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„volkskunst."

(Schluß.)


Also: wir glaubten hier eine Ungerechtigkeit
des Lebens zu erkennen, nnd wir wollen sie zn
heben snchen, wenn dies angeht. Die kknmöglich-
keit einer Bessernng sehen wir nicht ein, weil wir
Kunst nicht an Luxns, weil wir Schönheit iin Ge-
werbe weder an Gold, Seide, kostbare bsölzer nc>ch
sonstiges tenres Gnt fnr nntrennbar gebnnden halten,
noch allein an mühevolle nnd daher kostspielige
Techniken. Ans die ungeheure wirtschaftliche nnd
soziale kvichtigkeit einer „volksk'nnst" habe ich früher
wiederholt, z. B. in dcin Zlnfsatze „Raviar fürs volk'"
(Rw. III, t), hingewiesen — ich erinnere hier nnr daran.

kvas wir schon jetzt als „billiges Rnnstgewerbe
fürs volk" haben, erkennt auch Ilg schwerlich als
wirkliches Rnnftgewerbe an. Ts ist in der über-
wiegenden Akehrzahl der Fälle chchund smrs pbraso,
sein Rennzeichen ist „Imitation", Nachäfferei dcr
Formen- nnd Farbengebnng des Lnrnsgewerbes. Stnck
als Akarmor, Stnck' als öolz, jüapier als Stnck, Zink-
gnß als Bronze, — Ächwindel überall statt kvahrheit.
Ts ist ein Gewerbe der kknehrlichkeit nnd kvürde-
losigkeit, das mit Romödiantenflittern das Gold nnd
mit Similidiamanten den echtcn Tdelstcin nachmacht,
statt die Schönheit anch des schlichteren Akaterials
heransznbilden.

kVir erstreben also im Rnnstgewerbe auch für die
Rreise der wenig Bemittelten ein echtes, kein Snrrogat-
Rnnstgswerbe, wie wir's ja hätten. Ls ergiebt sich
die Anfgabe: ein Rnnstgewerbe zn schaffen mit wenig,
da nnd dort sogar ganz ohne Lurus. Zhrer Lösung
gilt unsere Arbeit. kknd nnsere Fordernngen an ein
Runstgerverbe für Akinderbemittelte sind diese:

k. Rünstlerische Gestaltnng ist nns denkbar iin Not-
fall selbst ohne jedes schmückende Beiwerk, also einfach
dnrch Lormengebung. Diese ist ja klar nnd bezeichnend
nicht teurer herznstellen, als unklar nnd nicht be-
zeichnend, während doch das einfachste Stoff nnd
Zweck des Gegenstandes dnrch seins Form bezeichnende
Gerät schon „stilgemäß" ist. Nicht denkbar aber ist
nns wahrhaft künstlerische Gestaltung bei „Zmitation",
also bei Nachahmnng der Ligenschaften fremder
Akateriale, fremdsr Techniken, fremden Zweck'en ent-
sxrechender Formen. cho wollen wir jederlei Nach-
ahmnng im angcdenteten Änne ausschließen und da-
gegen fordern: daß billigere 5toffe, die wir der
kvohlfeilheit wegen verwenden müssen, benntzt und,
wo dies irgend angeht, charakterisirt werden als
das was sie sind. Wahrheit des Gegebenen
ist unsere wichtigste Forderung.

Ls wird freilich nicht überall möglich sein, den
benntzten billigen 5toff dnrch Formgebnng deutlich
zu charakterisiren, teils vielleicht wegen gewifser An-
forderungen der xraktischen Brauchbarkeit, teils anch
deshalb nicht, weil das betreffende Akaterial uns un-
schön erscheint. Dann tritt in der Akehrzahl der Fälle
eine B ema lui'g in ihr Recht — und nun stellt sich
die Forderung nach kVahrheit so: die Bemalung soll
dentlich als Bemalnng erscheinen. Wir wollen den
kknsinn bekämpfen, der beispislsweis Tannsnholz
„eichenholzartig" bepinselt nnd auch hier wieder ein
protzen wollendes „Zmitiren" einschmnggelt.


2. kvir erstreben noch in einem anderen chinne für
„die Farbe" größeren Tinflnß, als sie ihn jetzt be-
sitzt. Für ein Runstgewerbe für den Akinderbemittelten
ist fie ja schon deshalb wichtig, weil ihre amnntigen
oder ernsten chchönheiten im Allgemeinen für wenig
Geld zn gewinncn find. kvie viel mehr kostet warme
Farbigkeit, als nüchterne Farbenkälte?

5. Aus unserem kjauptgrundsatze der künstlerischen
kvahrheit ergiebt es sich, daß wir vom Runstgewerbe
für den Akinderbemittelten anch das verlangen: daß
es dem Lmpfinden, dem Denkcn, den Lebensgewohn-
heitcn dessen, für den es bestimmt ist, nicht wider-
spreche, daß es sie im Gegenteil womöglich spiegele.
kveil wir Dentsche sind, soll es deshalb dentsch
sein, dieses Rnnstgewerbe, national nnd heimatlich in
seinem Lharakter. Ls soll Fremdes, das der Deutsche
herübernimmt, angepaßt zeigen an sein eigenes kvesen,
es soll vor Allem aber kjeimatlichem, „Boden-
wüchsigem" zum kunstgewerblichen Ausdrnck verhelfen.
Die Fordernngen„ die fich hieraus für die Gestaltnng
der Geräte ergeben, liegen klar. Für die Grnamentik
ergiebt sich daraus z. B. das verlangen nach der
Benutzung heimischer Naturformen, nach der Stili-
sirung nnserer pflanzen- nnd Tierwelt statt endloser
kviederholnngen von Akanthus nnd jÜalmette. Rein
vorzüglicheres Beispiel also für das, was wir be-
kämpfen, als das 5ibmacher betreffende, dnrch
das Zlg uns zn schildern glaubt: gerade der stnmpf-
sinnigen Ropirerei wollen wir ja entgegentreten, anf
die kkkutter Natur kräftig hiuweisend. Deshalb
geben auch die kjamburger Beiträge vor Allem
chtudien, die sich eselsbrückenmäßig überhaupt nicht
verwenden lassen. Anch was sie sonst bieten, sind
in erster Neihe Anregungen.

!Vas allen diesen Bedingungen genügt,
das nennen wir „v o I k s kun st". kjerr Zlg hätte
das, da er's nicht wnßte, sehr wohl anch aus den
Lrläuterungen zu den kjainburger Beiträgen heraus-
lesen können, hätte er diese daraufhin angefshen, be-
vor er sich seinen Strohmann zuin Verbrennen zu-
sammenband.

Bis auf wenige punkte sind die Forderungen, die
wir an das Uunstgewerbe für Akinderbemittelte stellen,
also in ihrer Berechtigung längst anerkannte Forde-
rungen an das Gesamtkunstgewerbe. Nur das ist
das wesentliche Neue, daß wir das Luxusknnstgewerbe
zunächst ganz aus dem Spiele lassen. Bei ihm liegen
die verhältnisse viel verwickelter, wir halten uns zn-
nächst ans Linfachere. Aber wir haben jenes nicht ver-
gessen. Zch komme nun zu dem zweiten kvege,
der uns zu der Forderung „volkskunst!" führte. Lr
ging von der Überzeugung aus, daß auch dem
Luxuskunstgewerbe anf keine kveise besser
zu helfen sei, als eben durch eine „volks-
kunst" in Nnserem Sinne.

kver, nachdem wir, „kampfmüd und somiverbrannt",
wieder beim Lmxire angelangt sind, von einer neuen
Rurreise durch die historischen Stilarten sich die Ge-
sundheit verspricht, der mag's thun. kver glaubt,
daß immer neue klkuseen und Lehranstalten uns viel
helfen, so lange wir's treiben, wie wir's jetzt treiben,

— IS3 —
 
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