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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Rücklin, Rudolf: Die moderne Dekorationskunst im Lichte der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0052

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44 DIE MODERNE DEKORATIONSKUNST IM LICHTE DER PARISER WELTAUSSTELLUNG

Theegeschirr, ausgeführt in teilweise vergoldetem Silber, Ebenholz und Glas von STEINICKEN & LOHR, München (Muster gesch.)

begründet über die etwaige kunstgewerbliche Über-
legenheit Deutschlands über seine Nachbarnationen;
dass aber Deutschland seiner Aufgabe, ein Bild seiner
künstlerischen Produktion zu geben, mit grösserem
Ernst, mit mehr dekorativem Bewusstsein, mit mehr
künstlerischer Selbstbeschränkung gerecht geworden
ist, als alle seine Konkurrenten, das dürfen wir sagen,
obgleich es unser eigenes Werk ist, das wir damit
loben. Dass unsere massgebenden Kreise der dekora-
tiven Kunst diese führende Stellung eingeräumt, ihre
hohe Bedeutung so rückhaltlos anerkannt haben, das
ist das Bedeutsame, das Hocherfreuliche an der kunst-
gewerblichen Ausstellung Deutschlands.

Wir dürfen uns aber nicht verhehlen, dass wir in
dieser Beziehung verhältnismässig leichtes Spiel gehabt
haben: Als ernsthafter Konkurrent in der künstle-
rischen »Aufmachung« seiner Ausstellung steht ja
eigentlich nur noch Österreich da; Österreich, dessen
Aufbau mit seinem frischen Schwung, seiner jugend-
lichen Grazie ganz aus einer temperamentvoll-drängen-
den Moderne heraus geboren erscheint. Geht ihm
auch die machtvolle Würde, der imponierende Ernst
des deutschen Werkes ab, so ist ihm dafür eine heitere
Leichtigkeit und Anmut zu eigen, die man als echt
national und bodenwüchsig wird anerkennen müssen.
Auch der abseits von dem grossen Ausstellungspalast
gelegene ungarische Pavillon mit seinem kecken Pfauen-
federmuster in den Fenstern fällt unter den umgeben-
den, meist völlig charakterlosen, kleineren Bauten durch
Originalität auf.

Von den übrigen ausstellenden Staaten hat eigent-
lich nur noch Amerika es versucht, wenigstens einen
dekorativen Eingang zu der Ausstellung seiner Er-
zeugnisse zu schaffen. Aber das Ergebnis ist kein
sehr erfreuliches. Es wirkt plunderhaft und geschäfts-
mässig, ohne Vertiefung, ohne eine Spur von neuen
Ansätzen, ohne Würde. Da wirkt die kühle Sachlich-
keit der englischen Einrichtung, die völlige Nüchtern-

heit der japanischen fast noch besser, oder wenigstens
wahrer. Was besonders geschmacksverletzend in"*der
amerikanischen Ausstellung wirkt, ist die übermässige
Beliebtheit des Sternenbanners zu Dekorationszwecken.
— Der direkte Gegenfüssler Deutschlands ist wohl
Italien. Es hat von jeder Repräsentation, von jeder
weiterschauenden künstlerischen Darbietung abgesehen,
und den ihm zur Verfügung stehenden Raum ganz
als Verkaufsgelegenheit benutzt. Diesen seinen Zweck
scheint es auch erreicht zu haben: Man sieht nirgends
die Aufschrift: Vendu —, öfter wiederholt, als in der
italienischen Abteilung. Das war bisher auf allen
grösseren Ausstellungen so, an denen Italien sich be-
teiligt hat. Und keinen besseren Beweis kann es
geben für die Rentabilität weiter ausschauender, kunst-
gewerblicher Bestrebungen, als die so ungeheuer
nüchtern arbeitende, rückhaltlos dem platten Massen-
geschmack huldigende italienische Kunstindustrie, die
trotz alledem — keine blühende genannt werden
kann. —

Wer unsere moderne, kunstgewerbliche Bewegung
nach ihrer quantitativen Vertretung auf der Jahrhundert-
ausstellung beurteilen wollte, müsste zu ganz merk-
würdigen Ergebnissen kommen. Wie wenig, wie
schmerzlich wenig ist sie doch mit wahrhaft ge-
diegenen Leistungen vertreten, im Vergleich mit der
ungeheuren Menge der aufgestapelten Ausstellungs-
gegenstände! In wenigen Abteilungen nur überwiegt
die Moderne absolut nach Bedeutung und Anzahl
der Arbeiten; in den meisten muss man ihre Er-
zeugnisse förmlich suchen. Durchwandert man die
französische Abteilung für Kunstgewerbe, so wird
man bemerken, dass thatsächlich die geschäftsmässige,
elegante und glatte Wiederholung der verschiedenen,
historisch-nationalen Stilarten von Louis XIV. bis zum
Empire das weitaus Überwiegende ist. Nur in dem
Glanzpunkt der französischen Ausstellung, den Juwelier-
arbeiten, ist dies nicht der Fall; hier finden wir,
 
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