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Okrausgkökr: FkrdmM Mnarms. ^

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Lrstcr Aabrgang.

Der Aaponisinus

wird von Iakob von Falke in jenem Aufsatze in l
„Vom Fels zum Meer", aus dem wir schon im vorigen ^
Lsefte Liniges abdruckten, auf das entschiedenste be- I
kämpft. Alan lese das Folgende — das „Aunstge-
werbe" will auch Lntgegnungen darauf Rauin geben.

„Wir haben in der modernen Neform die Gesetz-
mäßigkeit zur Grundlage gemacht; auf dieser Gesetz- ^
mäßigkeit sollte der neue Aunstgeschmaek erwachsen,
das Nokoko aber spottet des Gesetzes, es verachket
jede Regel, weil sie Regel ist; seine künstlerische Ab-
sicht, sein künstlerjsches kVesen bestetzt in der willkür,
in dem Abspringen von aller Tradition, es besteht
darin, immer anders zu wollen und anders zu sein.
Und damit steht das Nokoko zu unserem ganzen Be-
streben, sagen wir zur modernen Renaissance in vollem
Gegensatz.

Wenn möglich noch mehr und entschiedcner ist
das mit dem Iaponismus der Fall. Das Nokoko ist >
wenigstens aus richtiger europäischer Runst abgeleitet, i
wenn es auch auf Seitenwege geraten ist. Ls ist so
viel Geist von unserem Geist, Geist von feinstem Duste j
in Fülle darin, daß wir mit ihm empfinden und seine
Neize sühlen und genießen können, auch wenn wir
diesen Stil zur modernen Neform für unbrauchbar
und unpassend halten. Die Nunst ^sapans aber steht !
nicht bloß dem, was wir wünschen und erstreben, ent-
gegen, sondern der ganzen europäischen Nunst, wie
sie sich aus der klassischen Nunst, fallend und steigend,
mit Ljilfe von Lhristentum und germanischem Geiste
durch die ssahrhunderte herausgebildet hat. Wir
können gerne zugeben, daß die japanische Nunst in
ihrer Art sich hoch entwickelt hat, daß sie Geist und
Talent bekundet, daß sie scharfe Beobachtung der
Natur und eine treffende Wiedergabe erkennen läßt,
daß sie technische Fertigkeiten besitzt, von denen wir
lernen und die wir uns aneignen können. Aber diese
Art und Runst ist nicht unsere Art und Uunst, und
die japanische Natur ist nicht nnsere Natur. Wir
verlangen, wenn wir N'lenschen darstellen, Schönheit
der Form oder j)ndioidualität, wir verlangen Tiefe
des Ausdrucks, Lharakter und Lmpfindung, Beseelung

der Form durch geistigen Inhalt. Wir haben die
schöne Form von den Griechen gelernt und wollen
uns diesen Gewiun nicht rauben lassen; wir haben
durch das Lhristentum die Form beseelt und ihr
warmes und tiefes Gefühl eingehaucht; und der
Norden ist gekommen und hat der schönen und be-
seelten Form die individuelle zur Seite gestellt.

Was bietet nun der jjsaponismus dagegen? Durch-
aus unschöne Nkenschen, klein und häßlich wie Narika-
turen, typisch einer wie der andere ohne Individuali-
tät, höchstens uach den sogenannten „Schulen" von
verschiedener Schablone, im Ausdruck entweder unbe-
deutend oder drastisch übertrieben bis zu grinsender
Widerwärtigkeit, bei geschickter Darstellung, oft nur
mit wenigen Strichen, durchaus nicht ohne Wlanirirt-
heit, zuweilen mit ^umor und Witz, aber ohne jegliche
Anmut. Die Grazien haben »ichts mit der figürlichen
Nunst der Iapaner zu schaffen.

Aber vielleicht entschädigt die dekorative Runst.
Die Iapanomanen behaupten, sie sei die erste, die
einzige und die wahre. Auch hier wollen wir gern
die Neize anerkennen: mannigfache Technik, eine
delikate, oft bewundernswürdige Ausführung, feinen
Sinn für Farbenstimmung, sowohl für zartere gebrochene
Töne wie sür eine kräftige Wirkung. Wir können
uns an den alten Goldlackarbeiten der Iapaner, an
ihren noch immer im Fortschritt begriffenen Lmails,
an den kunstreichen, überaus geschickten Gegenständen
in Lisen, Bronze und Gold aufrichtig erfreuen; wir
können das Gute an ihren Fayencen und porzellan-
gefäßen schätzen und bewundern ihre virtuose Dar-
stellung von Tieren. Aber wir lassen uns durch diese
Vorzüge nicht blenden. Wir erkennen in der ewigen
wiederholung derselben Tier- und pflanzenmotive,
statt fortgesetzter Naturbeobachtung, nur eine virtuose
Gedächtnisarbeit, mit welcher der japanische Nünstler
den europäischen Beobachter leicht verblüfft; wir
kommen zur Linsicht, daß, wenn wir die Iapaner
nachahmen wollten, wir noch mehr Nlanieristen würden
als sie selber, da ihre Natur nicht die unsere ist. Ls
ist aber nicht bloß unsere Natur, sondern auch unsere
 
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