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DAlbmonÄtlicke Ikundscbau.

Anler /ibiNvirlmng des Legrimders Ferdinnnd Nvennrius berausgegeben von

pnul Lcdumann.

2. Gbtober-Dett 1S93. Merter Aabrgrnrg.

Lrscheint Anfang nnd
Mitte jeden Monats.

Westellgeld: 1 M. 60 pk. vierteljäbrl.

Anzeigen:

40 j)f. f. d. -fgesp. sdetitzeile.

Nundscbau

* Äber das Mriser 1knnrstgevx)erbe wird

dem Berliner Tageblatt aus paris gemeldet: Das
palais de l'sZndustrie iu deu Lhamps Tlysees das
Gebäude der Weltausstelluug vom Zahre f8äS, be-
herbergt allsährlich zwei 2lusstelluugeu: deu alteu
Salou, die vom f. Mai bis zum 20. sZuui geössnete
Gemälde-Ausstelluug der Lociets clss artistss frau^ais
uud eine itixpositiou äu pro^rss (Ausstelluug des
Fortschritts) eine gewerbliche veranstaltung vou an-
geblich iuternatioualem Tharakter, bei der jedoch das
französische Aunstgewerbe die leiteude Rolle sxielt.
Deu Salou besucht sZeder, deu seiu lVeg uach paris
führt, die lllxpositiou clu proxrss wird dagegeu ge-
wöhulich weniger vou Fremdeu beachtet. sZm Iuli
uud im August ist sie meist uoch sehr unsertig, uud
im chextember, Gktober und November bietet Paris
eine so große Meuge auderer Zerstreuungen, daß der
vorübergeheud Auweseude selteu Zeit zum Ausstelluugs-
besuch sindet. Wer sich jedoch für Lrageu der Ruust
iuteressirt, sollte uicht versäumen, seine Schritte uach
den Thamps Tlysees hinzuleukeu, um sich dort mit
geriuger Älühe das Bild der gegenwärtigeu Lage
des frauzösischen Runstgewerbes zu ergänzen uud zu
vervollständigen.

Das Berliuer Tageblatt hat jüngst au dieser
Stelle eine iuteressante Frage Ruust uud publikum
augeregt. Ts ist iu jenem Feuilletou über das maugel-
halfte Durchschuittsverstäudnis des deutschen publikums
für Frageu der Ruust Klage geführt wordeu. Wer
im Ausland uud uameutlich iu romanischeu Ländern
lebt oder gelebt hat, wird diese Klage als leider
uur zu berechtigt anerkeuuen. Wenu Lsiuz uud Runz
in der Gemäldeausstelluug eiu Bild betrachten, so ist
die erste Frage: „was ist das? Was soll das
vorstelleu?" Tritt Zaques Bonhomme (der Durch-
schnittsfranzose) dagegen mit seiuer biedereu, meist
wohlbeleibten Lhehälfte im Salon vor eiu Bild, so
kauu der indiskrete Lauscher nur zu oft höreu: ,Mais
o'sst bieu kait. (Zuells jolie pieos äs couleur!"
(wie trefflich ist das gemalt! wie reizeud ist es iu

der Farbe!) — Der Frauzose hat — ich mächte fast
sageu iustiuktiv — deu Blick für Äunst, währeud der
Deutsche vor lauter chtudiunr des dargestellteu Dor-
gauges gar uicht zum eigentlichen Äuustemxfindeu
gelaugt. Ls ist zweifellos eiue Aufgabe der Lr-
ziehuug, eiuem juugeu, für Liudrücke leicht empfäug-
licheu Gemüt klar zu macheu, daß man hinter einem
Gemälde etwas Anderes zu sucheu hat, als eine
kolorirte kleiue Lrzähluug, aber Auustempfiudung läßt
sich uur durch laugsame Lntwickeluug des Formen-
uud Farbensiunes weckeu. Darüber ist mau sich längst
eiuig, daß gerade das Auustgewerbe diese erziehende
Aufgabe am besteu löst. Umgebt eiueu eiuigermaßeu
für Schönheit empfänglicheu Menschen mit Gebrauchs-
gegeustäuden, bei deueu außer der praktischen auch
die ästhetische 5eite berücksichtigt wordeu ist, so wird
sich sein Uunstverständnis gauz vou selbst verfeineru
und bildeu. Das weiß mau iu Deutschland ebensogut
wie iu Frankreich, und seitdem sich der Ltaat der
Augelegeuheit augeuommeu hat, dars mau jetzt vou
eiuer kuustgewerblichen Reuaissauce iu Deutschland
redeu. wohl iu keiuem Laud geschieht soviel für
Auustgewerbeschulen, Kuustgewerbemuseeu uud vor-
bildersammluugeu wie iu Deutschlaud, aber trotzdem
entspricht das Lrgebuis uicht den aufgewaudteu Mitteln.

woriu liegt der Grund für diese beachtenswerte
Lrscheiuuug?

Lin Vergleich zwischeu deutschem und französischem
Runstgewerbe scheint uus die Lösuug dieser Fragen
zu erleichteru.

Das deutsche Runstgewerbe ist ebeu etwas durch
fremde k^ilfe wiederbelebtes, wogegeu dem frauzösischen
Ruustgewerbe das Leben uiemals ausgegaugeu ist;
iu Deutschlaud greift mau zu viel auf alte vorbilder
zurück, die der kuustgewerbliche Zlrbeiter im güustigsteu
Falle uur erreicheu kanu, iu Frankreich sucht mau in
derselben weise origiuell zu schaffen, wie der längst
verstorbeue Meister geschaffeu hat, dessen Arbeiten
der deutsche Arbeiter kopirt. Mit anderen worten:
Zu Fraukreich liegt die Lntwickeluug des Ruust-

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