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Hllüflrirtk Olllßmonllt^Nllü.


icrausgeßer: KMW Menarius.



4.

Lrslcs

SuIi-DcN ISSI.

DreLs: 1 MaE^L^erteljäkrlLeb.

Dett IS.

Lrstcr Aabrgrlng.

Ltvvas vonr Soldraknlen.

Ich will es gestehen, ich muß mir erst !liut machen,
wenn ich über den Goldrahmen schreiben will. <Ls
ist so ein schrccklich crhabenes Ding, dieser Gold-
rahmen; er thront in so unangefochtener lserrlichkcit
an der wand, daß mich's ordentlich durchschauert:
sollte diese Unangefochtenheit eine Unanfechtbarkeit
sein? Und er gilt anch für etwas so ganz außer-
ordentlich „Feines". Sieht man anf seine goldene
Uhr, so meint man schon, man habe etwas, und sie
ist doch nur ein paar <Vndratzoll groß. welche Lhr-
fnrcht muß man vor dem gZnadratmeter Goldes em-
xfinden, der dort rahmenförmig über das Zimmer
strahlt!

Auch in meinen kühnsten widerspruchsgelüsten
versteige ich mich nnn nicht zn der Behauptung, daß
dieses Strahlen nicht nnter Umständen wirkungsvoll,
sa schön sein könne. Lin Goldrahmen kann ein
Flimmern ins Zimmer bringen, das nicht nur reich,
sondern auch reizend ist.

Aber ich möchte mir zunächst erlanben, daranf
hinzuweisen, daß jedes Bild mit seineii Bahmen in
künstlerischer Beziehung zweierlei werte hat, die man
miteinander in Linklang bringen soll: einen Wert
für sich und einen schmückenden, d. h. einen Wert
für die Umgebung, und daß es eine Bohheit ist,
eine 5ache tot zn schlagen, in der Uleiiiung, daß sie
als schöne Leiche noch besser „aussieht". Uleine These
aber ist: der Goldrahmeu schlägt die meisten Bilder
tot oder er schädigt doch wenigstens ihre Lebenskraft.

Fraaen wir uns einmal, was eigentlich ein Rahmen
für das Bild selber zu bedeuten hat. Zweierlei
sind seine lVirkungeii, beide hangen innig mit einander
zusammeu.

Lrsteus: er löst das Bild von seiner Umgebung
ab, er isolirt es. Der Ulaler, der uns z. B. in eine
Landschaft blicken läßt, verlangt von uns, daß wir
das Auge ganz anders „einstelleu", weun wir sein
Gemälde besehen, als wenn wir den Schrank besehen,
der danebeii steht, er verlangt, daß wir uns in sein
Bild „hineinsehen" sollen. Diese Abtrennung von
der Umgebung erleichtert nun der Rahmen, er giebt

uiis gleichsam ein Fenstcr, durch das wir aus der
wirklichkeit in die gemalte lvelt hinaussehen. Ze
kräftiger der Bahmen ist, je besser gelingt ihm diese
wirkung — nnd wir wollen dem Goldrahmen nicht
abstreiten, daß er sie in hohem Grade erreichen kann.
Ls wäre auch sonst seine dauerhafte Beliebtheit
wenigstens bei den „Laien" kaum erklärlich — daß
die Rünstler in den seltensten Fällen überzeugte ver-
ehrer des Goldrahmens sind, ist nach meinen Be-
obachtungen so gewiß, wie daß sie sich dem Geschmack
des j?ublikums, ja den Aiiforderungen einiger Aus-
stellungsvorstände gegenüber hinsichtlich seiner An-
wendung in einer Zwangslage befinden.

Aber der Rahmen hat noch eine zweite Aufgabe
zum mindesten iu den meisten Fällen. Ls ist eiue
physiologische Unmöglichkeit, daß ein Bild die Licht-
kraft der lVirklichkeit erreiche: weder ein Tag- noch
auch ein Nackstbild kann dies. <Ls ist aber auch, wie
jedermann weiß, eine bis auf wenige Ausnahmen
sehr wichtige Sache, daß Bilder möglichst lichtstark er-
scheinen — nicht mäglichst stark beleuchtet, sondern
möglichst stark leuchtend, leuchteud wie aus innerer
Rraft heraus, so daß sie der Natur so nahe kommen,
wie möglich. Uud weshalb nehmen wir nun z. B.
das doch in wahrheit gegen das Licht des Sonnen-
tages so spärliche Licht der Theaterbühne sür Tages-
licht hin? Aus demselben Grunde, aus welchem wir
Abeuds, wenn die bjausmauern dunkler sind, als die
vou der Lampe erleuchteten Stuben, doch von der
Straße her tief in diese hineinblicken können, während
wir am Tage von außen her nichts des Znnern er-
kennen können, obgleich es doch drinnen an und für
sich heller ist, als am Abend. Zn dunkler Umgebung
erscheint alles heller: deshalb verdunkclt man die Um-
gebung der Theaterbühne, den Zuschauerraum. Auch
das Bild soll heller, leuchtender wirken, deshalb, selbst-
verständlich, nimmt man dafür stets einen dunkeln . . .

Za so, man nimmt ja zumeist einen Goldrahmen.
Das hell leuchtende, das womöglich gar blitzende
wtetall umfaßt das weniger leuchtende Farbenbild —^
und statt der aufhellenden Wirkung tritt eine ver-



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