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den wird es nicht mehr lvunder nehmen, daß die
Aristokratie im öffentlichen Leben Italiens eine so ge-
ringe Rolle spielt. . . Ich lernte dort erkennen, daß
bei Wohnungseinrichtungen nicht die pracht, der kost-
bare 5toff, die imponirenden Größenverhältnisse die
ksauptsache sind, sondern die organische Ausbildung,
die in allen Linzelheiten sich spiegelnde Ljarmonie
zwischen Wollen und Können und, noch mehr als all
dies, der Geist und die persönlichkeit des Schöpfers.
Lin schönes Grgebnis kann auch bei bescheidenen

verhältnissen, bei billigerem Material und mit geringer
Mühe erlangt werden; freilich gehört dazu, daß der
Bewohner eine entwickelte persönlichkeit besitze, daß
er sich einer geistigen Thätigkeit befleißige und daß
das Schönheitsgefühl, der künstlerisch durchgebildete Ge-
schmack, welchem zufolge ihm jede Disharmonie anti-
pathisch, jede Uebertreibung und jede Geschmacklosig-
keit unerträglich dünkt, bei ihm in fortwährendem
Fortschritte begriffen sei. Die einfachste kjütte eines
amerikanischen Indianers oder das Zelt eines Arabers

Nbl). U9. Düngelcucbter uus blunkem Lcbmicdeeiscn, nucb IlNtiabe der Arcbttekten /Ibüllcr § Dc-tti'cntxvortcn und uustietübrt

von Zfranz Dpcnglcr in Kcrlin.

kann einen bequemen, wohnlichen Lindruck machen,
weil wir die Zweckmäßigkeit unbedingt vorwalten
sehen, ferner das Gleichgewicht, die kjarmonie, wie
auch zumeist das naive, auf Verschönerung und ver-
zierung abzielende Bestreben, letzteres in dem Ukaße
eben, wie es die materiellen verhältnisse der Bewobner
gestatten. Die wenigen waffen, Fischernetze und Roch-
geräte, die sich in einer solchen ksütte befinden, sind
derart gruppirt, daß sie zur Lsand seien, ohne jedoch


im kvege zu stehen, gleichzeitig in bester Grdnung sich
befinden und dennoch de» Lindrnck des Dekorativen
machen, der durch keine Dissouanz gestört und be-
hindert wird. Line solche kfütte wiegt manchen palast
auf, dessen glänzendster Saal möglicherweise dadurch
einen unangenehmen Gesamteindruck macht, daß sich
in ihm die Aufgeblasenheit, Alltäglichkeit, Geschmack-
losigkeit, Geistesarmut und Gberflächlichkeit seines
Schöpfers wiederspiegelt."

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