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es an. wenn gegenwärtig noch vielfach zwischen
dem künstlerischen chchaffen und dem xchotomechanischen
verfahren das verhältnis vollkommener Gleichgiltig-
keit waltet, so ist eine friedliche Annäherung in küns-
tigen Zeiten keineswegs ausgeschlossen. Die Rünstler
werden prüfen, wie sie ihre Thätigkeit dem eigen-
tümlichen wesen der neuen Reproduktionsweise anzu-
passen haben, auf dasselbe Nücksicht nehmen, oder wie
der volkstümliche Ausdruck lautet, für das photo-
mechanische verfahren unmittelbar komponiren.

Auch hier tritt uns eine Lrinnerung hoffnungs-
reich zur Seite. Als die ersten ^olzschnitte ihre wande-

rung nach Airchweihen und Märkten antraten, so
plump in den Linien, so roh in der Zeichnung, da
gab es wohl wenige, welche ihnen eine künstlerische
wirkung zutrauten. Abseits von der Nünstlerwelt
bahnten sie sich Anfangs den weg. Da kam der
Zeitpunkt, in welchem die Maler den wert der ksolz-
schnitte für die freie wiedergabe und die weite ver-
breitung ihrer Zeichnung erkannten. Äe studirten die
Natur des ^olzschnittes, nahmen auf sie bei dem >Lnt-
wurf der Zeichnungen Nücksicht, erzogen die Holz-
schneider und gewannen auf diese Art ein wahrhaft
künstlerisches Mittel der Neproduktion. (Schluß folgt.)


Lur tldusterzetcbner-Frage

nahm Tornelius Gurlitt in der „Tapeten-
Zeitung" wieder das wort. Unsere Leser erinnern
sich der Besprechung seines Buches im ersten bfeft
des „Nunstgewerbes", wir verweisen auf sie, um den
anregenden Znhalt des Folgenden auch denen ver-
ständlich zu machen, die fenes werk selber noch nicht
gelesen haben.

„Die Bitte an die Nlusterzeichner, welche ich in
der ersten Auflage meiner Brochüre über <-die deutsche
Nlusterzeichner-Nunst» aussprach, mir über fene Lach-
männer, deren Wirken ich falsch verstanden oder ganz
und gar übersehen hatte, Ntttteilungen zu machen,
hat sich zu meiner lebhaften Freude nicht als eine
vergebliche erwiesen. Ls sind mir Briefe in großer
Anzahl zugegangen, ja man hatte die Freundlichkeit,
mir umsangreiche Nlustersendungen zuzuschicken, die
vielseitig genug waren, daß ich mir über wollen und
wirken ihrer Verfertiger ein klares Bild machen
konnte. Nlögen deren nur immer inehr eintreffen.

Die Art und weise, wie diese Briefe eingingen,
war zunächst lehrreich. 5ofort nach Lrscheinen des
Buches kamen die unerfreulichsten Anklagen darüber,
wie ich darauf gekommen wäre, den oder jenen
Nlann zu überschätzen. Bolche Rundgebungen sind
meist leicht zu durchschauen; sie waren auch die
einzigen, in welchen ich einem gewissen Nlißtrauen
gegen die Lhrlichkeit meiner Absichten begegnete.

Ls sind persönliche Feindschaften oder noch weniger
hohe Nlotive, welche diese Briefe diktirten. Linem
^errn aus der Schweiz mächte ich, da ich es nicht
für angezeigt halte, mit ihm in xersönlichen Brief--
wechsel zu treten, doch bemerken, daß ich es zum
mindesten für taktlos halte, wenn er — der mir Un-
bekannte — einen anderen mir persönlich auch nicht
Bekannten in xlumpester Form in einem Briefe an
mich angreift. Soll ich diesen den Angegriffenen
zusenden, damit er den Schreiber zn gebührender Be-
strafung heranzieht? Wie kann man leichtfertig einen
gänzlich Unbeteiligten in die UNnkelparteiungen eines
Zndustriestädtchens hineinziehen wollen!

So zugänglich ich für fachliche Belehrungen bin,
so wenig ist meine Absicht, mich zum Bprachrohr
fremder Unarten herzugeben. Die Znsicherung dis-
kreter Benutzung aller mir gemachter Nlitteilungen
ist nicht zugleich eine solche für unbegründet vorge-
brachte Lhrenkränkungen Anderer.

viel schüchterner traten die Briefe erfreulicheren
Znhaltes hervor, solche, welche auch auf zu meinem
Leidwesen zu gering gewürdigte Leistnngen anfmerk-

sani machten. Zch kann aus einer großen Anzahl
von chchreiben ersehen, daß meine kleine Arbeit von
den Zeichnern selbst als eine verdienstliche angesehen
wird. Ls lag mir daran, von vielen xeinlich em-
pfnndene Uebelstände aufzudecken und damit woinög-
lich ihre Besserung herbeizuführen. Leider habe ich
aber bisher noch nicht bemerkt, daß die Zeichner
selbst sich in die öfffentliche Besprechung einmischen,
sie, die doch in erster Linie — mehr als ich — dazu
befähigt nnd bernfen sind. Ls handelt sich ja nicht
um die xaar Beiten Druck, die ich herausgab, nicht
um meine Broschüre, sondern uin die Frage, wie dem
deutschen Zeichnerstande die gesellschaftliche Btellung
zn schaffen ist, die er in Frankreich besitzt und die
ihm in Deutschland thatsächlich fehlt.

Ls haben sich wiederholt Zeichner an uns ge-
wendet, welche nicht an die Gffentlichkeit herantreten
wollten, weil sie xersönlich an der Angelegenheit be-
teiligt wären. Behr edel, sehr vornehm, aber sehr
unpraktisch! U)er sich selbst für einen Diener der
guten Sache hält, der tritt für die gute Sache ein,
wenn es ihre Diener fördert. Also nur frisch zu für
das eigene U)ohl, das ja in diesem Falle das allge-
meine U)ohl ist! Noch fehlt es den Nttisterzeichnern
an jeder Grganisation. Die vereine in Berlin und
am Rhein sind Ansätze zu einer solchen, aber noch
keineswegs der Bedeutung des Btandes entsxrechend.
Bis zu einer festgeschlossenen Berufsgenossenschaft ist
der U)eg noch weit. Und eine solche wäre gerade
deni von der Laune der Nkode in seinen Lrwerbs-
verhältnissen so abhängigen Nmsterzeichner besonders
wünschenswert. Besteht sie erst, so finden sich wohl
auch noch andere U)ege, dein Zeichnerstand aus un-
verdienter Fiiisternis ans Licht zn helfen. Der gute
U)ille dazu ist, wie ich mich an autorativer Stelle
überzeugte, vollständig vorhanden. Auch die Fabri-
kanten werden einsehen, daß die Forderung der Zeichner
ihr eigner vorteil ist. Lin Lsungerleider, der nicht
ans der U)erkstätte eines kleinen Fabrikanten koinmt,
muß sich bald ausgeben und sei er von kfaus ans
der geistreichste Maiin; er kann für die große U)elt
nicht schaffen, von der er sein Leben lang nur ein
und denselben Zipfel zu sehen bekam. Zhm werden
Bücher und Vorlagen, Natur und alte Runst nichts
helfen! Lr wird einseitig, versanert, stirbt geistig ab!

Nteine Lrfahrungen haben mich belehrt, daß der
deutsche Nkusterzeichnerstand ein solcher ist, der seine
Sache sehr wohl öffentlich führen kann. Rünstler sind
nach einem alten Bprichwort schlechte Bchriftsteller.

— I3S —
 
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