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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Die Darmstädter Künstler-Kolonie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0029

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Ansicht der Künstler-Kolonie im Bau. Dannstadt, Mathildenhöhe.

DIE DARMSTÄDTER KÜNSTLER-KOLONIE

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N dem »Herrengarten« zu Darmstadt, der durch das Andenken
der dichterfreundlichen Landgräfin Caroline geweiht ist, gelangt
man auf frei gewundenen Wegen, an weiten Wiesen mit hohen
Baumgruppen und einem stillen grossen Weiher mit Schwänen vor-
über irgendwo vor ein Gitterthor, wo sich mit einem Mal ein ganz
anderes Bild darbietet: ein regelmässig abgezirkelter Garten, kleine
kreisrunde Wasserbassins, vergoldete Sonnenuhren und ganz hinten
ein fürstliches Gartenhaus des vorigen Jahrhunderts. Die ganze Anlage
ist unter dem Einfluss des Louis XlV-Stiles entstanden. Die ehrlichen
deutschen Handwerker, von denen die Dekorationen im Innern des
Hauses ausgeführt sind, haben sich schrecklich gequält, um an den
Stuckaturen der Kamine und Plafonds der eleganten französischen
Ornamentik gerecht zu werden. Die Arbeiten sind typisch für die Tiefe der Leistungsfähigkeit, zu der ein
von Hause aus tüchtiges Kunsthandwerk herabsinken kann, wenn es sich mit Zierformen plagen muss,
die einer ihm innerlich fremden und in toten Regeln erstarrten Tradition angehören.

In diesen Räumen regt und rüstet sich jetzt die neue Kunst, die auch das deutsche Handwerk wieder
in die Höhe führen soll; es ist da der vorläufige, wenn auch unzureichende Sitz der Darmstädter Künstler-
Kolonie. Hier entwirft Professor Christiansen seine Entwürfe für Glasmalerei und Rudolf Bosselt seine
Plaketten, beide von Gehilfen unterstützt, um ihren zahlreichen Aufträgen zu genügen. In zwei anderen
Zimmern haben die jüngsten Mitglieder die Kolonie, Paul Bürck und Patriz Huber sich behagliche Arbeits-
räume eingerichtet. Dagegen ist das vorläufige Atelier des Bildhauers Ludwig Habich in einem benachbarten
Palmenhaus untergebracht und auch die Professoren Peter Behrens und J. M. Olbrich, von denen letzterer
eine grössere Anzahl von Zeichnern beschäftigt, haben sich ihre besonderen Ateliers in der Stadt einrichten
müssen. An bestimmten Abenden aber finden sich alle zu ernster und gemütlicher Aussprache in jenem
kleinen Gartenpalais zusammen.

Man weiss, dass die Gründung dieser Künstler-Kolonie aus der eigensten Initiative des Gross-
herzogs von Hessen entsprungen ist. Er hat sie unter erheblichen persönlichen Opfern vollzogen,
nachdem ihn seit Jahren unter künstlerischen wie volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten die junge
angewandte Kunst und die damit zusammenhängende Frage des Handwerks auf das Lebhafteste
beschäftigt hatten. Gegenüber der Geringschätzung, mit der manche »Modernen« die grossen Kunst-
perioden der Vergangenheit behandeln, ist es von Interesse zu sehen, wie sich in der Person

Kunstgewerbeblatt. N F. XII H. 2. ,
 
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