des Pietro da
Cortona. Von einem solchen Einflüsse ist bei den
anderen Werken des Bernini nicht das geringste zu
verspüren. Die Zerschneidung der runden Form durch
die flachen Licht- und Schattenflächen ist für die Arbeit
eines Plastikers, der doch Bernini in erster Linie war,
sehr auffallend und merkwürdig, da doch z. B. in
seinen architektonischen Werken die ausgesprochen
plastische Auffassung und Lösung der Probleme im
Vergleiche zu Borominis und Cortonas Architekturen
sich sofort aufdrängt und diesen Werken geradezu
ihren charakteristischen Stempel aufdrückt. Die neueren
Biographen Berninis, Fraschetti und Riegl, wissen
daher mit diesem merkwürdigen Eindringling in Ber-
ninis Werk nichts Rechtes anzufangen und Fraschetti
hilft sich auf die Weise heraus, daß er erklärt, das
Bild beweise eben, daß ein großer Bildhauer zugleich
ein mittelmäßiger Malersein könne. Hermanin hingegen,
der in jüngster Zeit über Bernini als Maler geschrieben
hat1) und der mit Fraschetti das Bild als ein authen-
tisches, 1627 gemaltes Bild des Bernini ansieht, findet
sich mit der auch von ihm konstatierten starken An-
lehnung an Poussin so ab, daß er erklärt, Bernini
hätte sich auch in seinen anderen malerischen Arbeiten
an andere Maler angelehnt.

Ist dieses rätselhafte Bild wirklich von Bernini?
Baldinucci behauptet es als ganz sicher, aber er muß
es ausdrücklich erwähnen, daß es »Bernini gemalt
hat und nicht sein Schüler Carlo Pellegrino, wie
andere behaupten«. Diese »Anderen«, die anderer
Meinung sind, ist der Abb. Filippo Tili, der acht

1) In »L'Arte« XV (1912), Fase. I, pag. 1 ff.
 
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