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fachschnlc ibrc Bercchtinnng üartbnn, so kann sie es > wir scbcn wcitercn dlußerungcn nbcr dcn hier
nnr, wenn sie dicses Natnrstuüiuin als <6rund- nnd > angeregtcn Gcgcnstand aus dcni Rrciss unserer tcser
Lckstein in ihr Lehrgebände einfngt. i cntgcgcn.

paul ch u m a n n.

Wüknung und Ueiln.

Nah ineincr Behausnng inacht dic d?egenwart
der Vergangenheit dcn Garans. Die vergangenheit
sah so ans: cine alte ^>traße, cin wcnig gebogen,
eng nnd winklig, grane bsänser init seltsain verschicden-
artigen Lingängen, hsöfen, Treppen, dlkanern, ans
dcnen die Dtnbcn hicr init großen, dort nnt klcincn
Fcnsterangen hervorgucktcn. Icdes alte bfans war
ein anderer alter lherr init anderen Frenndlich- odcr
Derdrießlichkcitcn. Die Ncnzcit sieht so ans . . . Za
wie denn glcich? Gestch ich's offen, znnächst, so
konnnt es inir vor: wie cine Straßenwalze. Die alte
Gasse ist nicdergelegt, dcr „Dnrchbruch" wird fcrtig
gcinacht - nber all den Ivchutt, der einst mehr war
als Schntt, nber all die Uncbcnheiten, die einst Zeng-
nissc waren von Persönlichkeit,. rackcrt nnd pnstet nnn
diese Dainpfwalze Ncnzeit. Noch cine Moche nnd
eine Aäche wird dalicgen so eben wie ein Brett, fo
gerade begrenzt wie ein Lineal. Und die ^traßen-
walze wird ihrcn behäbigen ttcib ansruhcn nnd znin
Dcrrn Stadtrat sagcn könncn: „Dic Sache ist regnliert,
böerr Dorgesetzter, keine chpnr inehr von eigenem Leben,
alles schön gleichmäßig, alles schön tot."

Ich bin hent friedfertig, ich will nnch niit der
^traßenwalze und dein bserrn Dtadtrat nicht streiten.
lvas hülfe inirs anch, wenn ich behanptetc: „o dicke
^renndin, deine Schöpfnng ist vicl langweiliger, als
das, was früher hier war nnd, init Verlanb, lang-
weiliger anch, als ans praktischen Gründen nötig
> wäre. Meine ^traßenwalze würde sich anf dcn Lserrn
Stadtrat berufen und der ljerr ^tadtrat anf die Uerren
Stadtverordneten, nnd die kferren ^tadtverordneten
daranf, daß jedcr wahrhaft Gebildctc ihrer dlnsicht
sei - ich inöchte inich nur bei kfLrrn Ziininerineister
Uküllcr und Lserrn üofliefcranten Schnlze erknndigen.

Zch schreite ein Atück stadtauswärts, dorthin, wo
Fran Nenzeit schon vor zwei Zahren glatten Tisch
geinacht hat, indein sie ein leise bewcgtes Stück Miesen-
land init chchntt und chchodder applanierte, korrigierte
und regulierte nnd eine chtraße darübcr lcgte. Nechts
nnd links heben sich nnn nioderne Dillen cnipor,
incistens solche, die zuin Derniieten bestiniint sind. Zch
weiß nicht recht, wie ich sie beschreiben soll, denn das
ist eben das Leine an ihnen, daß sie ganz und gar
nichts Vesonderes haben, was znni Bcschreiben cine
bfandhabe böte. Diereckige 'kkästen, die Fenster anf-
niarschiert in geradcn Zügen, daß ein Unteroffizier
seinc Frende daran hätte. ^srcilich, auch sogcnanntcr
Schmnck ist daran. Gipserne Grnamente unter den
Fenstern, die genan eben so gnt auf Tapetcn, oder
Bnchrücken oder Liedcrtäschchen paßten und die ich
anch überall da fchon gesehen habe. Rorinthische
Sänlcn ans Marnior, der aber cigentlich bcklcisterter
Ziegclstein oder anch bcnialtcs Blech ist. Zedes kfans

_

nnd scin Nachbar ähnlich wie zwei Lädcn von der
I selben Nuninier. Und nirgends sagt niir das Änßere
ctwas davon, wie es ini Znnern anssicht. Alles
schön gleichniäßig, alles schön langweilig, allcs
schön tot.

Ncin, alles doch nicht. Zetzt bin ich an cin
lffans gckoniincn, das nnch cinlädt stchcn zn bleibcn.
Beinah cin bißchcn nnvcrschäint sieht es an dieser
Äellc aus, so dentlich erlanbt es sich, in scincr fcincn
Unigebnng korrekt fich znrückhaltcnder lj^>u'lchuften
von sich sclbcr zn rcdcn. Uoimn nnr hcran, sagt ein
lnstiger Dorban, hier gehts herein. Äeh, sagt ein
cckiger Zlnsban, hicr ist die Treppc, hier gehst dn
nachher hinanfi hier ist ein Saal, sagen ein paar
große, hohc Lenstcr; hier das dlrbcitszininier, sagt ein
breitcs, behaglichcs, nicdrigcs; hier läßt sichs gnt
plaudcrn, lockt ein Trker. Don allen wichtigeren
Znncnrännien bckoninist dn schon ans dcin dlcnßeren
ein Bild, verstehst dn dich nnr einigerniaßen daranf,

I wie Steine reden. Links oben anf deni Dache aber
sitzt ein verwegenes Türnilein just wie einc kcck anf
dic Scitc gcrücktc Ulütze - als wollte das Ijänsel
sagen: blcibt niir gcwogen, ihr steifen ljerren rings
nniher ich bin, dcr ich bin nnd läch cuch ans init
enrer Dornehnithnerei.

U?as ist nun diescs löans - „Dergangcnheit"
oder „Neuzeit" ? Derchrte iLeser: !) e r g a n g e n-
heit ist es, denn bjnndertc von Zahren haben nnsere
Altvordercn also gcbant, daß nicht ^tnnnnes, sondcrn
Ncdcndes, nicht Totes, sondern Lebendiges entstand.
Meil das aber das Natürliche ist nnd weil keine
Mode nnd kein Apeknlantentnin der Mclt anf dic
Daner wcis macht, das Unnatürliche nnd Tote sei
das Dornehine, deshalb ist hier die Dcrgangenheit
anch dic Znkunf t.

U)ir treten in das einladcnde ljaus der
Uünstler, dein es gehört, erlanbt nns das schon. Das
Znnere hält, ivas das dlnßere versprach; warin und
wohlig nintet uns das alles an. Und wie wir iin
lanschigen Trker j?latz genoinincn, so plandern ivir
init dcin ljausherrn darüber, wie er wohl alles rings-
nin so belcbt nnd beseelt habc nnd was cs übcrhaupt
init diesein „Beseelen" nnd „Belebcn" für cine selt-
sanie ivache sei.

Und da giebt es sich, daß wir nnsercn Blick
schnell eininal in die fcrnste Vergangenheit znrück-
fliegen lassen. Zn wildcn ljordcn noch strcift dcr
Mcnsch ninher, ein Ilebeii führend, das an Vchagen
kanin wesentlich das der Tierheit übertrifft. Ligen
aber ist ihin, daß er überall in seiner Uingebnng
„Geister" sieht. Lin großer Gcist ist ihin die ck>onne des
Tages, Gcister sind ihin Ukond nnd ^ternc der Nacht,
Geister die Minde, die ihn ninwehen, Geister be-
 
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