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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Rücklin, Rudolf: Die moderne Dekorationskunst im Lichte der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0057

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DIE MODERNE DEKORATIONSKUNST IM LICHTE DER PARISER WELTAUSSTELLUNG 49

und sie kann nicht gedeihen, ohne sieh unablässig
zu verändern. —

Die Pariser Weltausstellung zeigt für jeden, der
gekommen ist, um die neuzeitliche, dekorative Kunst
zu studieren, den empfindlichen Mangel, dass er
mühsam sich erst das ausfindig machen muss, was
des Studiums wert ist. Nicht nur, dass die Arbeiten
neuzeitlicher Richtung unter den blossen Nach-
ahmungen historischer Vorbilder vielfach fast ver-
schwinden, es sind auch künstlerische Leistungen jeden
Grades mit den Gegenständen industrieller Massen-

drücken darf, loszulösen beginnt, und nach unten eine
Kunstindustrie, die für die grosse Masse arbeitet, und
keine künstlerische Richtschnur kennt, als den Ge-
schmack dieser. Der charakteristische Unterschied dabei
scheint mir weniger in der Art des Betriebes, bezw.
der Herstellung des einzelnen Stückes zu liegen, als
vielmehr in dem angestrebten, geschäftlichen und
künstlerischen Endziel. Jene arbeitet für den Kunst-
kenner und Liebhaber, diese für ein Publikum, welches
nur von dem allgemeinen Modegeschmack einen Be-
griff hat. Dazwischen liegt das gute Kunsthandwerk,

Mittelteil des Willkomm-Pokals für das deutsche Reichstagsgebäude.

fabrikation zusammengebracht, die mit Kunst so gut
wie gar nichts zu thun haben, nur weil beide aus
dem gleichen Stoffe gefertigt sind. Mit anderen
Worten: Das Kunstgewerbe, die Zierkunst, hat nicht,
wie die Malerei und Skulptur, ein eigenes Heim er-
halten können; sie ist mit der Industrie zusammen
untergebracht worden, und es erhebt sich die Frage:
Ist dies ihrer gegenwärtigen Bedeutung entsprechend?
Was in den beiden Palästen auf der Esplanade
des Invalides an kunstgewerblichen Erzeugnissen zur
Schau gestellt ist, zeigt deutlich, dass von dem, was
wir unter Kunstgewerbe verstehen, sich nach oben
eine reine Gewerbekunst, wenn ich mich so aus-

Kimstgewerneblatt. N. F. XII. H. 3.

das von den Künstlern, den Grossen seines Faches,
sich seine Anregungen holt und seine Käufer in dem
gebildeten Mittelstand findet. Es ist aber damit
keineswegs gesagt, dass die Grossindustrie nur künstle-
risch minderwertige Erzeugnisse liefere; vielmehr zeigt
namentlich die deutsche Ausstellung aufs deutlichste,
dass industrielle Unternehmungen zahlreich mit Künst-
lern in Verbindung treten, und dass daraus Erzeug-
nisse entstehen, die nur ein grosskapitalistischer Betrieb
auf den Markt zu bringen wagen kann, — und die
doch wieder das Gepräge reiner Kunst tragen. Gerade
dieses Zusammenarbeiten von Künstler und Fabrikant
tritt an verschiedenen Teilen der Jahrhundertausstellung

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