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L,

Duft, die warme Sommerluft, das vogelgezwitscher,
Aäfergeschwirr und das Lispeln der vom lViudhauch
bewegten Blätter eines wirklichen Gartens hinzuzaubern
würde. Aber kann diese angenehme Lmpfindung
chtand halten?

Die mechanische Herstellung der Tapete bedingt,
daß das ganze Muster sich auf einein Raum von
4^7 cm. Breite und etwa 6 0 cm. ksöhe abspiele. 2luf
einer mäßigen Wandfüllung wird sich deshalb das
Aiuster etwa so Mal wiederholen. Nun stelle man
sich den «Lindruck vor: dieselben Blüten, dieselben
Blätter in genau denselben Lagen, mit denselben
Lichtern, denselben Schatten unverrückbar auf derselben
Ltelle in SO-facher Wiederholung an einer wand!
Nkuß das nicht schon innerhalb weniger Btunden
Langeweile, in eben so viel Tagen aber Bberdruß,
ja Lkel erzeugen?

Ferner: bvird nicht die Unruhe, welchs das
Blättergewimmel einer wirklichen, wie einer gemalten
ksecke, im Gegensatz zu den glatten Mänden eines
Gemachs verursacht, den Aufenthalt in solchem Ge-
mach bald zu einein schier unerträglichen machen?
Aann eine solche Tapete — von Bildern und Sxiegeln
ganz abgesehen, die daran auszuhängen ja ein voll-
endeter Unsinn sein würde — einen wohlthuenden
Hintergrund für Tische, Stühle, Sophas abgeben?
s)st in solchem Zimmer die Aufstellung cines Gfens
denkbar?

Aber — wird man einwenden wollen — ist die
Freude an der Uunst des Zeichners, der uns, sei es
auch nur für einen . Uiloment, ein solch herrliches
Naturwunder vorzutäuschen vermochte, nichts? Zeden-
falls ist sie etwas sehr Vergängliches, denn ein wirk-
licher Rosenzweig, auf die Tapeten gehalten, muß
sie zu nichte machen. Ukag die Leistung des Uünst-
lers eine noch so virtuose sein: gegenüber der wirk-
lichen Natur sind seine Blumen schattenhafte, klägliche
Gebilde. Und wie abgeschmackt müßte es wirken,
in solch ein naturalistisch verziertes Gemach lebende
Blumen aufstellen zu wollen, deren Frische, Duft und
Farbenschönheit wir doch nicht um alle Uunst entbehren
mögen! —

Menn nun aber, wie wir gesehen haben, durch
die uaturalistische verzierungsweise mit aller Runst
im Schmuck einer wandtapete nichts weiter zu er-
reichen ist, als daß uus Uuruhe statt der so nötigen
Nuhe, Langeweile, ja Lkel über die schablonenhaste
Miederholung der Formen erregt, die Aufstellung von
Bildern, Spiegeln, jeglichen wandschmucks erschwert
und fast unmöglich gemacht, die Freude, lebende
Blumen um uns zu haben, beeiuträchtigt uud ver-
leidet wird, wenu wir sehen, daß selbst die virtuoseste
Runst des Naturalismus auch die dürftigste Natur
noch lange nicht erreicht, viel weniger ihr ebenbürtig
zu schaffen im Stande ist, dann erscheint es wohl
selbstverständlich, daß wir uns lieber einer Verzierungs-
weise zuwenden, die nicht nur alle diese Übelstände
vermeidet, sondern Ltwas hervorzubringen vermag,
das auch neben dem köstlichen Naturgebild sich als

Ligentümliches, Schönes behaupten kann, das durch
Zusammenstellung mit jenem nur an eignem Reiz ge-
winnt, während es gleichzeitig den Neiz Zenes er-
höht.

Bleiben wir bei dem Beispiel der Tapete. Line Tapete
in ornamentaler Behandlungsweise wird zunächst durch
harmonische Linienführung und Formverteilung Nuhe
zu erzeugsn vermögen, was der naturalistisch ver-
zierten durch die willkür der Zufälligkeiten, die sie
sklavisch nachzuahmen strebt, versagt ist. Zndem sie
ferner durch Betonung der Lsauptliiiien die Funktionen
der wandfläche andeutet und künstlsrisch zum Aus-
druck bringt, erweckt sie in dem Beschauer das Gefühl
des chinuvolleii, ganz ähnlich dem Gefühl, welches die
organischen Gebilde der Natur in uns hervorrufen.
Reiner, veredelter schauen wir in den ornamentalen
Formen die Natur, von dem Zufälligen entkleidet,
auf das wesentliche beschränkt und deshalb, weil
vereinfachter, übersichtlicher, verständlicher — Ruhe,
Sicherhcit, Behagen erzeugend.

wiederholungen können hier nicht störend wirken,
weil die Formen über die Z uf ä ll i g k e i t e n hinaus
(die sich nicht wiederholen können) ins Allgemeine,
Typische erhoben sind, das sich wiederholen darf,
ja muß! Za, die wiederholung in solch ornamental
verzierter Tapete berührt geradezu angenehm, wie
der Rhythmus eines Liedes: hinreißend und doch auf-
haltend, bewegend und doch beruhigend.

Da die ornamentale Verzierungsweise weder die
unruhig wirkenden Zufälligkeiten der Form noch die
kecken Farben der Natur nachzuahmen bestrebt ist,
diese vielmehr wohlthuend dämpft, jene zu harmonischen
Gebilden umwandelt, so wird sie keine Tapeten schaffen,
die sich als „Gemälde" aufspielen, sondern nur solche,
die nichts weiter als Lsintergrund, als Folie für
die Bpiegel, Möbel, Bilder, kurz jedweden wand-
schmuck sein wollen. Und indem sie diese wichtigste
Funktion einer Tapete im Auge behält, verhilft sie
dem Bchmelz und der j?racht lebender Blumen, wo-
mit wir unsere Zimmer schmücken, dem Fleischton der
in dem Gemach weilenden zu leuchtenderer wirkung.

wenn sie somit dezenter als die naturalistischs Ver-
zierungsweise auftritt, so braucht sie doch keineswegs
— wie man dies oft behauptet hat — aus die un-
endliche Fülle der Naturformen zu verzichten, sie darf,
soll und kann alle nur erdenklichen Feinheiten der-
selben zur Lrscheinung bringen.

Und es versteht sich von selbst, daß sie recht eigent-
lich auf das Studium der Natur gegründet sein muß.
Denn wenn wir die naturalistische Verzierungsweise
auch wegwarsen, die Natur muß allezeit unsere Lehr-
meisterin bleiben. Zn dem Fortschreiten auf dem
wege der Naturbeobachtung, in dem immer tieferen
Lindringen in die Formenwelt, die uns umgiebt, in
dem immer weiteren Lrschließen ihrer geheimnisvollen
Gesetze, iu dem Lrfassen im.mer neuer Formen zum >
Zwecke künstlerischer Verwertung — darin sehe ich
eine der Lsauptaufgaben unseres modernen Runstge-
werbes. Georg Bötticher.


Die Manze i,n Vrnament.

Dio Aartüffelpflcinze (8olMinn MZruin.) ! gegeben werden, um die für ornamentale Zwecke

ZnderbeifolgendenAbbildungsollderAnfangzueiner ^ brauchbaren Forinen derselben herausfiuden und in
Reihe von Anregungen zum Studium der Manzenwelt I möglich vielseitiger weise verwerten zu lehren.

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