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DAS KUNSTGEWERBE AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG
Thür aus dem Salon von M. BIGAUX auf der Weltausstellung Paris 1900,
die aus fünf Zimmern und einem Vorsaal bestehende
Wohnung, die Bing, der Besitzer des Hauses Art
nouveau, in einem besonderen Pavillon eingerichtet
hat. Drei junge französische Künstler haben an ihr
mitgewirkt, Gaillard für den Vorraum, das Esszimmer
und das Schlafzimmer, Colonna für den Salon, de
Feure für das Toilettenzimmer und das Boudoir.
Zwischen den neuen englischen und belgischen Mö-
beln und den älteren französischen Stilen zu ver-
mitteln, die moderne Richtung den reichen Fran-
zosen mundgerecht zu machen, scheint die Losung
gewesen zu sein, die Bing ausgegeben hat. Gaillard
nähert sich mit den gewundenen Linien und Bronze-
ornamenten seiner Esszimmermöbel am meisten den
Belgiern, de Feure scheint in seinem Boudoir bei
einer neuen Art Rokoko an-
gekommen zu sein. Im
einzelnen mag man man-
ches auszusetzen haben, das
Ganze macht, vor allem
durch die trefflich abge-
wogenen Farbenstim-
mungen, einen ungemein
harmonischen Eindruck und
passt sich der überfeinerten
Lebensweise der vornehmen
Pariser Welt glücklich an.
Merkwürdigerweise haben
die Zimmer bisher trotzdem
bei den Ausländern den
meisten Anklang gefunden.
Vielleicht das schönste sind
die ungemein zarten seide-
nen Wandverkleidungen,
Vorhänge und Möbelbe-
züge. Auch hier hat man
einen Mittelweg zwischen
den allzustilisierten Liberty-
Mustern und fröhlichen alt-
französischen Vorbildern ge-
funden. Manche Berührung
mit Bing zeigt das prächtige
von Alexander Charpentier
für das Warenhaus Louvre
entworfene Speisezimmer.
Endlich sei auf den hübschen
Schiffssalon von Leglas-
Maurice hingewiesen.
In der Nähe der Möbel-
abteilung führt eine Treppe
zu den Galerien empor.
Nur weniges fällt hier unter
den Begriff des Kunstge-
werbes. Eine grosse Ent-
täuschung bereiten die Glas-
malereien, auf die wir zu-
erst treffen. Die bekannten
Künstler Galland und Gras-
set haben zwar goldene Me-
daillen erhalten, werden aber
von den Deutschen sowohl
an Glut der Farben wie an Schönheit der Linienführung
übertroffen. Auch L.-O Merson, der einzige, der in der
Klasse einen grossen Preis erhalten hat, lässt uns kalt.
Ähnlich steht es bei den Gobelins. Es erscheint uns fast
unbegreiflich, wie man ein halbes Dutzend Arbeiter vier
Jahre lang an einem Teppich arbeiten lassen kann,
um eine Wirkung zu erreichen, die der Maler in ein
paar Wochen oder Monaten erreicht. Alle diese
Teppiche nach Ehrmann, Maignan, Blanc, Roche-
grosse und selbst der kostbarste, der nach Moreau,
sind gewebte Ölbilder, aber keine Gobelins. Mit
blossem Archaisieren ist's aber auch nicht gethan.
So sind denn die besten Leistungen die Kopien alter
Vorbilder, vor allem die Nachbildung des einen
Saales des Gerichtshofes zu Rennes. Die Erzeugnisse
DAS KUNSTGEWERBE AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG
Thür aus dem Salon von M. BIGAUX auf der Weltausstellung Paris 1900,
die aus fünf Zimmern und einem Vorsaal bestehende
Wohnung, die Bing, der Besitzer des Hauses Art
nouveau, in einem besonderen Pavillon eingerichtet
hat. Drei junge französische Künstler haben an ihr
mitgewirkt, Gaillard für den Vorraum, das Esszimmer
und das Schlafzimmer, Colonna für den Salon, de
Feure für das Toilettenzimmer und das Boudoir.
Zwischen den neuen englischen und belgischen Mö-
beln und den älteren französischen Stilen zu ver-
mitteln, die moderne Richtung den reichen Fran-
zosen mundgerecht zu machen, scheint die Losung
gewesen zu sein, die Bing ausgegeben hat. Gaillard
nähert sich mit den gewundenen Linien und Bronze-
ornamenten seiner Esszimmermöbel am meisten den
Belgiern, de Feure scheint in seinem Boudoir bei
einer neuen Art Rokoko an-
gekommen zu sein. Im
einzelnen mag man man-
ches auszusetzen haben, das
Ganze macht, vor allem
durch die trefflich abge-
wogenen Farbenstim-
mungen, einen ungemein
harmonischen Eindruck und
passt sich der überfeinerten
Lebensweise der vornehmen
Pariser Welt glücklich an.
Merkwürdigerweise haben
die Zimmer bisher trotzdem
bei den Ausländern den
meisten Anklang gefunden.
Vielleicht das schönste sind
die ungemein zarten seide-
nen Wandverkleidungen,
Vorhänge und Möbelbe-
züge. Auch hier hat man
einen Mittelweg zwischen
den allzustilisierten Liberty-
Mustern und fröhlichen alt-
französischen Vorbildern ge-
funden. Manche Berührung
mit Bing zeigt das prächtige
von Alexander Charpentier
für das Warenhaus Louvre
entworfene Speisezimmer.
Endlich sei auf den hübschen
Schiffssalon von Leglas-
Maurice hingewiesen.
In der Nähe der Möbel-
abteilung führt eine Treppe
zu den Galerien empor.
Nur weniges fällt hier unter
den Begriff des Kunstge-
werbes. Eine grosse Ent-
täuschung bereiten die Glas-
malereien, auf die wir zu-
erst treffen. Die bekannten
Künstler Galland und Gras-
set haben zwar goldene Me-
daillen erhalten, werden aber
von den Deutschen sowohl
an Glut der Farben wie an Schönheit der Linienführung
übertroffen. Auch L.-O Merson, der einzige, der in der
Klasse einen grossen Preis erhalten hat, lässt uns kalt.
Ähnlich steht es bei den Gobelins. Es erscheint uns fast
unbegreiflich, wie man ein halbes Dutzend Arbeiter vier
Jahre lang an einem Teppich arbeiten lassen kann,
um eine Wirkung zu erreichen, die der Maler in ein
paar Wochen oder Monaten erreicht. Alle diese
Teppiche nach Ehrmann, Maignan, Blanc, Roche-
grosse und selbst der kostbarste, der nach Moreau,
sind gewebte Ölbilder, aber keine Gobelins. Mit
blossem Archaisieren ist's aber auch nicht gethan.
So sind denn die besten Leistungen die Kopien alter
Vorbilder, vor allem die Nachbildung des einen
Saales des Gerichtshofes zu Rennes. Die Erzeugnisse