liebenden Rritiker zu thun haben, jedenfalls dieses:
daß stellenweise der Äampf auf dem Gebiete des
Runstgewerbes nachgerade bis zur Leidenschaft-
lichkeit gediehen ist.
Ls ist wohl nur dieser Leidenschaftlichkcit zuzu-
schreiben, daß es uns so schwer wird, uns auch über
die Sache selbst zu verständigen, welche die allge-
meineren Ausführungen Ilgs behaudeln, über dic
„Oolkskunst". Gäb es Leute, die alles das im Grnste
behaupteten, was nach Ilg die ksamburger behaupten,
so wäre, meiner Ansicht nach, zweierlei möglich; ent-
weder: sie wären Narren, oder: sie wären Aünstler,
die das Norrecht einer gewissen Ginseitigkeit der Ge-
danken haben, weil diese Linseitigkeit ihrem künstle-
rischen 5-chaffen förderlich und weil nur dieses Schaffen,
nicht aber ihr Denken für uns wichtig ist — Aünstler,
wie eiuer z. B. der angegriffens ksamburger ist, denn
ein Aünstler, nicht ein „gebildeter Buchhandlungs-
Aommis", hat den Tert zu jenen Bildern geschrieben.
2lber der Mann behauptet keineswegs Alles, was
Zlg ihm zuschreibt.
Doch ich bin nicht Schwindrazheim. Da aber
„Avenarius und die Aämpen des Aunstwarts" als
Dcrtreter der Lorderung nach einer Dolkskunst einmal
mit genannt sind, so wollen wir selber bserrn Or. Zlg
sagen, was wir vou der Bewegung halten
cho bitten wir denn den Wiener Aritiker zunächst,
;u glauben, daß wir seine Achtung vor den Begründern
und Lörderern unseres neuen Kunsthandwerks und vor
dessen besten Leistungen vollkommen teilen, — ich
selbst habe meiner Freude über vorzügliche kunstge-
wcrbliche Gebilde wiederholt öffentlich Zlusdruek ge-
geben und erst kürzlich auch mit besonderem Der-
gnügen eine Zuschrift Franz Reuleaur' an mich zum
Abdruck gebracht, die sich über die Vorzüge des Kunst-
gewerbes von heute erfreut aussprach. 2lber das
hindert uns nicht, ueben dem Licht auch Schatten zu
sehen, recht vieleu Schatten sogar, während die Lichter
uns in unserm Kunstgewerbe erscheineu wie etwa die
chterne der Nacht — an sich herrlich anzuschauen,
aber nicht im Stande, aus dem Dunkel rings einen
Tag zu machen. 5o glauben wir zu bemerkeu, daß
durch die Form- und Farbgebung wahrhaft belebte,
Material und Zweck der Gegenstände durch deren
Äußeres keunzeichnende, also im höchsten chiune stil-
gemäße Gebildc des Kunsthandwerks weit seltener
sind, als bei einer guten Schulung des Stilgefühls
und der formbelebenden jDhantasie möglich wäre. Zn
dem Nkaskenzug durch alle historischen Stilarten ferner
sehen wir einen Beweis dafür, daß unsere Zeit noch
haltlos sucht uach einer Lormensprache, die ihr eigenes
Tmpfinden ausdrücke, daß für unser Kunstgewerbe,
um ein anderes Bild zu brauchen, wohl Gewänder
bereit liegen, daß es aber in der Mehrzahl seiner
Grzeugnisse noch nicht eine ehrliche, vom eigenen
Grganismus erschaffene, vom eigenen lebendigen Blute
ernährte Gaut habe, daß es also ein wahrhaft lebens-
kräftiges Ding noch gar nicht sei. Für ein Auheil
halteii wir dann das mit dieser Trscheinung zusammen-
hangende lhetzen von Neuheit zu Neuheit, wie es
gelungene Läsungen kunstgewerblicher Aufgaben über
den Gaufen wirft, sobald sie nicht mehr „Nouveautss"
sind, wie es das Neueste der Saison bevorzugt, nicht
weil es besser, sonderu schon, weil es neu ist. Sehr
wenig erbaut sind wir auch vou der fleißigen Be-
nutzung der kunstgewerblichen Tselsbrücken, abgestoßen
sind wir von all diesem Nachmachen des Vorgemachten,
all diesem Anempfinden statt Selberenipfinden, diesen
Zeugnissen einer aufgeregten Schwäche. Wir beklagen
des Ferneren im modernen Runstgewerbe einen Geist,
der sich eine Schönheit nicht vorstellen kann ohne
pracht und der daher sehr oft prunkende lvirkungen
mit künstlerisch vornehmen verwechselt.
Zwei lVege haben uns zur Forderung einer „Volks-
kunst' geführt.
Nur der eine von ihnen begann bei dem Ge-
danken, daß es auch für deu minder Benüttelten im
eigenen Lseim eine Kunst und cin Knnstgewerbe geben
sollte, wenn er fähig wäre, sich ihrer zu erfreuen.
Den Lsaupt-Nießbrauch vom Lurus-Kunstgewerbe haben
Börsianer und sonstige Geldleute. Nun unterscheiden
Ndv. 107. Klumenmustcr zur Kettdecke aus Lakopanc.
(Sicbe Seitc wl.)
wir scharf zwischen zwei Dingeu, zwischen denen Zlg
nicht scharf genug unterscheidet, zwischen Reichtum
und Vornehmheit. Das lVort „Vornehmheit" kann
unserer Ausicht nach in der Kunst nur Sinu haben,
wenn es Vornehmheit künstlerischen Tmpfindens be-
deutet - - Vornehmheit solcher Art fanden wir sowohl
bei Mäunern der Aristokratie wie bei Angehörigen
des gebildeten Mittclstandes der Lehrer, Beamten,
Gffizicre, Geistlichen, gebildeteu Kaufleute usw., und
selbst, wenngleich hier natürlich zumeist nur als Au-
lage, bei Bauern, k)andwerkern und Arbeiteru, aus
deren Kreisen ja der tüchtigen Künstler und Kunst-
handwerker schon so viele hervorgingen. Sieht Zlg
in all diesen Leuten nur eine für Künstlerisches stumpfe
Masse, so erlaubeu w i r uns auf Grund eigener guter
Lrfahrungeu in seinem Glauben einen neuen Beweis
dafür zu sehen, wie wenig der Deutsche seiu eigenes
volk kennt. (Schluß folgt.)
— iss —
daß stellenweise der Äampf auf dem Gebiete des
Runstgewerbes nachgerade bis zur Leidenschaft-
lichkeit gediehen ist.
Ls ist wohl nur dieser Leidenschaftlichkcit zuzu-
schreiben, daß es uns so schwer wird, uns auch über
die Sache selbst zu verständigen, welche die allge-
meineren Ausführungen Ilgs behaudeln, über dic
„Oolkskunst". Gäb es Leute, die alles das im Grnste
behaupteten, was nach Ilg die ksamburger behaupten,
so wäre, meiner Ansicht nach, zweierlei möglich; ent-
weder: sie wären Narren, oder: sie wären Aünstler,
die das Norrecht einer gewissen Ginseitigkeit der Ge-
danken haben, weil diese Linseitigkeit ihrem künstle-
rischen 5-chaffen förderlich und weil nur dieses Schaffen,
nicht aber ihr Denken für uns wichtig ist — Aünstler,
wie eiuer z. B. der angegriffens ksamburger ist, denn
ein Aünstler, nicht ein „gebildeter Buchhandlungs-
Aommis", hat den Tert zu jenen Bildern geschrieben.
2lber der Mann behauptet keineswegs Alles, was
Zlg ihm zuschreibt.
Doch ich bin nicht Schwindrazheim. Da aber
„Avenarius und die Aämpen des Aunstwarts" als
Dcrtreter der Lorderung nach einer Dolkskunst einmal
mit genannt sind, so wollen wir selber bserrn Or. Zlg
sagen, was wir vou der Bewegung halten
cho bitten wir denn den Wiener Aritiker zunächst,
;u glauben, daß wir seine Achtung vor den Begründern
und Lörderern unseres neuen Kunsthandwerks und vor
dessen besten Leistungen vollkommen teilen, — ich
selbst habe meiner Freude über vorzügliche kunstge-
wcrbliche Gebilde wiederholt öffentlich Zlusdruek ge-
geben und erst kürzlich auch mit besonderem Der-
gnügen eine Zuschrift Franz Reuleaur' an mich zum
Abdruck gebracht, die sich über die Vorzüge des Kunst-
gewerbes von heute erfreut aussprach. 2lber das
hindert uns nicht, ueben dem Licht auch Schatten zu
sehen, recht vieleu Schatten sogar, während die Lichter
uns in unserm Kunstgewerbe erscheineu wie etwa die
chterne der Nacht — an sich herrlich anzuschauen,
aber nicht im Stande, aus dem Dunkel rings einen
Tag zu machen. 5o glauben wir zu bemerkeu, daß
durch die Form- und Farbgebung wahrhaft belebte,
Material und Zweck der Gegenstände durch deren
Äußeres keunzeichnende, also im höchsten chiune stil-
gemäße Gebildc des Kunsthandwerks weit seltener
sind, als bei einer guten Schulung des Stilgefühls
und der formbelebenden jDhantasie möglich wäre. Zn
dem Nkaskenzug durch alle historischen Stilarten ferner
sehen wir einen Beweis dafür, daß unsere Zeit noch
haltlos sucht uach einer Lormensprache, die ihr eigenes
Tmpfinden ausdrücke, daß für unser Kunstgewerbe,
um ein anderes Bild zu brauchen, wohl Gewänder
bereit liegen, daß es aber in der Mehrzahl seiner
Grzeugnisse noch nicht eine ehrliche, vom eigenen
Grganismus erschaffene, vom eigenen lebendigen Blute
ernährte Gaut habe, daß es also ein wahrhaft lebens-
kräftiges Ding noch gar nicht sei. Für ein Auheil
halteii wir dann das mit dieser Trscheinung zusammen-
hangende lhetzen von Neuheit zu Neuheit, wie es
gelungene Läsungen kunstgewerblicher Aufgaben über
den Gaufen wirft, sobald sie nicht mehr „Nouveautss"
sind, wie es das Neueste der Saison bevorzugt, nicht
weil es besser, sonderu schon, weil es neu ist. Sehr
wenig erbaut sind wir auch vou der fleißigen Be-
nutzung der kunstgewerblichen Tselsbrücken, abgestoßen
sind wir von all diesem Nachmachen des Vorgemachten,
all diesem Anempfinden statt Selberenipfinden, diesen
Zeugnissen einer aufgeregten Schwäche. Wir beklagen
des Ferneren im modernen Runstgewerbe einen Geist,
der sich eine Schönheit nicht vorstellen kann ohne
pracht und der daher sehr oft prunkende lvirkungen
mit künstlerisch vornehmen verwechselt.
Zwei lVege haben uns zur Forderung einer „Volks-
kunst' geführt.
Nur der eine von ihnen begann bei dem Ge-
danken, daß es auch für deu minder Benüttelten im
eigenen Lseim eine Kunst und cin Knnstgewerbe geben
sollte, wenn er fähig wäre, sich ihrer zu erfreuen.
Den Lsaupt-Nießbrauch vom Lurus-Kunstgewerbe haben
Börsianer und sonstige Geldleute. Nun unterscheiden
Ndv. 107. Klumenmustcr zur Kettdecke aus Lakopanc.
(Sicbe Seitc wl.)
wir scharf zwischen zwei Dingeu, zwischen denen Zlg
nicht scharf genug unterscheidet, zwischen Reichtum
und Vornehmheit. Das lVort „Vornehmheit" kann
unserer Ausicht nach in der Kunst nur Sinu haben,
wenn es Vornehmheit künstlerischen Tmpfindens be-
deutet - - Vornehmheit solcher Art fanden wir sowohl
bei Mäunern der Aristokratie wie bei Angehörigen
des gebildeten Mittclstandes der Lehrer, Beamten,
Gffizicre, Geistlichen, gebildeteu Kaufleute usw., und
selbst, wenngleich hier natürlich zumeist nur als Au-
lage, bei Bauern, k)andwerkern und Arbeiteru, aus
deren Kreisen ja der tüchtigen Künstler und Kunst-
handwerker schon so viele hervorgingen. Sieht Zlg
in all diesen Leuten nur eine für Künstlerisches stumpfe
Masse, so erlaubeu w i r uns auf Grund eigener guter
Lrfahrungeu in seinem Glauben einen neuen Beweis
dafür zu sehen, wie wenig der Deutsche seiu eigenes
volk kennt. (Schluß folgt.)
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