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Runstgewerbe kann unter Leitung des Aünstlers
existiren — oder es wird — und wir fürchten, es
steht bereits schlinuner, als die meisten wissen und
verstehen — überhaupt aufhören, als solches zu
existiren, bis eine neue Lebensaufsassung sich Bahn
bricht.

In dieser wirklich modernen Lebensauffassung wird
der Gegensatz zwischen Runst und höherem Runst-
gewerbe verschwinden müssen; denn er ist ebenso un-
natürlich wie unhistorisch und unwahr.

Wir schließen mit einem Zitate aus Moritz
Wießners Festschrist des tvojährigen Bestehens der

Dresdner Akademie. von Lsagedorn, welcher zu Vor-
schlägcn für Neuerrichtung der stark zurückgegangenen
Akademie aufgefordert war, schreibt am 2. Dez. l763
an den (Lhurfürsten Lriedrich Ghristian und stellt sol-
genden 5atz an die 5pitze: „lVenn es für ein Land
„ruhmreich sei, treffliche Rünstler hervorzubringen, so
„sei es für dasselbe nicht weniger nützlich, seinen ge-
„werblichen Grzeugnissen Nachsrage zu verschaffen;
„Beides hänge von einem höheren Geschmack in der
„Zeichuung ab. Durch diese hätten sich die gewerb-
„lichen Grzengnisse Frankreichs den Vorzug vor denen
„des Auslandes erworben." 2. Gi:ukk.

Ndasckinenarbeit Lnr Ikunstgevverbe.

Über diesen Gegenstand veröffentlichte Georg
Bötticher vor einiger Zeit einen Aufsatz in der
„Z. f. b. R.", der so wichtig ist, daß wir seinen
durchlaufenden Gedanken unsern Lesern auch setzt
noch wiedsrgeben dürfen. Der Aussatz tritt gcgen
eine frühere Arbeit Zulius Lessings auf, welche der
Maschinenarbeit gegcnüber eine „kühl ablehnende,
aristokratisch - vornehme Lsaltung" angenommen hatte.
„Nun ist es ohne weiteres klar, daß die künstlerischen
Llemente des Gewerbes nur in der verständnisvollen
Linzelarbeit gedeihen, und daß wir von einer wahren
Blüte des Runstgewerbes nur sprechen kännen, wenn
diese künstlerische Durchführung dcs einzelnen Stückes
wieder zum Siege kommt gegen die schablonenmäßig
betriebene Fabrikarbeit . . .", so hatte Lessing ge-
schrieben. Bötticher denkt anders:

„Dies scheint uns eine Verkennung sener seit
etwa sünszig Zahren begonnenen ungeheuren 11m-
wälzung im Aunstgewerbe zu sein, einer Umwälzung, die
noch lange nicht ihren Abschluß gesunden hat und immer
riesigere Verhältnisse annimmt. Daß die Maschinen-
arbeit heutzutage der Lsandarbeit vicle Gebiete ent-
rissen hat, daß sie dieselben nicht nur behalten, sondern
noch weitere neue dazu erobern wird, daß sie schon
setzt — um nur einiges anzuführen — beinahe aus-
schließlich die seidenen und wollenen Möbelstoffe, die
öpitzen, Gardinen, die gewebten und bestickten Tisch-
tücher, die bedruckten Baumwollstoffe, die gepreßten
plüsche, die mannigsachsten Papier- und Stofftapeten,
Buchdecken und Vorsatzpapiere in oft hoher Vorzüg-
lichkeit herstellt, daß sie selbst chmyrnateppiche, kost-
bare Sammete und Gobelins zu weben anfängt, ist
sedem Ginsichtsvollen bekannt. IVer dein gegenüber
den Glaubenssatz predigen kann: die l^andarbeit müsse
und werde zurückkehren, der täuscht sich und andere
mit unerfüllbaren Lsoffnungen. wer aber gar die
Ginzelproduktion, die Isandarbeit als einzia künstle-
rische Thätigkeit im Runstgewerbe bezeichnet,

wer all den oben erwähnten Trzeugnissen mannig-
fachster Art den künstlerischen IVert abspricht, der hat
nicht überlegt, daß der erfindendc Zeichner, der das
Muster für den Brokatstoff oder die Gobelintapete
schafft, die Maschine, die sein Muster webt oder drukt,
ebenso zu handhaben verstehen muß, wie der Isand-
weber sein Schiffchen, die ötickerin ihre Nadel, der
Isanddrucker und der Maler das Modellbret und den
sdinsel, und daß die Maschine in diesen und hundert
anderen Fällen nur ein vereinsachendes Isandwerks-
zeug vorstellt. Maschinenarbeit ist in unserer Zeit
nicht mehr gleichbedeutend mit Dutzendware; bereits
schafft sie IVerke, denen ein künstlerischer wert zuer-
kannt werden muß, und sie wird darin zu immer
weiterer Vollendung kommen. Die vielen mechanischen
Vervielfältigungsmittel, die unseren Zeichnern jetzt zu
Gebote stehen, sind keine 5chädigung, sondern nur eine
Weiterentwickelung und Bereicherung des Technischen
in der Runst und also auch im Runstgewerbe.

Aufhären wird die 1)andarbeit aus den verschiede-
nen Gebieten des Runstgewerbes niemals, denn gerade
ihre Niederlagen gegen die Maschinenarbeit werden sie
zu neuen Anstrengungeu und zum Überbieten derselben
reizen. Die Maschinenarbeit aber wird eher zu- als
abnehmen, und dies können wir als kein llnglück be-
trachten. Nach unserer Meinung gilt es nicht, die
mechanische Iserstellungsweise zu bekämpfen, sondern
Mittel und wege zu finden, sie in würdiger weise
für das Runstgewerbe zu verwerten, sie in künstlerische
Lahnen zu lenken. wenn dies gelingt — und warum
sollte es nicht gelingen? — so ist, bei der ungeheuren
Verbreitung der durch die Maschine hergestellten kunst-
gewerblichen Gebrauchsartikel damit mindestens ebenso
viel für die wahre Isebung des Runstgewerbes und
des künstlerischen Tmpfindens der Nation gethan, wie
dies durch die von Lessing angeregte und geforderte
chtaatshilse zur Lörderung der kunstgewerblichen
Tinzelleistung geschehen kann."

Ikunst und Lckule.

Die Frage, inwieweit und wie die Musik als Mittel
der Lrziehung heranzuziehen sei, ist im „Uunstwart"
wiederholt erörtert worden; zuletzt von Fr. vonüausegger
(III, t7). Dic Gründe, die er fiir die verwendung
der Musik im Dienste der Lrziehung ansührt, dürfen
wir auch für die bildenden Rünste ohne weiteres in

Anspruch uehmen. Zst es die Aufgabe der Trziehung,
umgestaltend und veredelnd zu wirken und eine schönere
Zukunst vorzubereiten, so sind nicht bloß eines, son-
dern alle Gebiete des Schönen gleich berechtigt und
gleich geeignet, zur Mitwirkung herangezogen zu
werden. Iknd sassen wir selbst den Zweck der Tr-



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