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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Gensel, Walther: Das Kunstgewerbe auf der Pariser Weltausstellung, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0071

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III.

Das verständnislose Zusammenwerfen von kunst-
gewerblichen und rein industriellen Erzeug-
nissen, von dem ich bereits in meinem ersten
Aufsatz gesprochen habe, hat keiner Abteilung so
geschadet wie der französischen. Neben den
Schmucksachen eines Lalique finden wir hier Messer-
schmiedewaren, neben den edelsten Kunstbronzen
ganz gewöhnliche Beleuchtungskörper, neben den
Webereien von Aubusson Linoleum, neben den Kunst-
töpfereien Thonröhren. Ausserdem ist infolge der
Zulassung ganz minderwertiger Waren die Abteilung
viel zu gross und unübersichtlich geworden. Und
doch macht sie einen gewaltigen und nachhaltigen
Eindruck. Woher kommt das? Erstens steht die
Technik in Frankreich immer noch auf der alten
Höhe und dann hat es bei den eigentlichen Luxus-
gegenständen kaum einen wirklich gefährlichen Neben-
buhler. Am deutlichsten tritt dies auf zwei Gebieten
hervor, bei der Keramik und bei den Schmucksachen.
Wir haben gesehen, welchen hohen Aufschwung die
Keramik in der letzten Zeit in Dänemark genommen
hat, wie würdig Holland vertreten ist, wie sich in
den Vereinigten Staaten und in Schweden und Nor-
wegen tüchtige Kräfte regen und wie in Deutschland
neben den staatlichen Manufakturen leistungsfähige
Privatfabriken und begabte Künstler sich Achtung
erworben haben. Kommt man aber in die franzö-
sische Abteilung, die sich im westlichen Palaste der
Invaliden unmittelbar an Japan und die Schweiz an-
schliesst, so ist man doch geblendet, nicht nur von
der Güte des Gebotenen, sondern vor allem von dem
Reichtum an künstlerischen Individualitäten. Andere
Länder sind froh, wenn sie einen Künstler einem
Delaherche an die Seite zu stellen haben, hier aber
stehen neben Delaherche seit langem in einer Reihe
Chaplet, Dammouse, Dalpeyrat, und ihnen haben sich
jetzt Michel Cazin, Georg Hoendschel und Jeanneney
würdig angeschlossen. Insbesondere Cazin's in ganz
matten grauen, bläulichen oder grünlichen Tönen ge-
haltene und sehr eigenartig geformte Vasen verdienen
eingehendste Beachtung. Und was für tüchtige Künstler

sind daneben auch noch Leute wie Lachenal und
Clement Massier, dessen ganz von metallischen Re-
flexen überzogene Gefässe mit der Zeit ja aller-
dings etwas von ihrem Reize eingebüsst haben! Die
meisten von ihnen haben ein ganz bestimmtes
Gebiet, und dieses Gebiet mag manchem etwas eng
umgrenzt erscheinen, das der an die Japaner sich
anlehnenden »gres« mit verlaufenden Emailglasuren,
aber sie erreichen auf ihm immer neue und über-
raschende Effekte der Form, der Farbe und des
Dekors. Mit einer neuen Erfindung ist Dam-
mouse zur Weltausstellung gekommen, er fertigt aus
Emailmasse ganz zarte, durchschimmernde und mit
flüchtig aufgetragenem, wie nur angedeutetem Dekor
versehene Gläser und Schalen in matten weissen und
gelblichen, oder auch grünen und blauen, selbst roten
Tönen. Vielleicht das schönste Stück ist vom Ham-
burger Museum erworben worden. Neben diesen
Künstlern sind die grossen Firmen Bigot, Emil Müller
und Löbnitz zu erwähnen, die das Steinzeug zu
monumentalen Zwecken verwenden. So hat Bigot
eine ganze Anzahl von Kaminen, Säulen, einen Balkon,
einen fünf Meter hohen Wandbrunnen u. s. w. aus-
gestellt. Friese von ihm sind am rumänischen Restau-
rant der Ausstellung und am monumentalen Thor
angebracht. Nebenbei sei erwähnt, dass die Firma
augenblicklich an einem Mietshause der Avenue Rapp
die ganze Fassade vom ersten Stockwerk an in ge-
flammtem Steingut ausführt. Das wichtigste Aus-
stellungsobjekt von Müller ist der grosse Fries »Die
Arbeit« am monumentalen Thor. Er wird an Um-
fang aber noch weit übertroffen von dem gewaltigen
Friese »Die Epochen der Kunstgeschichte« an der
Hinterfassade des grossen Kunstpalastes, den die
Manufaktur von Sevres nach den Kartons von J. Blanc
ausgeführt hat. Doch haben wir es hier nicht mit
verlaufenden Glasuren wie bei Bigot zu thun, sondern
mit vollen Farben, die sich von denen des harten
Porzellans nur wenig unterscheiden. Die Manufaktur
hat sich auf die neue Technik mit einem wahren
Feuereifer geworfen. Ursprünglich wollte sie einen
 
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