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Runstart eine audere. Der Iapaner ordnet exzcutrisch
an; weiin er ein einzelnes Griiament hat, setzt er es
gewiß irgendwo beliebig zur Seite; er vermeidet das
Zentrum, er vermeidet Rand inid Lcken, damit Gleich-
gewicht, Sxmmetrie inid Regelmäßigkeit. Seine An-
ordnuiig ist immer unregelmäßig, in inisereu Augeii
bizarr, ob er eiue Etagere, eiiien Rasten konstruirt
oder seineii Gegenstand oruameiitirt. Gerade das
Gegeuteil liegt aber iu uuserer Natur, in uuserer
dekorativeu Ruiist, wie dieselbe vou der antiken Aunst
ihren Ausgang geuommen und iu diesem 5iinie, trotz
Nokoko, sich durch alle Zahrtzunderte erhalteu hat.

Bei den maimigsacheii vorzügen der japanischeii
Ruust ist wohl begreifllich, daß ihre Arbeiten in Lu-
roxa Lreuude gefundeii haben, daß es Ruiistfreuude
gibt, welche sie sammelu, daß auch wohl unsere Ge-
mächer sich mit denselben schmücken. Ls ist begreiflich
uud auch durchaus nicht zu tadeln, solange diese Lieb-
haberei nicht über das Zuteresse au Bibelots hinaus-
geht, aber uubegreiflich und sehr zu bedauern ist es,
daß gerade solche Aunstfreunde, welche bisher die
Neform auf Grundlage einer stilvollen Aunst erstrebt
haben, welche die vertreter der modernen Nenaissanee
und der deutschen Nenaissanoe insbesondere waren,
daß gerade sie sich zu Lörderern des Zaxonismus
machen. Nlan kann ja als Aunstfreund die Freude
an diesen Dingen haben, aber etwas anderes ist es,
in ihnen die Zukunft, das kheil der europäischen Aunst
erblicken, mit ihnen unsere eigene Aunst verbessern
wollen. Lines oder das andere, entweder wir bleiben
uns selber treu, unserer symmetrischen, regelmäßigen,
stilvollen Aunst, oder wir gehen im Zaponismus als
Nkanieristen unter.

Glücklicherweise ist es noch nicht so weit, obwohl
der fremde wie der deutsche Runstverlag uns schon
mit sapanischen Nlustern aller Art zu überschütten be-
ginnt. Die Zapaner selber sorgen dafür, uns die
Freude und die Zllusion zu zerstören, indem sie,
die Nlodeströmung benützend, ihre ordinären Fabrikate
in solcher Niasse zu uns senden, daß wir bald auch
an dem Guten Überdruß empfinden werden. Zmmer-
hin ist der üampf gegen diesen fremden und fremd-
artigen Eindringling ebenso geboten, wie gegen alle
anderen, welche heute die Neform von ihrem bisherigen
wege abzudrängen versuchen.

wohin diese versuche führen werden, wir wissen
es nicht und wollen auch nicht proxhezeihen. That-
sache ist, daß der klare Gang der Bcwegung in den
letzten Iahren stark getrübt worden. Neuerungssucht
und Ungeduld haben fast alle Stilarten wieder auf-
zunehmeii versucht, in dem raschen Laufe kaum eines

Zahrzehnts sind Barock und Nokoko, Louis XV. und
Louis XVI. einander gefolgt, und von jedem ist etwas
übriggeblieben. Freilich bei uns in Vsterreich und in
Deutschland führt die moderne Renaissance — wir
wählen diesen Ausdruck für die auf Grundlage der
alten Renaissance gewonnenen Resultate — noch
immer das erste IVort, und in allen kunstgewerblichen
Fachschulen wird auf dieser Grundlage unterrichtet.
IVas daneben erscheint in buntem Gemisch zerstört
allerdings die Linheit, aber bis jetzt ist es noch unter-
geordnet an Zahl wie nach der Beschaffenheit. IVie
ticf stand z. B. auf der Rlünchener Ausstellung des
Zahrcs t888 alles dasjenige, was an Barock und
Rokoko aus Lugwigs II. Bestrebungen hervorgegangen,
unter dem, was an deutscher Renaissance geboten war!

<Ls ist möglich, daß diesen Nebenversuchen die Zu-
kunft gehört, aber aus den kVerkstätten wird sie
schwerlich hervorgehen. Heute rufen die IVerkstätten,
weil sie nichts zu lehren haben, noch allerorten nach
chchulen. Ls ist auch der natürliche Lauf der Dinge,
je mehr die Zndustrie zur Großindustrie wird. <Ls
ist gut und nützlich, wenn der Lernende ein paar
Zahre üandwerksübung mit in die Schule bringt, aber
zum Rünstler im Gewerbe, zum Rleister wird ihn die
Schule machen müssen; das Ljandwerk, die werkstätte,
die Arbeit, sie brauchen Arbeiter, aber sie lehren nicht
mehr. Rlan mag das beklagen und sagen, es war
einmal anders und auf dem anderen lvege sei Großes
geleistet worden. Das ist richtig, aber dieser andere
IVeg ist heule nicht mehr gangbar.

Ivas bisher die Neform mit Museen und Schulen
erreicht hat, das ist negativ die Besreiung von der
Ljerrschaft des französsischen Geschmacks, positiv die
IViedergewinnung und erneuerte Handhabung aller
verloren gegangenen üunsttechnik, welche jemals
existirt hat, sowie die üenntiiis der Technik, welche
in fremden Landen geübt wird. IVir glauben aber,
daß noch viel mehr erreicht worden. Leistungsfähig
ist unser heutiges Runstgewerbe jedenfalls für alle
und jede Aufgabe. Dadurch aber, daß nian immer
neue und neue Stilarten in Rlode bringt und zur
Nachahmung emxfiehlt, werden jene edelsten und letzten
Ligenschafken, die Freiheit der phantasie und die Mri-
ginalität der Lrfindnng, die man ihm heute absxricht,
nicht schneller, sondern nur langsamer sich entwickeln.
Rlan muß den Gang der Bewegung nicht stören,
alsdann wird auch diese schönste Frucht sich einstellen
und zur Neife gelangen, und dann haben wir gewiß
das Recht, mit Befriedigung aus unsere Arbeiten und
Bestrebungen in diesen letzten drei Zahrzehnten zurück-
zublicken."




Me Aukgaben der grapbLseben Aünste.

(Schluß.)

Rlan darf von dem photomechanischen Druckver-
fahren eine ähnliche Lntwickelung erwarten, daß es
sich künstlerischen lvirkungen nicht entziehen wird,
wenn einmal üünstler es in unmittelbare Rlitleiden-
schast zu ziehen versuchen. Ls soll nicht allein als
wohlfeiler Lrsatz für den Ljolzschnitt und Rupferstich
gelten, die Natur der letzteren mit mehr oder weniger
Glück nachahmen, sondern auch ein selbständiges Feld

der Thätigkeit aufsuchen. Den Technikern und Rünst-
lern legen wir die Frage vor, ob durch das xhoto-
mechaiüsche Druckverfahren sich nicht lvirkungen er-
zielen lassen, welche nur ihm eigentümlich sind oder
doch mit der größten Leichtigkeit und vollendung durch
dasselbe verkörxert werden können. lvird diese Frage,
wie wir glauben und hoffen, bejaht, so verwandelt
sich auch das bisher spröde verhältnis zwischen beiden


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