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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Rücklin, Rudolf: Die moderne Dekorationskunst im Lichte der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0054

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46 DIE MODERNE DEKORATIONSKUNST IM LICHTE DER PARISER WELTAUSSTELLUNO

klang, jedes Anknüpfen an Bewährtes, Historisches
verpönt, aber in dem, der sich scheut, einfache Wieder-
holungen, oder Arbeiten zu bringen, die lediglich als
Beweise einer alteingesessenen, künstlerischen Routine
gelten können. Das ernste Bemühen, nur Neues und
Eigenes zu bringen, spricht sich aus in dem Vor-
wiegen strenger Ornamentik, in der ersichtlichen Ab-
neigung gegen spielend-naturalistische Motive, in der
geringen Anzahl der in rein historischem Sinn ge-
arbeiteten Stücke. Hier, und fast nur hier, kommt
dem Beschauer das Bewusstsein, dass ein thatsäch-
licher, ein durchgreifender Umschwung im Kunst-
gewerbe stattgefunden habe.

Bezüglich der übrigen Staaten kann ich mich kurz
fassen. Österreich zeigt auf kleinem Räume das gleiche
Schauspiel, wie Frankreich auf grossem: Einzelne
glänzende, moderne Leistungen und daneben vieles
Alte, Marktgängige, was bei solcher Gelegenheit gleich-
giltig lässt, — wenigstens vom künstlerischen Stand-
punkt aus. Belgien und England, die so Vieles zu
zeigen gehabt hätten, bleiben mit ihren tüchtigsten
Künstlern, ihren interessantesten Leistungen aus. Was
in ihren Abteilungen an kunstgewerblichen Arbeiten
zu sehen ist, ergiebt ein zu lückenhaftes Bild, um
irgend eine andere Schlussfolgerung daraus ziehen zu
können, als die, dass die beiden Staaten es mit ihrer
kunstgewerblichen Ausstellung nicht sehr ernst ge-
nommen haben. —

Amerika bietet insofern eine interessante Darstellung,
als die beiden Firmen Gorham und Tiffany so ziem-
lich das Höchste ausgestellt haben dürften, was im
Lande des Sternenbanners an Juwelenarbeit, in der
Silberwarenbranche und in Kunstglase geleistet werden
kann, und man also berechtigt sein wird, hieraus
einen verallgemeinernden Rückschluss zu ziehen.
Wenigstens in Bezug auf die beiden ersteren Gewerbe
wird ein solcher jedenfalls zutreffen; wir sehen dem-
nach die amerikanische Dekorationskunst mit einer
technisch wie ästhetisch vor nichts zurückschrecken-
den Kühnheit ausgerüstet, vermöge der sie ihre Auf-
gaben mit der gleichen rüstigen Derbheit anfasst, mit
der sich ihre eintönige Rokokoornamentik über alle
ihre Erzeugnisse verbreitet. Tiffany's Kunstgläser und
Kunstverglasungen nehmen dabei freilich eine ge-
sonderte Stellung ein; sie sind vorbildlich-modern im
besten Sinne des Wortes.

Einen besonders breiten Raum nehmen in der
Kunstgewerbeausstellung die im Sinne einer natio-
nalen Volkskunst gehaltenen Arbeiten ein. Russland,
Dänemark und Norwegen, Spanien und Portugal,
Japan stellen wieder die Erzeugnisse aus, die uns in
ihrem typisch-nationalen Stil schon so lange vertraut
sind, dass sie uns doch eigentlich nichts mehr zu
sagen wissen. Bei Norwegen, Dänemark und Japan
hat man das Gefühl, dass da wirkliches Leben dahinter
steckt, dass das National-Eigentümliche kein Deck-
schild ist für Unbeweglichkeit und Erstarrung. Bei
Russland erscheint das schon weniger deutlich, bei
den Spaniern und ihren Nachbarn dagegen ist nur
noch die hohle Form geblieben. Die Kunst erträgt
eben dauernde Inzucht so wenig wie alles Lebende,

Decke des Willkomm-Pokals für'das deutsche^Reichstagsgebäude.
Entworfen und ausgef. von Prof. "FRITZ VON MILLER, München.

mich so ausdrücken darf, eine opalisierende Skala
von Tönen. Die schweren, gesättigten Tinten, die
»Harmonie des Braunen«, wie die Renaissance sie uns
gebracht hat, sie scheinen verlassen zu Gunsten einer
Art von kunstgewerblichem Plein-air.

Als Drittes tritt hinzu die Zusammenstimmung ver-
schiedener Materialien: Bronze und Marmor, Elfenbein
und Gold, Opalglas und Halbedelsteine —, das alles
wird gemischt wie auf der Palette, und bringt Wir-
kungen hervor, denen man seine rückhaltslose Be-
wunderung nicht versagen kann. Nach dieser Richtung
kann, so scheint es mir, unsere Gewerbekunst von
der französischen noch vieles lernen.

Deutschlands Ausstellung bewahrt auch hinsicht-
lich seiner Stellung zur modernen Richtung seine
Einheitlichkeit: Es ist modern, mit ganz wenigen Aus-
nahmen; nicht in dem Sinne freilich, der jeden An-
 
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